Die Hälfte eines Ganzen #Seasoncompetitions

Magsimula sa umpisa
                                    

Liebe.

Macht traurig, macht glücklich. Schafft Leben und nimmt es. Baut auf und zerstört.

Ohne sie würden beide jetzt keinen Schmerz spüren. Ohne Liebe wäre es jetzt einfacher, doch es ist unmöglich ihr zu entkommen. Liebe sucht aus und Liebe entscheidet, Liebe gewinnt den Kampf gegen Rationalität. Das Herz ist stärker als das Hirn. Liebe sucht sich ihren Weg, Liebe bestimmt das Leben ob man will oder nicht.

Ein letzter Kuss.

Trauer zerreißt sie. Nagt an ihrem Herzen, frisst sie von innen auf. Besorgnis und Angst wachsen in ihr heran, ihr wird schlecht.

Ungewissheit verunsichert ihn, doch die Wahl wurde ihm schon längst genommen. Er will auch nicht wählen. Er gehorcht und nimmt es hin. Es ist einfacher als selbst zu entscheiden. Liebe zum Land oder Liebe zur Frau? Das Kind schützen oder es auf wachsen sehen? Töten oder leben?

Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Keine Antworten, die man hören möchte. Probleme, auf die es keine Lösung gibt die zufrieden stellt. Egal was man tun würde, einer wäre unglücklich. Lieber nichts tun. Lieber alles über sich ergehen lassen. Lieber andere denken lassen, lieber die Schuld auf andere schieben. Schuldlos bleiben wollen, doch die meiste Schuld tragen. Nichts tun ist schlimmer als Falsches tun.  

Kälte umgibt das Paar. Weiße Flocken setzen sich in ihr Haar, ein Windzug lässt sie frösteln. Kälte breitet sich in ihnen aus. Die Angst lässt sie frieren.

Ein letzter Blick, ein letztes Ich liebe dich. Er reißt sich los, unfreiwillig, gezwungen, aber von sich aus. Er geht, nimmt ihr Herz mit.

Er geht und nimmt einen Teil von ihr mit. Den Teil, der ihr die Wärme spendete, wenn es schneite. Der Teil der sie den Winter lieben ließ. Sie lernte ihn kennen und fing an die Schönheit zu sehen. Die Schönheit in den alltäglichen Dingen, die Schönheit im harten Winter, die Schönheit in ihm und die Schönheit in sich selbst. Doch nun war er gegangen und nahm alles Gute was er ihr bescherte mit sich.

Er ging und nahm einen Teil von ihr mit.

Sie waren Eins gewesen. Er vervollständigte sie. Er war der Winter zu ihrem Sommer. Der Herbst zu ihrem Frühling. Der Schnee zur Flocke. Das Weiß des Schnees zum Grau des Himmels. Doch wie ein Jahr ohne Winter, wie ein Tag ohne Nacht, ist auch sie ohne ihn nur die Hälfte eines Ganzen.

Grob und rücksichtslos von ihrem Gegenstück gerissen, ohne einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden. Ohne daran zu denken, dass nun beide Hälften nutzlos waren. Ohne daran zu denken, wie sinnlos Beide ohne einander waren. Sie waren für einander gemacht und getrennt waren sie nichts, als zwei nutzlose, kaputte, sinnlose Teile eines Ganzen.

Woher weiß man ob Sommer ist, wenn es nie Winter wird? Woher weiß man was Wärme ist, wenn man die Kälte nicht kennt? Man kennt Glück erst, wenn man Schmerz kennt. Sie schätzte ihr Glück nie genug, sie nahm es hin wie es war. Für sie war es ebenso selbstverständlich wie, dass auf den einen Tag ein neuer folgt, dass aus Herbst Winter wird bevor es wieder Frühling und Sommer werden kann, dass Worte reichten um ihre Gefühle auszudrücken.

Jetzt wo er weg ist, merkt sie wie wertvoll Zeit ist. Sie merkt, dass Worte niemals reichen würden um ihre Gefühle für ihn deutlich zu machen. Sie spürt das erste Mal richtigen, aufrichtigen Schmerz. Echte Trauer und echte Angst. Ein Kloß im Hals. Erstickt sie an ihm? Ihr Herz zerrissen. Wird sie sterben? Sie hofft es. Sie ist Realistin. Er wird nicht wieder kommen, ihr Kind wird ein Bastard, sie eine Witwe. Was sollte schon aus ihr werden? Eine arme Bettlerin mit einem Kind, das den nächsten Winter nicht überleben würde.

Sie fängt an ihr Glück, die Zeit wert zuschätzen. Stille, Gefühle, die Schönheit des Alltags wert zuschätzen. Doch ihre Erkenntnis kommt zu spät.

Hätte sie nur früher erkannt, was ihr die Welt alles bot. Hätte sie nur früher erkannt, wie gut es ihr ging. Hätte sie nur früher erkannt, wie wunderschön der Winter sein kann, wie wertvoll es ist ihn mitzuerleben. Dann müsste sie nicht jetzt erkennen, wie schmerzvoll es ist zu wissen nie wieder zu sehen, wie die weißen Flocken auf der warmen Haut dahin schmelzen, wie Eis von den Dächern der Häuser wächst, wie Leute sich in ihre dicken Mäntel wickeln, um sich vor der ach so bedrohlichen Kälte zu schützen. Nur zu gern würde sie die frierenden Finger noch einmal mit seinen verschränken können, noch einmal die tauben Lippen aufeinander treffen lassen, noch einmal seine Wärme spüren, noch einmal gemeinsam den frühen Sonnenuntergang genießen, während sie, in Decken eingewickelt, einen heißen Tee trinken. Er erkannte all dies, er erkannte Schönheit, doch er war zu gut.

Warum er?
Die schönsten Blumen werden doch auch zuerst gepflückt.

Jetzt ist es zu spät. Sie hat ihre Chancen vertan. Sie wurden zerrissen. Wozu zwei Hälften haben, die nie wieder ein Ganzes werden würden? Wie leben, wenn das Gegenstück im Kampf gefallen ist? Wie jemals wieder etwas lieben, etwas genießen? Wie atmen, wie den Herzschlag spüren? Wie und warum sollte sie ohne ihn?

Blau und Grün sind vergangen. Liebe auf ewig, Liebe für immer. Er hat gekämpft, sie gab auf. Er war zu gut, sie zu blind. Es war zu spät. Die Zeit war vergangen. Nur zwei Hälften eines Ganzen. Nur die traurigen Überbleibsel der Liebe. 

Liebe schafft Schmerz. Liebe zerstört. Liebe tötet.


1510 Wörter.

HirngespinsteTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon