"Nein verdammt noch mal. Ich will dich nie wieder sehen verstanden?" Ich riss mich zusammen um nicht zu schreien, denn ich wusste wenn ich Wut zu ließ würden die Tränen gleich wieder kommen, nicht weil ich traurig war ihn verloren zu haben sondern weil ich so wütend auf mich selbst war, das alles zugelassen zu haben.

"Dean, bitte, ich liebe dich. Verzeih mir, es kommt nie wieder vor, ich verspreche es dir. Nein. Ich schwöre es. Bitte, du liebst mich doch auch. Ich weiß, ich habe dich verletzt und ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber ich weiß auch, dass du genauso noch was für mich empfindest wie ich für dich."

Ich schüttelte leicht den Kopf und sah auf den Bordsteinweg vor mir. Er hatte Recht, doch ich musste stark bleiben. Ich hatte noch Gefühle für ihn, natürlich. Man kann sie nicht einfach so abstellen, nur weil man betrogen wurde. Ich wünschte ich könnte, doch ich konnte es nicht. Doch was mich zweifeln ließ waren seine Gefühle für mich. Meinte er das ernst? Liebte er mich wirklich noch? Ich hoffte es, irgendwie. Ich wusste ich konnte nicht genug für ihn sein, sonst hätte er mich nicht betrogen. Ich war nicht genug, aber vielleicht liebte er mich ja trotzdem? Vielleicht war ich nur nicht gut genug im Bett und deshalb tat er das? Hätte er mich nicht geliebt hätte er doch einfach Schluss gemacht oder? Hätte er mich nicht geliebt, wäre er mir doch keine Woche wie ein Besessener hinterher gelaufen.

Niemals hätte ich mir diese Gedanken erlauben dürfen, niemals hätte ich ihm überhaupt antworten dürfen, doch wie jedes Mal ließ ich es zu. Wie jedes Mal knickte ich ein. Ich liebte ihn einfach zu sehr, ich brauchte ihn.

Verzweifelt wischte ich mir übers Gesicht und sah ihn das erste Mal an diesem Tag an. Seine blauen Augen lagen hoffnungsvoll auf meinen, seine rosa Lippen waren leicht geöffnet. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine kleine, nachdenkliche Falte gelegt, die ich am liebsten weg wischen wollte. Sie störte in seinem wunderschönen Gesicht.
Ich seufzte über mich selbst, ich konnte ihm nicht widerstehen. Ich konnte nicht los lassen. Ich war ihm vor Jahren verfallen und würde niemals aus dem Loch herauskommen.

"Ich verzeih dir... ein letztes Mal." Und diesmal schwur ich mir, dass es wirklich das letzte Mal sein würde. Seine letzte Chance, sonst wäre es endgültig vorbei. Doch tief in mir wusste ich selbst, dass ich es mir jedesmal schwur und es niemals einhalten würde. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor ich seine Hände auf meinen Hüften spürte und seine weichen Lippen auf meinen. Ich erwiderte. Natürlich.
Ich genoss die Wärme die er ausstrahlte, das Kribbeln auf meiner Haut, da wo er mich berührte, die Schmetterlinge in meinem Bauch, die auch nach drei Jahren nicht verstorben waren. Ob er wohl das selbe spürte?

Nach wunderschönen Ewigkeiten lösten wir uns voneinander. Seinen Arm legte Louis um meine Hüfte und zog mich an sich heran, während wir gemeinsam weiter gingen.

Nachdenklich lehnte ich mich in seine Berührung und sah nach vorn. Es war ein Fehler, ich wusste es. Ich wusste, ich würde wieder verletzt werden, doch ich wollte nie die Hoffnung aufgeben, es war das Letzte was mir geblieben war. Ich hoffte, er würde sich dieses Mal ändern. Ich hoffte, er würde mich wirklich lieben.

Doch schnell wurde mir klar, Menschen ändern sich nie. Sie sagen es, doch Menschen reden viel. Sie versuchen es, doch letztendlich scheitern sie.

Ich wollte mich ändern. Ich wollte von ihm los kommen. Er wollte sich ändern. Er wollte treu bleiben. Doch es kam wie es kommen musste.

Es war gestern Abend als ich ihn mit Sam, meinem besten Freund, in unserem Bett gefunden habe. Er hatte sich nicht geändert und würde es auch nie. Er wurde nur immer dreister. Er erfand nicht einmal mehr eine billige Entschuldigung oder einen schlechten Grund. Er behauptete nicht mehr betrunken gewesen zu sein oder gezwungen worden, er sagte nur ich solle mich nicht so aufregen. Er sagte, er liebte nur mich, doch er bräuchte Abwechslung.

Und genauso wenig wie er sich ändern konnte, konnte ich es. Ich ließ mich wieder verletzen und machte wieder nicht Schluss. Ich diskutierte nicht einmal mehr, ich ging einfach zurück ins Wohnzimmer und ließ ihn weiter machen. Ich gab es auf und fügte mich meinem Schicksal.

Als Sam ging, legte ich mich wieder ins Bett zu Louis, als wäre nie was passiert. Wir kuschelten als hätte nicht zuvor mein bester Freund an meiner Stelle gelegen.

Louis ist zur Arbeit und ich beziehe das Bett neu. In dem Laken sind einige Flecken von denen ich gar nicht wissen will was es ist, es trotzdem weiß. Gedankenverloren starre ich auf den Stoff in meinen Händen. Ich würde mich nie ändern und er auch nicht. Ich würde für immer von ihm abhängig, von ihm besessen sein, ich würde nie genug sein. Nie gut genug für ihn. Wie auch? Er ist so verdammt attraktiv und erfolgreich noch dazu. Er ist sportlich, musikalisch, humorvoll und intelligent. Niemals wird sich etwas ändern. Bis ins bittere Ende werde ich verletzt werden und er würde sich mit jemanden wie mir abgeben.

Bis zum Ende, wäre keiner von uns wirklich glücklich, weil die Liebe uns aneinander bindet, doch wir Gift für einander sind. Gift, das einen nicht tötet, jedoch langsam aber sicher verätzt, bis zum Schluss nur noch ein Haufen Elend übrig ist. Ich kann nicht zu lassen, dass wir beide so ein Leben leben. Ich kann nicht zu lassen, dass ich Louis vergifte, dass Louis so von mir runter gezogen wird und genauso wenig will ich weiterhin verletzt werden.

Ich schmeiße das Laken in den Wäschekorb bevor ich zu meiner Jacke gehe und sie mir überziehe. Aus ihrer Tasche fällt die verwelkte Blüte einer Chrysantheme. Ich lächel schmerzerfüllt, als ich an die Nacht zurückdenke und lege sie auf die Kommode zu einem Bild von mir und Louis. Ich atme tief durch und sehe es mir noch einmal an.
Es ist alt. Drei Jahre, um genau zu sein. Damals waren wir noch glücklich, keiner von uns wusste wie giftig der andere war. Bevor ich meine Entscheidung ändern kann, gehe ich raus und folge den Treppen nach oben. Die Tür lässt sich nur schwer und mit einem Quietschen öffnen. Der Kies knirscht unter meinen Füßen, die mich zum Rand tragen. Vorsichtig steige ich drauf.

Ich schlucke und sehe nach unten. Ein Junge kauft seiner Freundin einen Strauß Rosen beim Blumenhändler, ein Kind springt lachend in eine Pfütze und ein Rentner blockiert den Verkehr, als er unachtsam über die Straße schleicht. Der Alltag einer Großstadt. In jeder Straße passiert das Selbe. Tag ein Tag aus. Kein Mensch ist besonders, keinem wird Beachtung geschenkt. Was ist auch schon einer in Millionen?

Ich schließe die Augen und öffne meine Arme. Der Wind gibt mir Rückenwind, er trägt mich, er lässt mich fliegen. Einen Augenblick, eine kurze Sekunde. Doch nichts ist auf Dauer. Louis hat mich Anfangs auch auf Händen getragen. Er hat mir Kraft und Mut gegeben, doch genauso wie der Wind, ließ er nach. Mit jedem Monat ein bisschen mehr, bis er mich Schluss endlich fallen ließ. Doch es reichte mir nicht, immer und immer wieder sprang ich, vertraute ihm und zerbrach am Ende. Immer wieder rappelte ich mich wieder auf, ließ jedoch jedesmal einen Teil von mir liegen. Diesmal würde es anders sein. Diesmal würde ich mich nicht mehr aufrappeln.

Ich genieße die kalte Luft in meinen Lungen, die Regentropfen auf meiner Haut. Ein letztes Mal. Ein letztes Mal sehe ich auf zum Himmel, er ist dunkel, überzogen mit Wolken. Die vielen Fenster der Hochhäuser huschen an mir vorbei. Ich falle.

Ich falle so wie ich vor drei Jahren für Louis viel. Unaufhaltsam, schnell. Schmerzvoll. Es endet so wie es enden musste.

2070 Wörter

HirngespinsteWhere stories live. Discover now