Kapitel 46

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PoV Stegi

Zwei Wochen waren vergangen, seitdem ich erfahren hatte, was wirklich an dem Tag passiert war, an dem Marcel und Tim aufeinander getroffen waren.

Aber zwei Wochen waren eine lange Zeit und ich war mir sicher, dass ich noch nie so viel über Tim und sein Verhalten nachgedacht hatte, wie in eben diesen zwei Wochen.

Schnell war mir klar geworden, dass ich noch längst nicht alles wusste. Klar, anscheinend hatte Tim Marcel eine aufs Maul gegeben.

So weit, so gut. Blieb nur die Frage offen, wieso er das getan hatte.

Tim hatte gemeint, dass der Grund gewesen war, dass Marcel ein „Arschloch" sei.

„In Anbetracht der Tatsache, dass Marcel eigentlich genau das getan hat, was Tim nunmal tut, ergibt das keinen Sinn", stellte ich stirnrunzelnd fest. Palle zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß, Stegi. Das ist jetzt das vierte Mal heute, dass du das sagst." Ich ignorierte seine Aussage und fuhr fort. „Also guck. Theoretisch könnte es ja eigentlich doch Sinn ergeben, dass Tim ihn geschlagen hat, aber das führt dann zu der Frage..." „...wieso er es nicht schon getan hat, während du dabei warst. Ich weiß. Und jetzt stellst du dir die Frage, was Rafael damit meinte, dass Tim gesagt hat ‚Und das ist für St...'" „Ja, aber...", unterbrach ich ihn, doch Palle redete einfach weiter. „Das wiederum führt zu der völlig logischen Annahme, dass Tim vielleicht doch nicht so ein Arschloch ist, wie er vorgibt zu sein, aber nein, das kannst du ja am wenigsten glauben, also ignorieren wir doch das absolut Offensichtliche und stellen uns weiterhin Fragen, bei denen wir die Antwort eigentlich schon kennen", beendete Palle seine Rede, in der er zugegebenermaßen genau das zusammengefasst hatte, wovon ich die letzten zwei Wochen ununterbrochen gesprochen hatte.

Verlegen kratzte ich mich am Kopf. „Glaubst... glaubst du wirklich... Tim hat das für mich getan?" Palle überlegte kurz. „Möglich wäre es", meinte er dann. „Aber du hast mich mit deinen ganzen Theorien so sehr verwirrt, dass ich schon längst nicht mehr weiß, was ich glauben soll und was nicht."

Ich seufzte. „Ich weiß es ja selber nicht."

Die folgende Woche trug nicht grade dazu bei, Klarheit in die Sache zu bringen.

Einmal, als ich Tim auf dem Flur gesehen hatte, hatte ich ihn fast drauf angesprochen. Aber dann waren Rafael und Tobias um die Ecke gekommen, weshalb ich es dann doch gelassen hatte. Ich hatte ihnen nur seufzend hinterhergeschaut.

Man hätte meinen können die drei hätten noch Streit, immerhin hatte Tim fast Rafael geschlagen. Aber schon wenige Tage nachdem dies passierte, hatten sie sich anscheinend wieder vertragen. Zugegeben, auf eine ziemlich merkwürdige Weise. Denn in einer Pause, in der ich grade auf Palle gewartet hatte, war plötzlich Rafael neben mir erschienen, hatte mich kurzerhand am Arm gepackt und hinter sich hergezogen. Etwas unbeholfen und verwirrt war ich ihm hinterher gestolpert, bis wir vor Tim und Tobias zum stehen kamen.

„So, Tim", hatte Rafael gemeint ohne mich loszulassen. „Wenn Tobi und ich mit unseren Vermutungen Unrecht hatten, dann hier, beweis es." Mit diesen Worten hatte er auf mich gedeutet, und ich hatte gewusst, dass ich nun vermutlich wieder Schläge kassieren musste. Immerhin war es die Chance für Tim gewesen, um... was auch immer zu erreichen.

Aber Tim hatte den Kopf geschüttelt. Er hatte mich angesehen, und einfach nur seinen verdammten Kopf geschüttelt. Keine Schläge, nichtmals eine Beleidigung. Gar nichts.

Das war der Moment gewesen, in dem Rafael meinen Arm losgelassen hatte und zufrieden gegrinst hatte. Tobias hatte Tim auf die Schulter geklopft und ein leises „na geht doch" gemurmelt.

Und dann waren sie gegangen. Hatten mich einfach stehen gelassen, ohne mir auch nur ansatzweise irgendwas zu erklären. Ich wusste weder, von was für Vermutungen Rafael gesprochen hatte, noch wieso Tim seine Chance für was-auch-immer nicht genutzt hatte.

Liebe oder Macht? ~ Stexpert FFWhere stories live. Discover now