Kapitel 3: "Diese Augen..."

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Nach einem langen Weg zu Fuß durch die Stadt, in der die heiße Luft einem den Schweiß den Rücken hinab trieb, blieben wir vor einem großen Haus stehen. Der kleine Baum neben dem Eingang mit den wenigen trockenen Blättern daran konnte nur dürftig Schatten spenden, weshalb wir erst erleichtert ausatmen konnten als wir die Eingangshalle des Anwesens betraten. Eigentlich war hier alles nur Schein, weshalb nur wenige Leute wussten, dass im Innenhof des Hauses reger Handel lief. Allerdings nicht um Nahrungsmittel und andere Handelsgüter, sondern um Tiere und Menschen. Oder in unserem Fall beides in einem. Ich war gespannt diesem Wesen zu begegnen, weshalb mir das Herz auch vor Aufregung wild gegen die Rippen schlug, als wir durch den langen Gang wieder ins Freie des Innenhofes gelangten. Die Sonne brannte auf meiner Haut und blendete meine Augen. Allen anderen ging es jedoch nicht besser. Vorallem den blassen Sklaven aus Übersee nicht. Mein Vater zog mich durch die Menschenmasse hin zu dem Gebrüll von Löwen, welches durch seinen rauen Klang eine Gänsehaut bei mir auslöste. Ein klein gewachsener Mann mit Glatze wartete bereits auf uns neben einem von vielen großen, mit einem Tuch abgedeckten Käfigen und winkte uns eilig zu sich. Anscheinend kannten er und mein Vater sich besser, denn dieser winkte zurück und begrüßte den Mann überschwänglich. Mein Vater schien heute wirklich glücklich zu sein. "Guten Tag Madox, darf ich Euch meine Tochter Pharanee vorstellen?"
"Sehr erfreut." Der glatzköpfige Mann mit dem Namen Madox schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln, weshalb ich eine kurze Verbeugung ihm gegenüber andeutete. "Ebenfalls." Ich versuchte Madox noch länger ins Gesicht zu schauen, doch meine Neugierde war zu groß und mein Blick begann wie von selbst zu dem Käfig zu wandern, aus dem schweres Schnaufen drang. Ich wollte ihn unbedingt sehen und als es endlich soweit war und der Mann das Tuch von dem Käfig zog, war ich wie gefesselt. Diese Augen... Sie ließen mich nicht mehr los und hielten mich in ihrem Bann. Ich ging wie von selbst einen Schritt auf den Käfig zu und umfasste mit meinen Händen die Gitterstäbe. Doch das laute Brüllen des schwarzen Löwen und mein Vater rissen mich aus meiner Starre. Was war nur los gewesen? Verwirrt blinzelnd fand ich mich einige Schritte des Käfigs entfernt in den Armen meines Vaters wieder. "Ist alles in Ordnung Pharanee?" Er klang besorgt. Was um aller Götter Namen hat mich dazu getrieben so nah an dieses Wesen heranzugehen? Es ist gefährlich und hätte mich töten können. Aber dieser intelligente Blick und diese tiefgründigen grünen Augen... Sie lassen mich die Gefahr und das Risiko ganz vergessen.
"Pharanee?", hörte ich die fordernde Stimme meines Vaters plötzlich, weshalb ich den Blick von dem Löwen abwendete um ihn anzusehen. "Ja, ja. Es ist alles in Ordnung." Ein erneutes Brüllen ertönte und ließ mich zusammenfahren. Fünf Männer machten sich an dem Käfig zu schaffen, warfen das Tuch über diesen und vier von ihnen hoben ihn gemeinsam an Holzstäben an den Seiten an. Ich fragte mich, wie sie es schafften das schwere Raubtier hochzustemmen, doch ihre muskelbepackten Körper zeugten davon, dass sie dies wohl öfters taten. Mein Blick wanderte wieder zu dem Mann, dem gerade ein lederner Beutel mit klirrenden Münzen darin von meinem Vater überreicht wurde. Sie schüttelten sich kurz gegenseitig die Hände, bevor mein Vater und ich den Weg hinter den Trägern des Käfigs fortsetzten.
"Ist er nicht prächtig meine Kleine?" Mein Vater klang hellauf begeistert. Wahrscheinlich konnte ich nur erahnen wie viel Geld uns dieser Hautwechsler einbringen würde. "Ja das ist er wohl.", war meine dürftige Antwort. Mehr brachte ich nicht zu Stande, denn ich war zu sehr beschäftigt damit, mir auszumalen wie dieses Tier wohl als Mensch aussehen würde. Vielleicht war dieser Löwe ein muskulös gebauter Mann mit schwarzem Haar und diesen unglaublich grünen Augen, die er auch als Tier besaß. Diesem wilden und trotzdem intelligentem Blick. Und dieser Eleganz und Anmut. Ich hatte noch nie einen Löwen mit solch einer stolzen Aura gesehen. Wahrscheinlich lag das aber an seinem menschlichen Teil, der ihn zu diesem Zwischenwesen machte.

Nach einem gleichermaßen langen Fußmarsch durch die Stadt und deren verwinkelte Gassen zurück erreichten wir die Halle unserer Löwen. Sie war unser gesamtes Hab und Gut und die Löwen darin meine Familie. Die Wärter stellten den Käfig auf dem Boden ab, nur um den schwarzen Löwen in eine neue Zelle zu führen, die zwar größer, aber deshalb nicht weniger ungemütlich war. Der Große fauchte, wobei sich sein dichtes Fell ein wenig sträubte. Ich konnte mit ihm mitfühlen, denn kein Tier wollte von der einen in die nächste Zelle geführt werden. Ständig der Freiheit beraubt und auf ein Leben ausgerichtet, das man wohl keinem wünschen würde. Er würde wohl auch bald in der Arena kämpfen müssen, doch für heute durfte er ruhen, denn Vater zog sich mit den anderen Männern zurück und ließ mich mit dem Hautwechsler zurück. Ich konnte meine Neugierde nicht verbergen und kam näher, woraufhin mich diese so intensiv grün schimmernden Augen fixierten. Ich konnte nicht sagen woran es lag, doch dieser Löwe war schöner als alle anderen, die ich bisher gesehen habe. So voller Glanz. Ich biss mir auf die Lippe und konnte mich schließlich nicht mehr zurückhalten. "Hallo?"

Der Schwarze KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt