Kapitel 37

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Anmutig galoppierte der Schecke über den Platz. Im Takt schlugen Sporen in seine Flanken. Mit jedem Sprung schnaubte er stärker. Die Reiterin saß verbissen auf dem Rücken des zwei farbigen Tieres. Ihre Miene verzog sich wütend und die Gerte sauste auf das Pferd zu. Ein Schlag. Verängstigte,schnellere Galoppsprünge folgten. Die Kandare wurde angezogen. Der Wallach öffnete das Maul vor Schmerz. Die Zügel waren auf Spannung. Der Hals eingerollt und die Nase schlug auf die Brust. Tiefe Falten über den Augen des Pferdes zeugten vom Stress und Schmerz. Die Sporen vergruben sich in Fell des Tieres. Ich wollte meinen Blick missbilligend abwenden. Doch dann währe ich nicht besser als der Rest hier. Was war aus unserem gerechtem,freundlichen Sport geworden? Mein Blick erfasste jeden Reiter auf diesem Abreiteplatz. Keiner von ihnen ritt in Harmonie. Keiner mit dem Pferd als Freund.
„Der Grundgedanke der klassischen Dressur ist die möglichst lange Gesunderhaltung eines Reitpferdes durch das Praktizieren von gymnastischen Übungen, durch die das Pferd, ohne Schaden zu nehmen, in die Lage gebracht werden soll, für den Reitgebrauch nutzbar zu bleiben. Das Pferd soll durch die systematische Ausbildung schöner, ausdrucksstärker und selbstsicherer werden, wodurch sich das Gesamtbild eines [...] harmonisch gebauten Athleten ergibt."

Kopfschüttelnd machte ich mich auf dem Weg. Was war nur aus dieser Welt geworden. Waren wir Reiter nicht die freundlichste Gattung der Menschen? Fred stand abseits des Abreiteplatzes und unterhielt sich mit einem älteren Herren. Fred stellte mir den Mann vor:„Das ist Jürgen. Er ist internationaler Richter für Dressur und hatte schon sehr viele Pferde selbst bis Grand Prix geritten. Viele davon bildete er selbst aus. Vom dreijährigen bis zum Grand Prix Pferd. Er ist ein wahres Wunder bei den Ausbildern!" Fred war hell auf begeistert von diesem Mann. Ich nickte nur stumm. Es würde mich nicht wundern hätte er seine Dreijährigen beim ersten Longen Versuch schon ausgebunden.

Die Richter riefen einen Reiter nach dem anderen auf. Sie betraten das Viereck,zeigten alle die selben Übungen und verschwanden dann wieder. Ich verstand nicht warum alle mit Sporen und Gerten ritten. Bei jedem Schritt piksten sie in den Bauch der anmutigen Pferde. Warum? Nie hatte ich mein Pferd bei jedem Schritt die Sporen gegeben. Ich verstand das ganze nicht. Warum war ich hier? Fred hatte mich am Morgen mit zu diesem Turnier geschleift. Ein LPO Dressurturnier der Klasse M*. Ich wollte das ganze nicht sehen. Es war nicht meine Welt. Nicht mehr. Die vielen Reiter die nur um den Sieg kämpften. Wo ist die Liebe geblieben? Die Liebe zum Partner Pferd? Keiner dieser Reiter interessierte sich ernsthaft für sein Pferd. Es wurde in der Öffentlichkeit gut da gestellt. Schlagzeilen als Pferdefreundlicher Reiter zu machen. Doch wer war im Spitzensport noch als Pferdefreundlich unterwegs? Es war nicht meine Welt. Nicht mehr. Und es wird sie auch nie mehr sein

Mit Kennerblick stand er am Zaun gelehnt und beobachtete die Reiter. Jeden Schritt,jede Wendung,jeden Wechsel. Den kleinsten Fehler entdeckte er und deutete leise vor sich hin murmelnd darauf hin. Mein Blick folgte den Reitern. Nie wieder würde ich auf einem Turnierplatz reiten. Die Nervosität vor dem Start erleben. Ich verlor alles im internationalen Sport. Ich verlor IHN. Doch das war erst der Anfang. Der Sport hatte mich zerstört. Er hatte mein Leben zerstört. Er hatte alles was ich liebte zerstört. Ein Stich fuhr dich meinen Herzen. Ich vermisste all dies. Die Spannung,die vielen Blicken,meine Pferde,ich vermisste all das! Warum konnte mein Leben nicht für immer so bleiben? Alles war so viel einfacher. Wo war ich gelandet? Ich bin abgerutscht. Gefallen. So tief,das der Aufprall schon weh tat. Dieser Sport hatte mein Leben zerstört. Er nahm mir alles was ich liebte. Er nahm mir Black Night. Er nahm mir meine Freude. Meine Liebe zu dem wundervollsten Tier auf Erden. Den er war tot. Dieser Sport. Er hatte sich für diesen Sport geopfert. Wie viele Opfer müssen noch gebracht werden? Er hatte mir alles genommen. Mein Leben,meine Liebe,meine Freude. Alles verlor ich an ihm. Mein Leben gab ich für ihn. Doch nun hatte ich nichts mehr. Ich verlor sie alle. Die wenigen die mir blieben,hatte ich von mir weg gestoßen. Ich hatte mich in einen dunklen Loch zurück gezogen. Hatte Schutz gesucht. Doch ich werde nicht mehr rauskommen. Nicht ohne Hilfe. Doch meine Hilfe war tot. Black Night ist tot. Er war mein Dreh- und Angelpunkt im Leben. Aber nie mehr wird er zurück kommen. Was muss ich geben um ihn ein letztes Mal zu sehen? Ein letztes Mal ihn Tschüss sagen können. Ein letztes Mal über sein seidenweiches Fell streicheln. Seine klugen,braunen Augen ein letztes Mal sehen. Was muss ich dafür geben?

Eine heiße,salzige Träne bannte sich ihren Weg auf meine Wange. Ich lies sie laufen. Was würde es bringen sie wegzuwischen? Tränen. Ein kleines Zeichen von dem,was in einem vorging. Jeder konnte diese Träne sehen. Doch keiner das,was hinter ihr steckte. Die Geschichte,die Trauer,der Schmerz. Keiner sieht es. Sie können das gebrochene Herz dahinter nicht sehen. Und zum ersten Mal verstand ich es:Ich schaffte es nicht alleine wieder da raus. Aber ich hatte keinen mehr. Niemanden den ich all dies erzählen konnte. Niemanden der mir zuhören würde und es verstand.

Ich brauche dich Svenja! Du hattest immer alles verstanden. Du weist was ich brauche. Ich weis das du mir helfen kannst. Aber es ist wohl zu spät. Zu spät für Erklärungen. Zu spät für deine Freundschaft.


Es geht aufs Ende zu!

Black Night-Der Hengst der mein Leben schriebWhere stories live. Discover now