eins

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L U K E 

Sie wollte immer Joy genannt werden, aber mir gefiel ihr eigentlicher Name viel mehr. Nie verstand ich, was an Josefine auszusetzen war, aber wenn sie es so wollte, konnte ich nichts gegen machen. Vor allem war meine Freundin auch total stur, was solche Dinge anging. In letzter Zeit war sie dauerhaft so. Wegen jeder Kleinigkeit wurde sie sauer, wollte immer ihren Willen durchsetzen, auch bei so kleinen, fast unwichtigen Dingen. Wenn ich etwas vom Chinesen bestellt hatte, riss sie mir fast den Kopf ab, weil sie sich auf einmal für italienisches Essen begeisterte. Seit Tagen konnte man es ihr nicht mehr Recht machen. Selbst bei ihrer Arbeit war sie genervt und angespannt. Ich hatte vorgeschlagen, dass wir vielleicht zu einem Arzt gehen sollten, aber sie lehnte ab. Jeden morgen war ihr übel und ich machte ihr da immer diesen Tee, den sie so liebte. Für fünf Minuten zeigte sie mir dann ihre Liebe, bevor sie wieder in ihre Routine zurückfiel. In den ersten sechs Jahren war sie nie so. Jetzt auf einmal. Ob sie vielleicht in ihre Wechseljahre kam? Bekommen Frauen mit 21 Jahren schon Wechseljahre? Oder Depressionen? Vielleicht war sie auch einfach schwanger, aber ich konnte mich wirklich nicht mehr dran erinnern, wann wir das letzte Mal Sex hatten. Seufzend googelte ich nach möglichen Ursachen, warum meine Traumfrau sich so verhielt, wie sie es nun mal tat. Auf einmal klingelte mein Handy und ich dachte, Josefine würde anrufen, doch es war nur einer meiner Arbeitskollegen. "Was gibt's?", fragte ich etwas abwesend, als ich den grünen Knopf drückte. "Irwin ist wieder auf hundertachtzig.", schnaubte Jack ins Handy. "Du anscheinend auch.", bemerkte ich, was mich kurz grinsen ließ. "Und wie. Ich brauch dich hier, ohne dich werde ich verrückt." Ich arbeitete normalerweise als Security bei Konzerten, aber ich hatte mir diese Woche frei genommen, da ich mehr Zeit mit Josefine verbringen wollte. Aber keiner meiner Versuche klappte, ihre Aufmerksamkeit irgendwie auf mich zu lenken. "Was gefällt dem Herr'n wieder nicht?", fragte ich grinsend, während ich meinen Mac schloss. "Wir sind zu wenig und der Ansturm wird zu groß sein. Die Tatsache an sich ist gar nicht schlimm, weißt du? Nur, wie Irwin sich das zu Herzen nimmt, nervt mich total. Anstatt selbst mal den Arsch hoch zu bekommen oder weitere Menschen einzustellen, meckert er herum oder bumst seine Sekttäterin im Büro.", knurrte er. Man hörte einen Knall im Hintergrund. "Wir bekommen so wenig Lohn, aber seine Tunte bekommt einfach mal das Doppelte von unserem Gehalt?!", beschwerte sich Jack weiter. "Ich versteh dich, Jack, wirklich. Tut mir leid, aber ich muss los. Du weißt, wie Joy derzeit ist. Wollte sie auf der Arbeit überraschen. Ich komm abends vielleicht noch vorbei. Bringe Bier mit.", sprach ich auf ihn ein, wusste, dass das Wort Bier ihn beruhigte. "Zum Glück hab ich keine Freundin.", lachte er. "Wir sehen uns." 

Im Spiegel sah ich nochmal nach, ob meine dunkelblonden Haare saßen, ob mein Bart perfekt rasiert war, sodass man die Stoppel sah, aber nicht mehr. Mein schwarzes Shirt saß auch perfekt, sowie meine schwarze Skinnyjeans. Ich zog mir noch eine Lederjacke drüber, damit ich lässig aussah, ging dann aus dem Haus zu meinem selbst finanzierten, schwarzen Audi. Zuerst drehte ich die Musik von All Time Low auf volle Lautstärke, bevor ich den Motor richtig startete und mich auf den Weg zur Psychiatrie machte, wo Josefine arbeitete. Ob sie sich freuen wird, mich zu sehen? Wenn ich so darüber nachdachte, waren ihre blauen Augen noch kälter geworden, als sie am Anfang waren. Ihre blonden, langen Haare waren glänzender, als am Anfang. Vor mir verhielt sie sich wie eine Hexe. Irgendwas stimmte nicht. 

Heathens {Muke ff}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt