Herbstlieder sind Grabreden

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(kein Gedicht)

Alles war vertrocknet und die Bäume ließen milde, schwere Blätter hängen. Es wurde Herbst, man hörte es an der Stille Rauschen, jedes Blatt knistert ein Geräusch.
Wir tollten uns raus und sahen letzte gelbe Blumen, die in aller letzter Müh traurig zwischen den Gräsern trieben. Es fühlte sich an, wie ein weinender Sommer und die Hitze brachte uns schier ums Vergnügen.
Doch wir machten Rebell im lauten Unterholz, lachten unsere Herzen wund, unsere Stiefel knirschten, sammelten trockene Nüsse und Tannenzapfen und rupften an wehenden Blumen. Die Sonne, sie wirkte so müde, schien uns ins Gesicht, als wir unter einem braungelben Baum saßen, nicht mal der Wind vertrieb die Blättertodeshitze, als wir uns kurz küssten und lächelten. Als wir innig küssend dachten, im Herbst zu tollen ist wie auf einem Friedhof zu tollen, nie stirbt ein ganzer Wald so qualvoll, wie im Herbst.

Aber die ganze Welt ist ein Friedhof und wir lächelten uns ja trotzdem zu, obwohl wir wussten, dass wir alle eine letzte Seite in unseren Büchern haben.
Mit den leichten Küssen im Kopf, meine Hand in deiner, knirschten wir über den Kies zurück. Zwar war die Sonne um diesen Tag gestorben, aber ich fühlte den Sonnenbrand auf den Wangen und würde auch dieser Herbst, dieser Wald vergehen, hatten wir noch unsere Tannenzapfen in der Jackentasche.

Immer wieder Regenfenster - und andere Gedichte (2015)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt