"Willst du mich verarschen?", fahre ich sie an. "Nein und jetzt raus mit dir." Sie schiebt mich zur Tür, während ich mich wehre. "Du willst mich ernsthaft aus der Wohnung rausschmeißen, in der ich lebe?" "Jap. Hier ist dein Handy. Viel Spaß und komm nicht zu spät." Nun knallt sie mir die Tür vor der Nase zu. Sie hat mich kackendreist rausgeschmissen. "Ranja!" Ich klopfe an der Tür und höre Gekicher. "Ich werde nicht gehen und jetzt mach dir Tür auf!" Da sie mich ignoriert, seufze ich. "Kannst du mir wenigstens Schuhe geben? Ich will meine Socken nicht dreckig machen." Ich halte mein Ohr an die Tür und höre, wie sie läuft. Nach gefühlten zehn Sekunden öffnet sich dann die Tür. Ranja drückt mir meine Jordans in die Hand und schließt die Tür. Was für eine tolle Freundin! Ich schüttle belustigt den Kopf, ziehe meine Schuhe an und laufe zum Kulturzentrum. Hätte ich meine Ohrhörer dabei, wäre es angenehmer, auch, wenn das Kulturzentrum nicht einmal zehn Minuten von mir entfernt ist. Das einzig Gute ist, dass die Sonne auf mich herab scheint. Mein Herz schlägt schon etwas schneller. Was will er bloß von mir? Wehe er spielt irgendeine Scheiße ab! Ich stehe an der Ampel, die mich von Can und dem Kulturzentrum trennt und sehe an der farbenwechselnden, komisch geformten Konstruktion Can stehen. Hoffentlich sieht uns keiner. Er sieht entspannt aus, trotzdem erscheint er mir suspekt. Als er mich nun auch wahrnimmt, stützt er sich von dem Gerüst - oder was das auch immer sein soll - ab und kommt mir entgegen. "Was willst du?", frage ich mit verschränkten Armen. "Reden." Er schaut mich spitzbübisch an. "Solltest du nicht feiern?" "Wollte ich doch. Habe ich sogar zum Teil, doch du hast mich genervt." Er schürzt die Lippen. "Bist du betrunken?" Er schüttelt den Kopf. "Nein, habe nur etwas getrunken." Das etwas betont er besonders stark. Er ist betrunken. Die Sache mit Ramazan schwirrt mir wieder im Kopf herum. "Komm." Can hält mir die Hand hin, doch ich schüttele nur etwas verängstigt den Kopf. "Ich tue dir nichts. Ich bin nicht Cihan", zischt er. Selbst im betrunkenen Zustand wechseln sich seine Stimmungen. "Ich will nur reden." Er zieht mich zur Konstruktion und stellt sich mit mir genau darunter, sodass das farbenwechselnde Licht auf unsere Haut scheint. "Lass uns reden", grinst er. Ihn Lächeln zu sehen, ist neu - eine Rarität. "Can, wenn das wieder eine scheiß Wette ist, dann-," "Es ist keine Wette", beteuert er. Ich glaube ihm - was aber nicht so sein sollte. "Du hast schöne Locken." Er nimmt eine Locke in die Hand und inspiziert sie, als wäre er ein Wissenschaftler und meine Locke ein Wunder der Natur. "Ähm, ja. Danke." Immer noch misstrauisch, entferne ich meine Locke aus seiner Hand. "Eigentlich hätte ich jetzt ein Weib geballert. Sie hatte auch Locken. Aber irgendwie sind ihre nicht so schön, wie deine." Ich verziehe etwas das Gesicht, nicht weil es mich anekelt, dass er es mir erzählt, sondern aus Verwirrung. Wieso erzählt er mir sowas? Sonst hat er nie so gesprochen. "Dann geh doch zurück in deinen Puff." Er fängt an zu lachen. Er hat eine schöne Lache. "Ich wusste, dass du das sagst. Ich hab an dich gedacht!" Er zeigt mit einem Finger auf seinen Kopf. Der Alkohol macht ihn tausendmal lockerer. Manchmal erkenne ich ihn gar nicht wieder. "Du hast mit dem Mädchen nicht geschlafen, weil ihre Locken nicht so schön waren?" Er schüttelt den Kopf. "Ich musste an dich denken." Er kommt etwas auf mich zu, während ich nach hinten laufe. "Wieso hast du mir nicht gratuliert?" Er hat doch daran gedacht. "Ich habe dir doch auch gratuliert. Das hätte mich echt gefreut", murmelt er. Okay, war jetzt irgendwie süß. "Ich-, ich-, also-," Ich weiß nicht wirklich, was ich sagen soll. "Dachtest du, dass ich deine Nachricht ignorieren würde?" Er hat es auf den Punkt gebracht. Ich nicke stumm und schürze leicht meine Lippen. "Du denkst viel zu negativ", stellt er fest. Ich bin eine gebürtige Pessimistin. "Als Entschädigung, dass ich dieses Weib nicht ficken konnte, tanzt du mit mir." Ich schaue ihn entgeistert an. Hat er gerade etwa gelallt? Okay, er hat definitiv zu viel getrunken, sonst wäre er nie im Leben so. "Mein Geburtstags-Tanz. Jetzt komm!" Er zieht mich ohne Vorwarnung zu sich, hält mit einer Hand meine Taille fest und mit der anderen Hand umklammert er meine rechte Hand. Ich seufze und lege meine linke Hand auf seine breite Schulter. "Ich kann solche Tänze nicht", sage ich beschämt und befinde mich im nächsten Moment in einer Drehung. "Kannst du keinen Walzer?" Er zieht streng die Augenbrauen zusammen und fängt an zu führen. "Can, doch nicht hier! Uns kann jeder sehen", flüstere ich etwas hysterisch. "Uns wird niemand sehen. Es ist ein warmer Samstag. Alle Leute sind weg und die Busse kommen jede halbe Stunde", entkräftet er meine Aussage grinsend. "Haben wir nicht genug getanzt?", frage ich belustigt. "Noch fünf Minuten", murmelt er und hebt mich plötzlich hoch. "Can!", kreische ich und halte mich fest, als er beginnt sich zu drehen. Lachend setzt er mich ab. Da seine Lache so schön ist, kann ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. "Sei ehrlich, es hat dir Spaß gemacht." Er schaut mich mit seinen leuchtenden Augen an. "Wenn du betrunken bist, bist du viel lockerer", informiere ich ihn und laufe zu den Treppen.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt