Sanfte Gitarrenklänge dröhnten aus den Lautsprechern. Ich runzelte leicht die Stirn. Eine Ballade, na toll! Vielleicht sollte ich erwähnen, dass Balladen ungefähr das Ödeste waren, was ich kannte. Nein, dieses Rumgesülze ging mir im Radio schon immer auf den Wecker. In Gedanken wollte ich schon weiterschimpfen, als Harrys Stimme erklang. Ab diesem Zeitpunkt saß ich da wie ein hynotisiertes Kaninchen, unfähig, auch nur den Stift in die Hand zu nehmen. Egal, wie lächerlich ich mich mit diesem Gedanken machte, ich musste einfach zugeben: Ich war überwältigt. Beim Refrain hörte ich die Harmonien heraus und spürte, wie sich Gänsehaut auf Armen und Beinen bildete. Ja, es war eine Ballade, aber sie war einfach.... wunderschön! Liam war dabei, die nächste Strophe zu singen und ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihm reißen. Diese außergewöhnliche Ähnlichkeit mit Kevin hatte mich bis jetzt immer ein wenig verstört und ja, ich sollte wirklich damit aufhören, aber das war nicht so einfach! Nur jetzt, wo Liam sang, erkannte ich durchaus markante Unterschiede. Alle fünf sangen mit einer Inbrunst und Gefühl, die mich erschaudern ließ. Liam schloss beim Singen die Augen und schien in eine andere Welt einzutauchen. In jede Zeile, die er sang, steckte er viel Gefühl und Wahrhaftigkeit hinein. Fast, als wäre der Satz She told me in the morning, she doesn´t feel the same about us in her bones Realität. Sobald Harrys Schlusspart verklungen war, fing ich begeistert an zu klatschen. Jerry warf mir genervte Blicke zu, aber die Popband hinter ihm grinste mich verlegen an. Respekt, so klang wirklich keine Boyband! Meine Cousine, so erzählte mir es meine Mutter immer, hatte früher total für die Backstreet Boys geschwärmt. Ich hatte meiner Mutter jedes Mal, wenn sie mir das erzählt hatte, klar gemacht, dass ich nicht so einen Einheitsbrei hören würde. Vor allem dieses affige Hemdenplatzen und Oberkörperpräsentieren in den Musikvideos hatte mich einfach nur entsetzt. Schlicht, ich hielt nicht viel von Girl- und Boybands. Aber diese Truppe vor mir hätte ich allein ihres Charakters wegen gern haben müssen. Ja, ich kannte die fünf noch nicht lang, aber ich mochte sie. Wirklich. Und erstaunlicherweise gefiel mir auch ihre Musik.

Entweder hatte Jerry wesentlich bessere Ohren als ich, oder schlicht immer einen Grund zu meckern, aber die Jungs mussten das Lied noch ganze fünfmal durchgehen. Mir gefiels, aber würde es nicht einem von ihnen irgendwann mal zum Hals  raushängen? Jerry gönnte ihnen keine Pause und ich warf nach einer Weile einen Blick auf die Uhr an der Wand über der Tür. Schon später Nachmittag, wow. So schnell war der Tag vorbei. Nach einer weiteren Stunde entließ Jerry uns endlich. Ja, ich zählte mich dazu. Ich hatte mich in den fünf Stunden, die wir nun schon hier waren, nicht mal aufs Klo getraut, aus Angst, irgendetwas wichtiges zu verpassen. Sie schafften nur noch einen anderen Song, Best song ever und ich erwischte mich entsetzt dabei, wie ich im Rhythmus mit den Füßen wippte. Im Gang schnappte ich verzweifelt nach Frischluft. Louis beobachtete mich lachend, aber Niall schien es nicht anders zu gehen. Er keuchte etwas von " Mir ist verdammt heiß". Harry und Zayn fuhren sich prüfend durch die Haare, ob alles noch sitzt. Liam sagte und tat gar nichts, außer vor uns anderen den Gang zurück Richtung Auto zu marschieren. "Hab ich irgendetwas verpasst?", flüsterte ich Zayn verwirrt zu. "Nein nein...", flüsterte er zurück. Hoffentlich hörte uns Liam nicht, er befand sich ja nur ein paar Meter vor uns. " Er ist nur so wegen Danielle."

"Wegen der Trennung?" "Ja, sie haben sich ja vor einem Monat getrennt. Die erste Woche war die reinste Folter, ich sags dir! Er hat sich zuerst mal in seinem Zimmer verbarrikadiert, aber seit zwei Wochen geht's eigentlich. Nur bei unseren Songs wird er immer etwas sentimental, wenn ich das so sagen darf.." Ich lauschte konzentriert und schenkte Liam einen mitfühlenden Blick. Aber Moment mal...."Warum erzählst du mir das eigentlich?", fragte ich Zayn überrascht. Er starrte ebenso überrascht zurück. "Wieso sollte ich nicht?" " Na, weil ich das ja alles schreiben könnte! Oder irgendeiner anderen Schmierzeitschrift sagen könnte!", versuchte ich, zu erklären. Zayn fuhr sich über die Bartstoppeln an seinem Kinn. "Vero, ich vertraue dir. Und die anderen auch." Ich glaubte, gleich ausrasten zu müssen. Verstanden diese Hohlköpfe denn gar nichts?! "Wir kennen uns seit gerade mal eineinhalb Tagen! Und ihr seid berühmt! Wie könnt ihr dann ausgerechnet MIR vertrauen?!" Zayn packte mich an den Schultern und hielt an. Harry und Louis, die Niall wegen irgendetwas auslachten, würdigten uns keines Blickes und rannten hinter Liam her. Zayn schaute mir tief in die Augen. " Du musst wirklich mal aufhören, alles in Frage zu stellen, Vero.", begann er ernsthaft. "Ich kann dich gut leiden. Ich weiß, dass du keine Scheiße über uns verbeiten wirst. Ich vertraue dir. Okay?" Ich nickte bedächtig, fühlte mich aber währenddessen wie das Kaninchen vor der Schlange. Schweigend legten wir den Weg zum Auto zurück.

I AM ( One Direction FF)Where stories live. Discover now