Arroganz

Kapitel 9

Wir kommen bei mir an und ich erblicke in meinem Zimmer Saliha. Ich kenne sie seit gut über zehn Jahren, unsere Brüder und Eltern auch, daher gehört sie praktisch zur Familie. "Los! Ich will alles hören!" Ich seufze und fange an zu erzählen. Anfangs lachten sie, wegen der Sache mit dem Gorilla, aber dann beleidigten sie ihn, als er das mit der Jungfräulichkeit sagte, fingen aber wieder an zu lachen und zu feiern, als ich ihn geschlagen habe. Nach der ganzen Erzählung schauen mich alle drei grinsend an. "Denkt ihr, das wird irgendwann enden?" Mag sein, dass ich gerade übertreibe, aber ich glaube nicht, dass wir es bei diesem einen Streit belassen. "Weiß ich nicht, aber wenn dann wird das dauern. Ihr werdet zusammenkommen", grinst Viyan. Gott, bitte nicht das schon wieder. Niemals würde ich mit so einem überheblichen und dämlichen Arsch zusammenkommen wollen. Ich habe etwas Besseres verdient. "Lasst uns essen, meine Mama hat Pell gemacht." Viyan und Saliha springen wie zwei Tiere in die Küche, weil sie das Pell meiner Mutter lieben. Mehrere Stunden später gehen auch alle wieder und in genau sieben Minuten läuft Grey's Anatomy. Ich snappe meinen Freunden zurück und bemerke, dass mich jemand geaddet hat. Ramazan? Wie konnte der mich adden, wenn weder ich, noch er nach dem Namen gefragt haben? Verwirrt nehme ich ihn an. Nach ungefähr zwei Minuten snapt er mich schon an. Ein Bild von ihm, wo er seinen Hintern rausstreckt und Naa? drauf geschrieben hat.

'Wie hast du mich gefunden?', frage ich.

'Bei Snapchat gibt es doch dieses "in der Nähe" adden, so habe ich dich gefunden.'

'Stalker', ist das Einzige, was ich schreibe.

Grey's Anatomy läuft in zwei Minuten, deswegen mache ich es mir gemütlich und singe den Titelsong im Kopf schon vor. Hin und wieder rege ich mich auf und schaue gespannt bei den Operationen zu. Wenn ich Shepherd sehe, muss ich an Can und unsere erste Biologiestunde denken. Nervus Vagus. Der Idiot dachte wirklich, ich könnte nichts. Wird er jemals aus seiner Naivität lernen? Und wird er jemals normal sein? Sein Verhalten ist so komisch. Es verändert sich so schnell. Eine Minute ist er wütend und eine Minute danach lacht er munter. Wir haben jetzt 22:43 Uhr, meine Kleidung ist schon bereitgelegt worden, Zähne geputzt und nun liege ich im Bett und snappe Cathleen, Viyan, Saliha, Ramazan und noch anderen zurück.

'Was ist jetzt überhaupt mit dir und Gorilla?', fragt Ramazan.

'Nichts, der Junge regt einfach nur auf.'

'Er ist ja auch nicht ich', schreibt er und grinst schelmisch auf dem Bild. Ich schicke ihm lediglich ein Foto meines Mittelfingers, bevor ich schlafen gehe.

Angekommen an der Schule sehe ich Viyan. Cathleen müsste gleich kommen und Saliha kommt wahrscheinlich morgen erst. Sie erzählt mir ein Gerücht, was sie über Aleyna herausgefunden hat. Wir sind eine Tratsch-Clique und schon damals auf der Realschule war es so, aber dort gab es auch viele Menschen, die sehr schäbig waren, also was soll's? "Sie soll sich angeblich mit einem Mädchen geschlagen haben, wegen Can", erzählt mir Viyan. "Ist das Mädchen gestört? Wieso merkt sie nicht, dass das eine reine Verarsche ist?" "Zu naiv halt", meint Viyan augenverdrehend. "Was geht, Bitches!", kommt es lachend von Cathleen, als sie auf uns stößt. "Die größte Bitch steht vor uns", kontere ich lachend. "Neid", sagt Cathleen eingebildet und zwirbelt ihre braune Haarsträhne. Es klingelt. Das heißt wir haben Mathe. Ich hasse Mathe. Bis jetzt habe ich keinen der Jungs gesehen. Und das Gefühl, dass etwas passieren wird, ist wieder da, nur noch stärker. Hoffentlich gewinne ich wieder, damit ich es Can wieder unter seine Nase reiben kann. Blödes und arrogantes Arschloch, pah! In Mathe sitze ich neben Malik, weswegen ich dankbar bin, denn er ist ein Mathegenie. Dank ihm bleibe ich nicht sitzen. Trotzdem kann ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren. Irgendwas wird passieren, ich muss aufpassen! Das ist doch nicht normal, dass ich das spüre. Ich drehe mich langsam zur Seite und sehe, wie zwei hellbraun, schon fast gelbe Augen mich durchbohren und auf einmal diabolisch aufblitzen. Ja, heute wird etwas passieren. Ich lasse mir nichts anmerken und zeige ihm falsch lächelnd den Mittelfinger. Ehe ich mich versehe, sind auch schon zwei Stunden Mathe vorbei. Niemals sind jetzt zwei Stunden um! "Malik, sind die beiden Stunden um?", frage ich entrüstet. "Ja, wir haben doch die ganzen Aufgaben bekommen." Ich schaue auf mein Blatt und sehe, dass ich mehrere Aufgaben bearbeitet habe. Aber wieso ging das alles so schnell? Das verspricht nichts Gutes!

Die Pausen, sowie die zwei Stunden Spanisch und eine Stunde Deutsch sind mir zu schnell vergangen. Warum sollte er mir was tun? Den ganzen Tag über ist er ruhig geblieben. Warum sollte er was machen und wo ist Ramazan? Sonst ist er immer da und begleitet mich zu Bio. Ich musste anderen hinterherschleichen, um den Raum zu finden. Erfolgreich komme ich an meinem Ziel an und sehe wie Can mit zwei Mädchen redet, sie mit seinem Blicken schon fast auszieht. Und die Mädchen? Die kichern über jede Silbe, die aus seinem Mund kommt. Irgendwann kommt da Scheiße raus. Nein, da kommt schon permanent Scheiße aus seinem Mund. Ich lehne mich an die Wand gegenüber den Dreien an und schaue auf die Wand parallel zu mir, bis auf einmal die zwei Mädchen, die mit Can reden, zu mir gucken und lachen. Can zieht die Augenbrauen lachend hoch. Nein, doch nur eine. Ich schaue sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Was lacht ihr so?", frage ich bissig. Was lachen die auch so? Purer Hass. "Nichts, nichts", sagt das braunhaarige Mädchen, welches ich zum ersten Mal hier sehe. "Dann lach nicht!" Dieser Junge versucht mich zu reizen. Das Mädchen dreht sich schnell und verdutzt um, und die Lehrerin kommt, um die Tür aufzuschließen. Ich laufe rein, dicht gefolgt von Can und höre wie er leise lacht. Ich hoffe, du erstickst irgendwie beim Lachen! Wieso lacht er jetzt? Wo ist der Witz? Jetzt fällt mir wieder mein mulmiges Bauchgefühl ein. Noch drei Stunden, dann ist der Tag vorbei hier, das packe ich schon! So Gott es will, vergehen auch diese zwei Stunden wie zwei Minuten, genau wie der Kunstunterricht. Trotzdem habe ich mich konzentrieren können. Wo ist Ramazan? Ich frag ihn einfach später auf Snapchat. Der Unterricht ist vorbei, also zücke ich mein Handy auf dem Weg zur Haltestelle, beachte dabei nur mein Handy.

'Wo warst du heute?' Ich sperre mein Handy, laufe weiter und höre dabei Musik. Doch nichts passiert.

Ich schmunzele bei diesem Gedanken, bis ich in die Ecke bei Netto gezogen werde. Ich will ausholen um der Person eine zu scheuern - aus Reflex -, aber die Person nimmt meine Hand und drückt sie runter. Can, das Schicksal hat die Seiten gewechselt. "Was willst du?", rufe ich aggressiv. Was ist das für ein Psycho, dass er mich in eine Ecke zieht? "Nicht in diesem Ton, Shana!", sagt er lachend. Ich verstehe immer noch nicht was so witzig sein soll. "Bist du krank, dass du mich einfach wegziehst? Lass mich los, mein Bus kommt gleich!" Er regt mich so auf! "Nein." Will der mich verarschen?! "Junge, lass mich los, du psychisch Gestörter!", sage ich lauter und versuche seine große Hand von meinem Unterarm zu lösen, ohne Erfolg. Sein Blick versteinert sich. Wieso kommt keiner hier hin? "Das wird dir nichts bringen", sagt er belustigt. Er war doch gerade noch in einer anderen Laune. "Du regst mich auf!", herrsche ich ihn an. Wieso lächelt er die ganze Zeit?! "Gleiche rege ich was anderes bei dir", raunt er und zwinkert dabei. Warte, er meint doch nicht im sexuellen Sinne? Ich will mit der anderen Hand ausholen, doch diese hält er gezielt auf, Mistkerl. "Wag es nicht, mich zu schlagen!", zischt er bedrohlich und kommt mir näher. Wie schnell sich seine Stimmung doch ändern kann. "Und was wenn doch?" Herausfordernd schaue ich ihn an. Zurückschlagen würde er nicht - glaube ich zumindest. Obwohl er ziemlich bedrohlich wirkt mit seiner Größe und seiner Breite. "Du redest ziemlich groß, für deine Maße", gibt er schmunzelnd zurück. Macht er sich gerade ernsthaft über meine Größe lustig? Wenn er keine menschliche Leiter wäre, würde er es anders sehen. "Lass mich jetzt endlich los, mein Bus kommt jeden Moment!" "Und was, wenn nicht?" Nun guckt er mich herausfordernd an, Nachmacher.

"Dann schreie ich." Was Besseres ist mir nicht eingefallen. Toll, Shana!