Zehn Stunden unseres Lebens

22:51 Uhr - Joanne

Man bemerkte sofort, dass man den Osten verlassen hatte und im Westen stand. Selbst die Häuser am Rand der reichen Seite, sahen nobler aus, als die auf der östlichen.

Joe wollte sich gar nicht vorstellen, in was für einem Haus Matthew wohl leben würde. Vermutlich in einem der nobelsten und größten – überhaupt dem vermutlich besten.

Die Bar in die der Mann sie führte, sah aus wie jede andere auf dieser Welt auch. Dämmriges Licht, Geklirre von Gläsern und eine Menge dunkler Möbel. Sie fühlte sich wohl darin, doch Joe wusste, dass irgendetwas anders war, als in den üblichen Bars die sie besuchte. Jedenfalls außer den überirdischen Preisen, die der Laden für Bier verlangte.

»Wenn das nicht das beste Bier der Welt ist, verstehe ich wirklich nicht, wieso dieser Laden noch läuft.«, teilte Joe ihrem Begleiter mit. Matthew lachte in sich hinein und bestellte zwei Krüge. »Im ernst: Wieso kommen hier Leute her, wenn es nur wenige Straßen weiter viel billigeren Kram gibt?«

»Vermutlich wegen dem Ruf.«, antwortete Matt nach langem Überlegen. Die beiden bereits Angetrunkenen Ankömmlinge machten es sich in einer Nische bequem. Joe kostete das Bier und neigte den Kopf erst zu einer dann zur zweiten Seite, als würde sie abwägen, ob sich der Preis wirklich auch nur Ansatzweise lohnte. Sie entschied sich für nein, teilte Matt dies allerdings nicht mit.

»Klar, der Ruf ist alles. Ist bei euch vermutlich genauso wie bei uns. Man kassiert höchstwahrscheinlich Schläge am Ende einer Affäre.«

»Ehebruch ist ja schon eine Sache für sich, allerdings kann man, wenn man seinen Partner mit jemandem aus dem Westen betrogen hatte, wenigstens behaupten, man würde seine Affäre lieben.«

»Den Osten liebt man nicht.«

Matt sah Joe tief in die Augen. Der Westen liebte den Osten nicht, der Osten liebte nicht den Westen. Eine heilige Regel, die niemand zu brechen wagte. »Mehr oder weniger.«, sagte Matthew lediglich darauf und nahm einen großen Schluck seines Bieres.

Wenn man jemanden aus dem Westen liebte, wurde man als dumm verkauft. Als leichtsinnig und idiotisch, als Träumer abgestempelt, Nichtsnutz. Es war erschreckend, was die Bürger sich alles für Namen ausdenken konnten, wenn sie von einer Affäre zwischen dem Westen und Osten erfuhren.

»Wie gut das wir beide Single sind und niemand es auf uns absehen kann.«