»Ich glaube selbst du kannst mir nicht helfen.«, erwiderte ich und ging auf die Matte, wo Hiyon bereits mit einem breiten Grinsen wartete und anders, als wenn er sonst lachte, erreichte es seine Augen. Es machte ihm immer ein sehr großes Vergnügen mich zu erniedrigen und schwach aussehen zu lassen. Und dabei ging er mir nicht mal zum Bauchnabel. Was es mir eigentlich nur noch schwerer machte ihn zu treffen, da durch seine Größe eine viel kleinere Fläche gab, wo ich ihn erwischen konnte. Uns wurden Ringe gegeben, die unsere Fähigkeiten blockieren sollten, damit wir uns nicht auf unsere Fähigkeiten verließen, sondern auch ohne sie wussten wie man kämpft.

Den ganzen Morgen attackierten wir uns, -wenn man es so nennen konnte- unser Kampf bestand daraus, dass er mich vermöbelte und ich versuchte ihn zu treffen, aber es misslang mir jedes Mal ihn auch nur zu berühren. Jede Minute war eine Demütigung und ich wünschte mir nichts mehr, als seinen Tod. Aticca stand einfach daneben und schüttelte genervt den Kopf. Dieser eine kurze Augenblick, denn ich zu Aticca geschaut hatte, kassierte mir wieder eine Faust in meiner Magengrube. Ich hatte nicht mal einen Moment Zeit um mich zu krümmen, den schon kam der nächste Schlag. Er war einfach viel zu flink. Kaum einem seiner Schläge konnte ich ausweichen. Ich würde vollkommen gegen ihn verlieren und mich vor allen dunklen Neyfrem blamieren, wenn ich nicht einmal einen Jungen besiegen konnte. Sie würden mich niemals ernst nehmen. Wenn ich ihm nur diesen Ring entreißen könnte, würde ich seine Bewegungen steuern können oder wenigsten seinen nächsten Schlag vorhersehen. Als seine Faust auf mein Gesicht zusteuerte, ließ ich im letzten Augenblick einen Hysestrom seine Faust nach rechts Schieben, sodass sie mein Gesicht um einige Zentimeter verfehlte.

»Mayser!«, sagte Attica. »Fünf Strafschläge.«

Hiyon ließ es sich nicht zwei Mal sagen. Mit einem breiten Grinsen schlug seine Faust wieder und wieder in meinem Bauch ein.

Unser Training ging den ganzen Morgen, bis wir endlich zu Mittag essen durften. Lediglich eine halbe Stunde wurde uns eingestanden, bis wir zum Fähigkeitentraining mussten. Hier war ich nicht ganz so schlecht. Hauptsächlich, weil sie die Ringe ablegen mussten und ich in ihre Gedanken eindringen konnte. Abgesehen von einem meist stillen, unscheinbaren Mädchen, konnte niemand meinem Geistigengriff entgleiten. Gepaart mit meinen anderen Fähigkeiten war ich unschlagbar. Es war immerhin nach der Demütigung beim Kämpfen ein kleiner Sieg für mich. Auch wenn mein einziger Vorteil meine Gedankenkontrolle war. Nur mit den anderen beiden Fähigkeiten wäre es mir wie beim Kampftraining ergangen. Attica hatte Recht gehabt. Hier lernte ich in einer Woche so viel, wie bei den Neyfrem in Monaten. Auch wenn ich keine scheinbaren Fortschritte beim Kämpfen gemacht hatte. Als das Training endlich fertig war, packte ich meine Sachen und machte mich auf dem Weg zu meinem Zimmer.

Da sah ich ihn. Er stand da und schaute mich unentwegt an, so als ob nichts geschehen wäre. Als ob er nicht einfach verschwunden wäre, nach dem ich von seinem Verrat erfahren und mich in ein dunklen Neyfrem verwandelt hatte. Zwei Monate war er einfach verschwunden. Mehyl hatte ihn angeblich einen Auftrag gegeben, hatte Attica mir nach Wochen erzählt. Dieser Verräter. Es würde noch sehen, was geschehen würde. Das einzige woran ich die letzten Monate denken konnte, war, wie ich ihn leiden lassen konnte. Ich war ihm dankbar, dass er dazu beigetragen hatte, meine schwache Seite zu zerstören, aber ich wollte ihn auch dafür leiden sehen. Wollte, dass er den Verrat und meine Wut und meinen Hass auf ihn zu spüren bekam. Erst gestern war mir der Perfekte Weg eingefallen, um ihn zu vernichten. Nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele. Mein Blick huschte zu dem Messer an meinem Gürtel, den mir Attica geschenkt hatte. Mit ihm würde ich erst seinen Körper töten und dann seine Seele rausreißen und ihr höllische Qualen zufügen. Aber erst würde er mir alles erzählen.

Er kam auf mich zu und blieb vor mir stehen. Meine Faust war so stark zusammengepresst, dass meine Fingernägel sich in meine Handfläche bohrten und Blut langsam raussickerte. Der Rest meines Körpers war starr, als ob er mir gleichgültig wäre. Meine Miene kalt und gefühlslos.

»Wie ich sehe hast du dich gut eingelebt.«, sagte er zur Begrüßung und lächelte mich an.

»Du auch wie ich sehe.«, erwiderte ich gleichgültig. Am liebsten hätte ich ihm dieses Lachen aus dem Gesicht geprügelt.

»Ich weiß nicht, was sie dir erzählt haben, aber ich würde gerne mit dir reden.«, bat er.

Ich hätte fast losgelacht. »Natürlich.«, sagte ich ernst.

»Wie wäre es in einer Stunde am Bach? Ich muss kurz Mehyl Bericht erstatten.«, erklärte er.

»Nein.«, erwiderte ich. »Wir treffen uns in der Halle beim Essen. Da kannst du mir alles Nötige erzählen.«

»Also gut.«, willigte er ein, aber schien etwas enttäuscht zu sein. Was hatte er erwartet? Dass ich mich freuen würde ihn zu sehen? Ich wandte mich ohne ein weiteres Wort um und ging zurück auf mein Zimmer, um vor dem Abendessen zu duschen und die verschwitzten Klamotten zu wechseln. 

Dark Neyfrem #2Where stories live. Discover now