Wie weggeblasen

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Es war ein wirklich langer Tag gewesen. Kanan war einfach nur froh, endlich zurück auf der Ghost zu sein, nachdem Ezra und er die letzten Nächte hatten auf der Phantom verbringen müssen. Sie hatten Waren für die Flotte auf Alderaan aufgesammelt und sich anschließend dort wieder mit dem Rest der Crew getroffen. Es war ihm ein Rätsel, wie genau seine Frau Fulcrum dazu gekriegt hatte, Sabine begleiten zu dürfen, um ihn einzusammeln - Miara war dieses Mal nicht dabei. Hera schlief wieder, als er das Schiff startete. Gerade, als er abheben wollte, rollte Heras C1-Droide hektisch piepsend ins Cockpit. Kanan stöhnte.
„Chopper, nicht jetzt." Aber so schnell gab der kleine Droide nicht auf. Er begann, ihn immer wieder von hinten anzustupsen. Kanan ignorierte ihn weiterhin. Daraufhin verpasste der Droide ihm einen elektrischen Schlag. „Was stimmt mit dir nicht, Schrotteimer?! Was willst du?!" Der Droide begann erneut, aufgeregt zu piepsen. „Wie meinst du das »Hera stirbt gerade«?!"

Kanan ließ sofort alles stehen und liegen und beeilte sich, zu ihr zu kommen. Der Droide hatte nicht wirklich Unrecht, Hera war kreidebleich und schrie sich die Seele aus dem Leib, also war es mehr als verständlich, wie der kleine Droide zu diesem Schluss gekommen war. Angst und Schmerzen zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab. Der Jedi griff vorsichtig nach ihrer Hand, seine Finger verschränkten sich mit ihren. Sie zitterte am ganzen Körper.
„K-Kanan, das Baby will raus."
Er legte seine Arme schützend um ihre zitternden Schultern.
„Hey, alles wird gut."
Dann aktivierte er sein Comlink.
„Sabine-Cockpit-jetzt!", rief er hinein. „Bring uns schnellstmöglich zurück zur Twilight."
„Verstanden. Specter fünf Ende."
Er legte Heras Kopf in seinen Schoß und ergriff nochmal ihre Hand. Immer wieder schrie sie vor Schmerz auf.
„Komm schon. Ganz ruhig. Sieh mich an. Bleib bei mir. Alles wird gut." Eigentlich hatte sie nur für einen kurzen Moment die Augen schließen wollen, aber der brennende Schmerz in ihrem Inneren knipste ihr schließlich für eine Weile das Licht aus.

Als sie wieder aufwachte, war Kanan über sie gebeugt. Er strich liebevoll über ihre Lekku.
„Wie geht's dir?"
„Ist das dein Ernst?!", fauchte sie ihn an, aber ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Sie bereute es nicht, sich freiwillig auf diese Sache eingelassen hatte. Es war einigermaßen klar gewesen, dass so etwas passierte, und die Vorstellung, dass sie einen Teil hiervon allein durchstehen musste, weil er noch nicht wieder zurück war, hatte ihr so große Angst gemacht, dass sie Fulcrum angefleht hatte, sie auf eigene Verantwortung gehen zu lassen. Die Erlaubnis dafür hatte sie nur deshalb bekommen, weil es keine wirklich gefährliche Mission gewesen war.
„Wir sind gleich da. Alles wird gut werden."
„Aber was wenn nicht? Wenn sich unser ganzes Leben für immer verändert?" Sie wimmerte. Er strich ihr beruhigend über den Rücken. „Was-was wenn wir aufhören müssen, zu tun, was wir tuen? Wer wird an unsere Stelle treten?"
„Rede nicht so. Die Kleine wird auch eine Rebellin sein."
„Was, wenn Ahsoka mir verbietet..."
„Schhh, einfach aufs Atmen konzentrieren."
Sie senkte den Kopf. Tränen strömten über ihre Wangen. Er strich ihr liebevoll über ihre Lekku und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
„A-aber was ist mit deinen Visionen?"
„Ganz ruhig, Hera. Atmen. Du wirst in Ordnung sein, ich verspreche es dir." Er schloss seine Arme um sie und sie vergrub ihren Kopf in seiner Brust. In diesem Moment verließ das Schiff ruckartig den Hyperraum. Er musste sie festhalten, damit sie nicht Beide quer durch die Kabine geschleudert wurden. „Das muss Sabine noch ein bisschen üben....", murmelte Kanan.
Hera war kreidebleich geworden. Angst und Schmerzen durchströmten ihre Präsenz in der Macht.
„Kanan, ich kann nicht mehr.", flüsterte sie.
Sie hatte Tränen in den Augen. Ihr Kopf sank auf seine Brust.
„D-das ist okay. Sabine wird jede Sekunde andocken und dann wird alles gut werden, nur noch ein bisschen durchhalten."
Sie nickte schwach. Einen kurzen Moment später begann sie sich erneut die Seele aus dem Leib zu schreien.
Kanan war unglaublich erleichtert, als sie endlich angedockt hatten und ein paar Ärzte hereinkamen, um sich um sie zu kümmern.
„Sie verliert zu viel Blut."
Angst stieg in ihm hoch, als sie sie auf einer Trage fortbrachten. Er lief ihnen hinterher und versuchte immer noch, seine Frau zu beruhigen. „H-hey, alles wird gut, hörst du?" Aber diesmal konnte er nicht einmal sich selbst überzeugen. Sie gab keine Antwort. Stattdessen jaulte sie vor Schmerzen auf. Sie wurde durch eine Tür in einen isolierten Raum gebracht. Er wollte ihr folgen, aber eine Hand legte sich auf seine Schulter und hielt ihn zurück. „Ich muss bei ihr sein, ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihr etwas zustößt."
„Kanan, du musst Vertrauen in sie und die Macht haben. Die Ärzte wissen, was sie tuen, glaub mir. Es wird alles gut gehen."
Die Togruta lächelte ihn aufmunternd an. Er schaute mit angsterfülltem Blick zurück.
„Ich wünschte, ich könnte dir glauben."

Kanan lief im weiß gestrichenen Korridor auf und ab. Er konnte nicht stillstehen, zu nervös war er, hatte zu viel Angst vor dem, was passieren würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit betrat die Togruta erneut den Raum.
„Wie geht's ihr? Bitte, sag mir, dass sie in Ordnung ist."
Seine sonst so ruhige Stimme zitterte. Die Frau schenkte ihm ein müdes, fast irgendwie genervtes Lächeln.
„Ich fürchte, sie wird für eine ganze Weile schlafen."
Kanan zuckte erschrocken zusammen.
„Du meinst sie..."
Ahsoka lachte.
„Und sowas darf sich Jedi nennen. Keine Sorge, ihr geht es gut. Ihnen geht es gut."
Sie grinste breit. Dennoch war sie etwas überrascht, als er sie umarmte.
„Danke. Für alles, was du für uns getan hast."
„Es war mir eine Freude. Ehrlich gesagt, es war interessant, auch mal diese Seite der Geschichte mitzuerleben. Ich frage mich allerdings, ob mein Mann wohl genau so schlimm war wie du." Sie musste lachen. „Ehrlich gesagt...er ist kein trainierter Jedi, weshalb er wahrscheinlich viel schlimmer war."
„Kann ich... kann ich die Beiden sehen?"
„Natürlich, aber wie schon gesagt, glaube ich nicht, dass Hera noch so sonderlich lange wach ist. Sie ist ziemlich fertig."
Die Togruta führte ihn den Gang entlang.
Und dann spürte er es auch. Heras Präsenz in der Macht war klarer als zuvor, wurde nicht mehr mit der zweiten Präsenz vermischt, die sich monatelang so eng an ihren Körper geschmiegt hatte. Auch diese war jetzt völlig separat. Zum ersten Mal spürte er seine Tochter wirklich. Er war zugleich aufgeregt und einfach nur vollkommen überwältigt. Sie war in der Macht kaum stärker als ihre Mutter, was eine große Erleichterung war. Niemand würde nach ihr suchen.
Mit einem Mal wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Da war er. Der herzzerreißende Schrei aus seiner Vision, vor dem er solche Angst gehabt hatte. Aber jetzt wusste er, dass es nicht Hera war, die schrie, sondern das kleine Bündel, dass sie im Arm hielt. Es schrie auch nicht aus Schmerzen – auch wenn der Grund für ihr Geschrei ihm vorerst verschlossen blieb. Und mit einem Mal waren seine Ängste wie weggeblasen.

Hera lächelte müde.
„Möchtest du sie halten?", fragte sie.
Er nickte und streckte seine Arme nach dem kleinen Bündel aus. Es hörte auf zu schreien, ihre türkisen Augen musterten ihn interessiert. Und es war nicht bis zu diesem Moment, dass ihm die Ausmaße dessen bewusst wurden, was gerade passiert war. Dass das Kind, dass dieses wunderschöne Mädchen, das er da hielt, tatsächlich seine Tochter war. Und von dem Moment an wusste er, dass er alles tuen würde, um sie glücklich zu machen und zu beschützen. Ihr wunderschönes kleines Mädchen. Er strich mit seinen Fingern über die dünnen, braunen Locken des grünhäutigen Kindes. Dann legte er seinen freien Arm um Hera.
„Eleena Dume.", flüsterte er. „Willkommen in der Familie."
Den Namen hatten sie sich zusammen ausgesucht. Sie hatten beschlossen, dass sie es satt hatten, vor der Vergangenheit wegzulaufen und stattdessen endlich in die Zukunft schauen sollten.

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