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Nach der kurzen Pause geht es raus zum Geländeritt. An einem langem Balken stehen die Pferde angebunden, die bereits gesattelt sind. Santos teilt uns der Reihe nach ein Pferd zu. Ich bekomme eine kleine Schimmelstute, die mir erstmal rotzfrech auf den Fuß gestiegen ist. Das kann ja was werden.

Ich reihe mich hinter den Letzten ein, damit keiner sieht, wie angespannt ich bin. Obwohl die Stute ganz brav den anderen hinterher läuft.
Bei uns zu Hause gibt es nur Stadt, Meer und Strände. Deshalb ist der Wald neu für mich. Aber ich habe mich in die grüne Natur verliebt, in den kleinen Bach am Wegesrand, in die saftig grünen Laubbäume, selbst in die stacheligen Nadelbäume, in das Zwitschern der Vögel und den erdigen, feuchten Geruch des Bodens.

Die Mächen quatschen und lachen. Die Vampire haben sich unter sie gemischt und unterhalten sich mit ihnen. Jedenfalls haben alle Spaß. Ein paar Reihen vor mir entdecke ich Lucian auf einem wunderschönen braunen Hengst, der sich mit Luzy unterhält, die ebenfalls auf einem Schimmel sitzt. Zugegebenermaßen passen die beiden echt gut zusammen. Luzy schmeißt ihren Kopf in den Nacken und lacht über etwas, was Lucian gesagt hat. Sie ist echt hübsch, das muss ich ihr lassen, aber ihren Charakter kann man mit dem einer Giftschlange vergleichen.
In mir brodelt etwas. Ist das etwa Eifersucht? Das kann nicht sein. Oder doch?
Ok, ich mag Lucian von allen am meisten, aber mein Traumtyp ist er immer noch nicht. Er ist schließlich immer noch ein Vampir.
Jemand taucht neben mir auf. Es ist Aladar. Sein schwarzer Hengst schielt auf meine Stute, die aber nur die Ohren anlegt.
,,Was machst du in der letzten Reihe? So ganz alleine?", fragt er.
,,Reiten." Er nickt und lacht leise. Es ist ein tiefes, melodisches Lachen.
,,Darf ich Euch etwas fragen?"
,,Klar, alles was du willst?", antwortet er.
,,Wie viele Mädchen sind schon draußen?"
,,Ich glaube 7."
,,Ok. Warum mussten sie weg?"
,,Sie haben zu keinem von uns gepasst."
,,Aha. Wie findet Ihr heraus, ob sie zu Euch passen?"
,,Mhm. Eigentlich fühlt jeder Vampir, ob eine Blutprinzessin zu einem passt. Es ist auch nicht immer nur eine. Auf einen Vampir kommen circa 4 Blutprinzessinnen in einem Jahrhundert. Aber es kann auch vorkommen, dass eine Blutprinzessin zu mehreren Vampiren passt."
,,Aha, ok."
,,Stimmt es, dass Rasvan von deinem Blut trinken wollte?", fragt er plötzlich. Das kam so unerwartet, dass die Zügel fester im die Hand nehme und die Stute stehen bleibt. Aladar bleibt einige Meter vor uns stehen und wendet seinen Hengst. Ich treibe mein Pferd weiter, bis ich wieder aufgeholt habe.
,,Ähm...ja", sage ich heiser. So jetzt ist die Wahrheit raus. Hoffentlich bereue ich es nicht.
,,Stimmt es auch, dass dein Blut so heiß ist, dass man es nicht trinken kann und es Bauchschmerzen verursacht?"
,,Euer Bruder hat es jedenfalls so gesagt, aber ob es stimmt kann ich nicht sagen."
,,Mhm. Danke für die Antwort." Mit diesen Worten gallopiert er an die Spitze der Truppe.
Mir ist aufgefallen, dass die Vampire nicht so sind, wie sie mir immer beschrieben wurden und wie Luzy Vosmus am Ball gesagt hat. Naja, es kann ja auch sein, dass der Schein nur trügt. Mit Vlado, Aleksandru und Drakos hatte ich noch keinen Kontakt, also weiß ich nicht  wie sie so sind, aber so wie es aussieht, sind sie auch nicht so wie die Beschreibungen es sagen. Nur auf Rasvan, Valorac und das Königspaar trifft die eiserne, grausame Kälte zu.
,,Hey", sagt plötzlich jemand neben mir. Meine Schwester Kyra auf einem gescheckten Pferd.
,,Hallo Kyra. Wie geht es dir?"
,,Ganz gut. Und dir? Ich habe gehört, dass Rasvan versucht hat dein Blut zu drinken." Nicht schon wieder dieses Thema.
,,Ja, es stimmt. Und mir geht es gut."
,,Sicher? Ich mache mir Sorgen. Hast du schon einen Prinzen im Visier?"
Ich werde rot und schüttle den Kopf.
,,Nein und du?" Ich klinge eisiger als bedacht. Sie sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber antwortet: ,,Ich habe mich gestern mit Aleksandru unterhalten. Er ist echt nett und man merkt gar nicht, dass er ein Vampirprinz ist. Man kann total unbefangen mit ihm reden. Der Vorteil ist, dass keines der anderen Mädchen an ihm interessiert ist. Ich glaube, dass sie ihn zu spießig oder altmodisch finden, was auch im ersten Moment so wirkt, aber wenn man ihn besser kennenlernt, dann kann man echt Spaß mit ihm haben."
Das klingt echt gut.
,,Super. Ich freue mich für euch. Hoffentlich wählt er dich aus."
Sie grinst glücklich und danach wir reiten schweigend den anderen hinterher. Dass Valorac von ihrem Blut getrunken hat, spreche ich nicht an. Es ist irgendwie nicht der richtige Zeitpunkt.

Nachdem wir die Runde mit Trab und Galopp beendet haben, geht es wieder im Schritttempo zurück zur Burg. Gott sei Dank, dass meine Stute brav war. Ich habe sie sehr ins Herz geschlossen und hoffe, dass ich sie beim nächsten Ausritt wieder haben darf.
In der Burg gibt es eine kleine Pause mit Erfrischungen, bevor es weitergeht. Die Mädchen haben sich dieses Mal auf die anderen Stationen verteilt, weil man jede Station nur ein mal machen darf.
Ich gehe rüber zum Parcours. Dort muss man über große Klötze, wackelige Hängebrücken und riesige Netze. Obwohl es schwer aussieht, sieht es nach Spaß aus. Außerdem habe ich sowas noch nie gemacht. Den Körper mal wieder so richtig zu belasten macht mich glücklich und ich fühle mich gut. Und es lenkt ab. Außerdem bin ich sportlich. Doch als mein Blick auf Rasvan und Valorac fällt, kehren die Sorgen und die Angst vor den beiden zurück. Auch mit Luzy habe ich kein gutes Verhältnis. So viele Probleme...und das schon am zweiten Tag.
Santos persönlich ist für den Parcours zuständig und lächelt mir aufmunternd zu, als ich zögernd an der Startlinie stehe. Falls ich irgendwo herunterfalle, falle ich auf harten Steinboden. Die nehmem hier offensichtlich keine Rücksicht auf Verluste. Klar, warum sollten sie. Wir sind ja nur kleine, sterbliche Menschen.

Als erstes springe ich auf die unterschiedlich hohen, kistenartigen Klötze. Das ist sehr anstrengend und ich muss aufpassen, dass ich nicht hinfalle. Bei einem Blick auf die Seite bemerke ich, wie Lucian, Aladar, Drakos und Vlado mir zuschauen.
Ich laufe schnell über eine Sandbahn mit sehr tiefen Sand, aber weil ich vom Meer komme, fällt mir das nicht schwer. Die nächste Aufgabe ist die Hängebrücke. Sie sieht alles andere als stabil aus. Ich blicke nochmal zu den Prinzen und sehe, dass sich jetzt auch Valorac und Rasvan hinzugesellt haben. Das schadenfreudige Grinsen der Beiden gefällt mir ganz und gar nicht. Langsam betrete ich die Brücke. Sie ist circa sieben Meter über dem Boden und ein ungünstiger Aufprall könnte tödlich enden. Es ist sehr wackelig und ich muss mich sehr konzentrieren, dass ich das Gleichgewicht halte. In der Mitte mache ich eine kleine Verschnaufpause. Die Hälfte ist geschafft. Doch beim nächsten Schritt passiert es. Die Holzlatte bricht und ich stürze nach unten. Den Aufprall bekomme ich gar nicht mehr mit, denn die Dunkelheit ergreift Besitz von mir.

[Am nächsten Morgen]

,,Wie konntest du ihr das nur antun?! Sie hätte sterben können!"
,,Sie hätte es verdient, nach dem, was sie mir angetan hat. Valorac sieht das genauso!"
,,Sie kann doch nichts dafür!"
,,Sie hätte es mir sagen müssen!"
,,Du hast es gegen ihren Willen getan und vielleicht wusste sie selbst nicht mal über ihr Blut Bescheid!"
Das Zischen zweier wütender Stimmen weckt mich. Lucian steht zusammen mit Rasvan vor meinem Bett. Aber ich bin nicht in meinem Zimmer, sondern in einem hellem Raum, der seltsam riecht. Ich rege mich und stöhne sofort vor Schmerz auf. Mein Schädel wiegt mindestens eine Tonne, gefüllt mit lauter spitzen Nägeln. Mein linkes Handgelenk ist eingegipst und an meinem rechten Fuß spüre ich einen Verband. Als ich seufze, fährt mir ein stechender Schmerz durch die Brust. Wahrscheinlich habe ich mir eine Rippe geprellt, wenn nicht sogar gebrochen.
,,Ravyn!" Lucian hastet zu mir und beugt sich über mich. Eine schwarze Haarsträhne hat sich aus seinen gestylten Haaren gelöst und hängt jetzt in seinem wunderschönen Gesicht.
,,Wie geht es dir?", haucht er und Rasvan schnaubt abfällig.
,,Aua", wimmere ich.
,,Schsch!", beruhigt mich Lucian, ,,Es wird alles gut. Du wurdest von Sigi versorgt und alles wird heilen."
Rasvan rollt wütend die Augen, bevor endlich mein Zimmer verlässt.
,,Was ist passiert? Wer ist Sigi", frage ich Lucian, der sich auf die Bettkante setzt.
,,Du bist bei der Hängebrücke eingebrochen und zu Boden gestürzt. Wir sind sofort zu dir, um dich aufzufangen, aber selbst unsere Vampirschnelligkeit hat es nicht geschafft und du bist zu Boden gestürzt. Und Sigi ist die Heilerin" Er lächelt traurig und schuldbewusst. Seine Hand nimmt meine unverletzte.
,,Wer ist 'wir'?"
,,Aladar und ich."

Die Blutprinzessin (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt