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Ich sitz im Flixbus und in der RB und in der Tram, und die schieben sich über Gleise und ich schieb Filme. Ich hab mein Handy aus, ghoste meine Freunde, schreib A. nicht an und gebe meiner Mom kein Lebenszeichen, doch eigentlich fühlt sich das sehr ehrlich an, und ich bin sehr glücklich, das werde ich ihnen später umso echter erzählen. Vielleicht sind Leute, die einen oft am Handy ignorieren, ja immer in so einer Laune. Ich würde es ihnen nicht mehr verdenken. Ich sitz im Flixbsu und in der RB und in der Tram und schau aus den Fenstern, zwischen Buchseiten, lesend oder schreibend.


### *Schreibmaschinen Glockenschlag beim Erreichen des Seitenrandes*


Eine Person trug einen neongelben Rock aus dem Stoff einer Warnweste.


### *Pling!*


Ich stand oben auf dem Raucherbalkon, einer kleinen künstlichen Terrasse die einem das Gefühl hab, eine echte Hochebene zu betreten und in der Natur zu sein anstatt nur auf der Erweiterung eines Messegebäudes. Ich ließ mir den Rauch einer pausierenden Person ins Gesicht wehen und lehnte mich auf die Brüstung. Plötzlich sah ich unten A. entlang laufen. Erst traute ich mich nicht, doch an meiner Angst vorbei rief meine Freude plötzlich nach ihm, was mich überraschte. Doch er reagierte nicht, er lief weiter da unten, er trug Kopfhörer. Es war so absurd, er war ja gar nicht weit weg, 20 Meter vielleicht, gleich 25, ich konnte ihn genau sehen. Ich stellte mir vor, wie ich von da oben herunter rufen würde, den ihn umfließenden Menschenstrom um Hilfe bitten würde "Hey! Ihr da unten! Mann mit der roten Jacke! Ja, du! Kannst du den Junge da mit den Kopfhörern aufhalten?". Ich spürte die Magie des Mutes und der Gemeinschaft, das was man manchmal schneller erreichen konnte als man dachte, wie auf einer Demo einen Sprechchor anfangen und auf einmal die Stimme von tausend Menschen haben. Ich sah Köpfe sich zu mir hochwenden und die Verwirrung der Freude weichen, wenn sie A. endlich angetippt hätten, er stehenbleiben und die Kopfhörer abnehmen und wir uns freuen und einen Treffpunkt ausmachen würden. Doch all das passierte nicht. Ich stand oben auf dieser Brüstung, den ganzen Tag schon zu alleine zwischen den siebzehntausend Menschen gewesen und mittlerweile zu gelähmt und gedankenverlangsamt, um solche Pippi-Langstrumpf-Dinge ... einfach zu machen. Ich stand da oben und hatte nichts getan und A. lief weg, immer weiter, ich stand nur da und hing der Idee hinterher. Blöde Kopfhörer.


(Nichts davon war Wirklichkeit, außer die ersten beiden Sätze.)


### *P!*


Ich sitze alleine bei der Antifa-Karaoke und während 2 Personen die Internationale singen, denke ich:

"EIN CYBÄR IN DER CYPHER TRINKT CIDER UND RAPPT

AUF DEN BEAT VON CYANCAT"

Meine Überlegungen sind gar nicht so abwegig, kurze Zeit später wünscht sich jemand die Super-Mario-Melodie und singt sie mit, mit den Worten: "Düp düp düp - düdüdüdüp düdüDüp düDüdüp" und so weiter. Er macht das gut.

Ich schreibe eine kleine Liste:

DIE RANDOMSTEN DINGE, DIE DAS LEBEN AM SCHÖNSTEN MACHEN:

KARAOKE

SAUNA

KÜFA

FUWO

(FORTSETZUNG FOLGT)


### *!*


Ich löte eine Tattoonadel und überlege: ich glaube das ist das edgyste und nerdigste, was ich je getan habe. Man lötet dabei 3, 5 oder 7 einzelne Nadeln zu einem Nadelballen zusammen und diesen dann an eine Metallstange, die man als Stick-n-poke oder zum Einspannen in eine Maschine nutzen kann. Um die Nadeln zusammenzufädeln muss man sie in ein winziges Loch in einer sehr festen Metallplatte - zum Beispiel einem Teil einer echten alten Rolex - stecken. Ich will mir nicht ausmalen, wie teuer diese Platte ist, die ich hier gerade in der Hand halte und etwas sehr Absurdes tue: Nadeln einfädeln, anstatt etwas durch Nadeln zu fädeln. Alles hieran begeistert mich gerade, vom chemischen Gestank der Lötflüssigkeit bis zum Ablöschen des geschmolzenen Metalls mit einem Tropfen Wasser von meinem Finger. Das Glühen des Lötkolbens, der geschmolzene Zinn an dessen Spitze, meine ruhige Atmung, der Tropfen von meinem Finger, ich fühle mich, als könnte ich alle vier Elemente bändigen, ich fühle, wie - so simpel das jetzt klingt, aber - wie wichtig es ist: zu basteln. Einfach basteln. Ich blicke auf den "LED Schilder for Sale" Tisch neben mir, und denke für eine visionäre Sekunde: Ich schmeiß meinen Mac und alles aus dem Fenster. Ich miete mich in ein Atelier oder gestalte mein Zimmer um, und dann mache ich nur noch sowas. Handwerkliches. Den ganzen Tag. Und andere coole offline Sachen. Und gebe Workshops, ch will, dass andere das auch fühlen. Es fühlt sich sogar ein bisschen sinnlos an, das aufzuschreiben gerade, weil man es einfach selbst in den Händen halten muss, um es zu verstehen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 18 ⏰

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