Kapitel 20: "Fort von allen Auswegen."

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Ich konnte sehen, wie er die Zähne aufeinanderbiss und schließlich den Blick abwendete. Ich wollte etwas sagen, irgendetwas. Wendete aber schließlich in stummem Schweigen ebenfalls den Blick ab, unfähig ihn weiter anzusehen.
"Mal sehen, wem von den drei Schweinen ich zuerst den Kopf abreiße.", gab er nach einigen Minuten mit einem Knurren von sich und nahm wieder die Gestalt des schwarzen Löwen an.
"Sie werden dich doch sicherlich nur gegen einen kämpfen lassen.", gab ich kleinlaut zurück. Meine Hände wurden schwitzig bei der Vorstellung, er müsse gegen die drei Kerle gleichzeitig antreten. Dazu ließ ein heiseres Lachen seinerseits mein Herz noch weiter hinabrutschen.
"Du arbeitest sicherlich schon eine Weile hier bei den Kämpfen mit und glaubst so etwas trotzdem noch?" Mit gesenktem Kinn schüttelte er vor Unglauben schwach den Kopf. "Dann bist du wohl zu naiv um zu erkennen, zu welchen Grausamkeiten sie fähig sind."
Ich öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch das Rattern des Gitters, welches langsam hinaufgezogen wurde verschluckte den kläglichen Versuch sofort und ich erblickte die drei oberkörperfreien Männer mit ihren Waffen in der Mitte des Kampfplatzes stehen. Ihre widerlichen Grimassen ließen mich frösteln und meine plötzliche Sorge um Daryan wuchs, der den Kopf zu mir wand und mit einem schwachen Grinsen flüsterte, dass ich ihm Glück wünschen solle. Doch bevor ich das konnte, rannte er mit anmutigen Schritten aus dem Käfig hinaus und hielt in einiger Entfernung zu den Männern wieder an. Bald schon gesellte sich ein anderer Löwe an Daryans Seite und ich fragte mich sogleich ob sie Verbündete sein durften oder jeder von ihnen gegen Mann und Gleichartigen zur selben Zeit kämpfen musste. Das Dröhnen des Startsignals riss mich aus meinen Gedanken und ich sah einen weiteren Löwen auf den Platz rennen, doch bemerkte zu spät, dass sich das Gitter, hinter dem ich mich befinden sollte, nicht schloss und ich ungeschützt in dieser Zelle stand, als das goldene Ungetüm einen Bogen um die Männer machte und auf mich zugestürmt kam. Ich wollte wegrennen, als mich jedoch die Panik ergriff und an Ort und Stelle band. Dachte daran wie ich die Tür hinter mir öffnen und hinausschlüpfen könnte, noch bevor mich der Löwe erreichen würde. Doch während meine Gedanken sich diese Möglichkeiten weiter ausmalten, wurde die Distanz zwischen dem Tier und mir immer geringer und meine Panik zog mich hinab. Weiter und weiter. Fort von allen Auswegen. Und ich schrie.

Mit einem gehetzten Aufatmen kam ich wieder zu mir und riss voller Entsetzen die Augen auf. Jemand war über mir. Schwarze Haare, weiche Hände an meinen Wangen. Eine raue Stimme, die mich immer wieder ermahnte ruhig zu bleiben. Meine Sicht war verschwommen, doch ich erkannte sofort, in wessen Armen ich mich befand und streckte haltsuchend die Hände nach Daryan aus, der sie ergriff und festhielt.
"Du bist in Sicherheit Pharanee. Bleib einfach ruhig." Das Flüstern drang tief zu mir durch und die Besorgnis in seiner Stimme ließ meinen Lippen ein Schluchzen entweichen.
"Ist schon gut." Die Hände strichen über meine Haut und ließen meinen Atem schwach zittern. Als sich meine Sicht klärte sah ich in tiefe grüne Augen, die mich mit vor Sorge zusammengezogenen Brauen betrachteten und der pochende Schmerz in meinem Arm kehrte langsam, genauso wie die Erinnerungen in mein Gedächtnis zurück. Das Brüllen des goldenen Löwens gemeinsam mit meinem Schrei, als er zu mir in die Zelle gestürmt ist und mich mit einem Hieb seiner kräftigen Pranke aus dieser hinausgeschleudert hat, als wäre ich bloß ein loser Haufen Sand.
"Daryan..." Meine Stimme war nur ein leises Wispern, doch er schien es gehört zu haben und zog mich näher an sich, sodass mein Gesicht an seiner Schulter versteckt war. Der Löwe hatte versucht mich zu töten, als er über mir stand, so majestätisch, wie es nur Könige konnten. Und als ich am Boden lag, galt mein letzter Blick dem schwarzen König, der kämpfte wie ich es noch nie gesehen hatte, bevor er durch das Leichenfeld seiner Gegener zu mir stürmte.
"...du hast mir das Leben gerettet." Mein Schluchzen schwoll an und ich schlang die Arme um seinen Nacken, um Halt zu finden, obwohl das den Schmerz in meinem aufgerissenen Oberarm verschlimmerte, sodass ich erstmals das Ausmaß meines geschundenen Körpers spüren konnte. Jedoch ließ ich es zu, als sein Griff um mich stärker wurde und ich mich sicher beschützt in seinen Armen und auf die Art wie wir beisammen auf dem Boden saßen fühlte. Keiner sagte etwas und es reichte seine Nähe um mein Schluchzen zu beruhigen, sodass ich ihm ein "Danke" zuflüstern konnte.
Er drückte mich noch einmal fest, bevor er mich leicht von sich schob und ich den Grund sehen konnte, weshalb er mich losgelassen hatte. Vater kam mit aufgebrachten Schritten auf uns zugerannt und seine grauen Haare standen wirr von seinem Kopf ab, als er sich neben uns auf dem Boden des Vorbereitungsraumes niederließ.
"Tochter, was ist nur passiert?" Er streckte seine Hand nach mir aus und strich mir mit ihr über die Haare. Ich sah ihn einige Momente nur an, bevor ich antwortete.
"Das Gitter des Käfigs hat sich nicht geschlossen nachdem Daryan draußen war." Ich fragte mich wie das hatte passieren können, fand jedoch keine Antwort. "Und einer der Löwen hat mich angegriffen." Ich tauschte einen bedeutungsschweren Blick mit Daryan aus und wusste, dass auch er nicht an den Zufall glaubte, denn die Löwen und Gestaltwandler waren darauf trainiert in der Arena zu kämpfen und nicht die Menschen außerhalb des Kampfplatzes anzugreifen.
"Bei den Göttern! Ein Glück, dass es dir gut geht!", rief mein Vater aus und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, sodass sie noch mehr von seinem Kopf abstanden. Ich sah ihn mit einem heiseren Lachen an und richtete mich ganz auf, sodass ich weiter von Daryan wegrutschen konnte, der still schweigend und mit gesenktem Kopf auf dem Boden saß. Mir fiel auf, dass er sich nur mit einem Laken bedeckt hielt und musste schlucken bei der Vorstellung, dass mein Vater uns beobachtet haben könnte und womöglich gesehen hat, wie nah wir uns waren und wie eng er mich gehalten hat um mich zu beruhigen. Plötzlich wurde mir ganz mulmig und ich vergrub mein Gesicht hinter meinen Händen, bevor ich diese auf den Boden stützte um aufzustehen. Doch meine Beine hielten mich nicht und ich fiel nach vorne auf die Knie, als sich ein schwarzer Schleier vor meine Sicht legte. Sofort spürte ich meinen Vater und Daryan an meiner Seite, doch ich senkte nur den Kopf und blinzelte meine Sicht frei.
"Ich möchte nach Hause.", gab ich mit einem Flüstern zu und hob unsicher wieder den Kopf, um zu sehen wie Daryan sich erhob und den Blick auf meinen Vater richtete.
"Ich trage sie zurück. Sie ist zu schwach um zu laufen."
"Wieso sollte ich jemandem wie dir meine Tochter anvertrauen?", erwiderte Vater missmutig und hob herausfordernd die Augenbrauen.
"Weil ich ihr garantiert nichts antun werde, nachdem ich sie gerettet habe." Ein leises Knurren war zu hören, oder war es nur ein verstimmtes Brummen?
"Na gut. Trag Pharanee zurück. Aber ich lege dir die Ketten an und begleite euch."
Ohne weiter auf meinen Vater zu achten kniete sich Daryan zu mir und nahm mich behutsam an meinem unversehrten Arm.
"Du setzt dich auf meinen Rücken. Dein Vater und ich bringen dich nach Hause." Er schenkte mir ein zartes Lächeln, bevor sich daraus ein schwarzes Maul formte und er sich in seiner Löwengestalt vor mich hin legte. Ohne zu zögern vergrub ich meine Hände in seinem Nackenfell und zog mich auf seinen Rücken, sodass ich nun rittlings auf diesem saß und er sich langsam wieder erheben konnte. Mein Vater legte ihm genau wie den Maulkorb sofort die Lederriemen und Ketten an und nahm ihn wie einen Köter an die Leine - die lederne Peitsche in der Hand dabei eng umklammert.

Der Schwarze KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt