Kapitel 19

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----- Isaac -----

"Von einer Skala von 1 bis 10", hechelte Cimt neben mir, als unsere schnellen Schritte durch die Gemäuer hallten. "Wie spät glaubst du sind wir?"

"Das kann wirklich nicht mehr mit Zahlen beschrieben werden, ich glaube sogar, dass sie bereits fertig sind!", antwortete ich ebenso hektisch.

"Du musst aber zugeben, dass die Knöpfe deines Kleides einem das Leben nicht gerade leicht machen. Ich habe mein ganzes Leben in Schmieden und Werkstätten verbracht, aber diese Knöpfe... Die haben ungelogen mein gesamtes handwerkliches Können abgefragt. Müssen wir nicht hier links entlang?"

"Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wir hätten die oberste Zofe nicht verpassen dürfen!"

"Wusstest du, dass der Knopf bereits im 12. Jahrhundert erfunden wurde? Der eigentliche Ziergegenstand ist jedoch bereits seit der Antike bekannt. Es gibt viele-"

"Cimt!", unterbrach ich sie, als den aufkeimenden Wissensvortrag spürte. "Wo müssen wir hin?"

Nur wenige Minuten zuvor schlenderten wir seelenruhig durch die Gänge des Palastes. Ohne ein Wort über den nackten Vorfall zu verlieren, leistete mir Cimt Gesellschaft und mich überkam das Gefühl, dass sie es gerne tat. Sie ließ mich nicht zu Wort kommen und überhäufte mich mit waghalsigen Geschichten aus ihrem Leben. Ich hatte in ihrer Anwesenheit nicht die Gelegenheit mir großartig Sorgen zu machen und auch das Schamgefühl nahm sie mir fast völlig. Doch dann viel uns die Verabredung zum Nachmittagskaffee ein und wir mussten uns nicht nur umkleiden, sondern wussten auch nicht, wo die Veranstaltung stattfinden sollte.

"Dem penetranten Parfumgeruch nach zu urteilen, dort vorn entlang!", erkannte sie.

Wir rannten mit erhobenen Röcken um die Ecke. Die dicken Steinmauern und der marmorne Boden endeten hier, der Gang führte in einen mit Glas überdachten Gartenbereich. Hinter der Glastür, die den Palast von dem Garten trennte, erstreckte sich ein schier undurchdringlicher Wald, wo man auch hinblickte wuchsen Pflanzen und Bäume, selbst über den Boden wucherten Flechten und Moose. Das dichte Grün wurde von vereinzelten Farbpunkten unterbrochen, dort wo die Gewächse prächtige Blüten austrieben. Haushohe Pflanzen, die sich in ihrer Exotik gegenseitig übertrafen, ragten bis an das gläserne Dach und ließen nur einzelne Strahlen der Nachmittagssonne herein. Das gedimmte Licht ließ den aufgewirbelten Staub wie leuchtenden Schnee durch den großen Raum tanzen.

Man konnte nur schwach ganz außergewöhnliche Töne aus dem Dickicht hören, leise und schrille Rufe, wie aus einer anderen Welt. Ich bildete mir ein, dass unter den grünen Schirmen auf den dicken Ästen kleine Kobolde saßen, die versuchten, das leise Geigenspiel zweier Musiker zu begleiten. Völlig von den Eindrücken überwältigt mischte sich eine gewisse Angst, aber auch aufgeregte Neugier in meinem Herzschlag. Es war, als würden wir in eine Märchenwelt eintauchen. Inmitten der mannsgroßen Blätter, die sich wie Schirme über andere Pflanzen legten, der Blüten, die an Schmetterlinge erinnerten und den hängenden Schlingen, die nur so dazu einluden, in die Baumkronen zu klettern, stand eine lange Tafel. Auf den weißen Stühlen an dem Tisch hatten sich bereits die anderen Teilnehmerinnen niedergelassen.

Cimt und ich hielten nach freien Stühlen Aussicht, und tatsächlich, an einem der Kopfenden standen genau zwei Stühle leer. Die anderen Mädchen unterhielten sich angeregt und niemand schien uns großertig Beachtung zu schenken. Ich nahm Cimt beim Arm, die bereits ihre Hand wieder in einen der Büsche versenkt hatte, und zog sie geduckt zur Tafel. Ohne nach links und rechts zu schauen, um möglichst keine Aufmerksamkeit zu erwecken, huschten wir auf die Stühle.

"Margaret!", ertönte eine Stimme leise neben mir. Ich, da weder der mir verliehene Name bei meiner Geburt noch mein Scheinname Margaret lauteten, fühlte mich keineswegs angesprochen.

The prince or the kingdom Where stories live. Discover now