Epilog

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LOUIS

"You're in love with a fantasy."

"I'm in love with you."

31. Dezember 2016

„Merci, Monsieur Perdu.", ich nahm die Zeitung und den Kaffee zum Mitnehmen, wie jeden Tag, seit ich in Paris lebte. Der einzige Unterschied war, dass es von Tag zu Tag kälter wurde. Als ich aus der kleinen Bäckerei heraustrat, zog ich meinen Mantel enger. Er war schwarz und schlicht. Auch wenn ich die Erfahrung gemacht hatte, dass niemand dich erkannte, wenn alle für dich tot hielten, wollte ich so wenig wie möglich auffallen.

Eleanor und ich gingen nur in der Nacht zusammen raus. Doch ich hatte schnell gemerkt, dass Paris bei Nacht noch viel schöner war als tagsüber. Es fehlten die Autos und der Lärm. Man hatte Zeit sich auf die schönen Seiten der Stadt zu konzentrieren. Die Bauten, die Lichter, das Wasser. Meist verschliefen wir den halben Tag und verbrachten stattdessen die ganze Nacht zusammen und unterwegs. Ich hatte lange nach einer Beschreibung des Gefühls gesucht, wenn ich mit Eleanor nachts um die Häuser zog.

Glücklich. Es war mir so leicht über die Lippen gerutscht, dass ich es lange gar nicht glauben konnte. Ich war glücklich. Es war nicht diese Art von Freude, die mit einem guten Ereignis einhergeht, auch nicht diese Euphorie, wenn alles gerade in einem Moment perfekt ist. Es war eher eine durchgehende Zufriedenheit, die mich glauben ließ, dass es immer so sein sollte. Und immer so sein würde. Ich sah den nebligen Atem vor mir und machte mich auf den Weg in unser kleines Appartement am Rande der Innenstadt. Es war klein, nur zwei Zimmer, eine kleine Küche und ein etwas größeres Badezimmer mit einer Badewanne. Und doch hatte ich mich nach zwei Monaten schon mehr zu Hause gefühlt, als ich es jemals in eine meiner Luxusvillen getan hatte. Aber vielleicht lag es auch einfach an Eleanor. Sie war bei mir, wann ich wollte.

Keine langen Flüge oder wochenlange Trennungen, die uns voneinander entfernten. Es gab nur uns beide und die Zeit zwischen uns. Wenn wir etwas Abstand voneinander brauchten, ging sie in ein Hotel, doch spätestens nach zwei Tagen, kam sie zurück. Denn wir brauchten nichts zum Leben als einander. Ich erreichte den Supermarkt, in dem ich noch einige Lebensmittel für heute Abend einkaufen wollte. Es war Silvester und der ganze Supermarkt war gefüllt mit zu vielen Menschen, die in den letzten Stunden noch ihren restlichen Einkauf erledigen wollten, bevor die Geschäfte zu machten. Ich drängte mich durch und sammelte die Sachen, die Eleanor mir aufgeschrieben hatte zusammen. Der Geräuschpegel war fast unerträglich. Obwohl ich wesentlich entspannter geworden war, machten mich große Menschenmengen immer noch depressiv. Ich ertrug es nicht gut. Leicht gestresst, machte ich mich auf den Weg zur Kasse, meinen Korb fest umklammert. Ich reihte mich in der Schlange ein und wartete ungeduldig. Währenddessen ging mein Blick unruhig umher.

Bis er an etwas hängen blieb. Ich beugte mich runter und nahm eines der Klatschmagazine heraus. Es war natürlich in Französisch und meine Sprachkenntnisse begannen gerade erst sich zu entwickeln. Dennoch verstand ich, was dort auf der Titelseite gezeigt wurde. Sophia war schwanger. Sanft strich über das Papier, wo ihr Babybauch abgebildet war. Ich blätterte durch die Zeitschrift bis ich den besagten Artikel gefunden hatte. Ich blätterte eine Seite weiter und entdeckte Harry. Es war offenbar ein Foto, was auf der Straße aufgenommen wurde.

An seiner Hand entdeckte ich Meggie. Sie bahnten sich offenbar einen Weg durch die Fotografen. Denn sie sahen beide auf den Boden. Und sie lächelten. Es war fast als würde ein großer Stein, von dem ich nicht gewusst hatte, dass er da war, von meinem Herzen rollen. Sie waren glücklich. Ich musste mir keine Sorgen mehr über Harry machen. Er würde zurechtkommen. Am liebsten hätte ich Meggie auf dem Blatt Papier abgeknutscht, aber das hätte nur die Aufmerksamkeit der andren Menschen im Supermarkt auf mich gezogen.

Schnell bezahlte ich an der Kasse und machte mich mit dem Magazin in der Hand auf den Weg nach Hause.

„Eleanor? Rate mal, was für tolle Nachrichten ich habe." „Ich hoffe sie sind großartig!" Eleanor lugte aus der Küche raus mit einem Kochlöffel in der Hand.

Ich gab ihr einen Kuss bevor ich ihr ihr den Artikel unter die Nase hielt.

„Sophia ist schwanger." Eleanor sah mich kurz an, dann brach sie in Gelächter aus. Ich machte einen gespielten Schmollmund. „Was ist so witzig?"

„Nichts. Es ist nur: Sophia hat vor einer halben Stunde angerufen und die frohe Botschaft verkündet und hat mir ein frohes neues Jahr gewünscht. Sie ist schon im dritten Monat, aber sie haben gewartet mit der Verkündung bis alles in Ordnung ist." Eleanor wandte sich wieder den Kochtöpfen zu, während ich die Lebensmittel ausräumte. Wir schwiegen einträchtig, bis Eleanor zögernd die Stimme erhob. „Übrigens ist da ein Brief gekommen. Für dich." Alles spannte sich in mir an. „Es war der Name, der auf deinem neuen Pass steht. Aber..." Eleanor sah mich kurz an. Dann wandte sie sich wieder um. Ich wusste, was sie meinte. Ich hatte nirgends meine Adresse angegeben. Selbst, wenn ich mich ausweisen musste, wobei ich immer meinen unglaublich gut gefälschten Pass benutzt hatte, hatte ich immer ein Postfach angegeben.

„Ich habe ihn dir ins Wohnzimmer gelegt." Ich nickte und bewegte mich langsam in Richtung Couch. Ich nahm den Brief in die Hand. Die Handschrift erkannte ich nicht. Ich riss ihn auf und heraus fielen zwei Blätter. Das eine war eine offizielle Weihnachtsgrußkarte, das andere ein handbeschriebenes Papier.

Happy Birthday, Merry Christmas and a Happy New Year!

Komm zurück, wenn du bereit bist.

All the Love,

Meggie

Ich starrte eine gefühlte Ewigkeit hinauf. Meggie wusste es. Ich konnte nicht erklären, wie sie es herausgefunden hatte und warum sie es offenbar für sich behielt. Das stand außer Frage, denn weder Harry noch meine Mutter hatten vor der Tür gestanden, um mir einen kräftigen Faustschlag zu verpassen. Mich überkam eine Welle der Zuneigung gegenüber Meggie. Sie ließ mir die Wahl. Auch wenn es verdammt schwer für sie sein musste, nichts zu sagen. Wieder einmal war ich so unglaublich dankbar, dass ich sie getroffen hatte. Doch bat sie mich, auf zurückhaltende Weise zurückzukehren. Aber ich konnte nicht. Jedenfalls noch nicht. Vielleicht irgendwann in ein paar Jahren...

Eleanors Stimme riss mich aus meine Starre.

„Das Essen ist fertig." Friedlich aßen wir zusammen. Danach nahmen wir eine Badewanne, schauten einen Film und bereiteten uns auf Silvester vor. Irgendwann kurz vor elf kuschelte sich Eleanor an mich und wisperte mir ins Ohr: „Ich weiß ich habe gesagt, ich will heute nicht rausgehen, aber eigentlich will ich doch gerne das Feuerwerk sehen." Ich wandte mich zu ihr und musste ich breit grinsen. „Na dann, lass uns das Feuerwerk sehen." Wir spazierten durch die Straßen. Die schon gezündeten Feuerwerkskörper ließen die Straßen im Rauch verschwinden. Leichte, silberne Nebelschwaden, die uns umgaben.

Irgendwann erreichten wir eine Brücke und als um Mitternacht die Ballerei losging, betrachtete Eleanor voller kindlicher Freude all die verschieden Lichter, während sie bei jedem besonders lauten Knall leicht zusammenzuckte.

Ob dieses Leben für immer wären würde, wusste ich nicht. Ich dachte an die Möglichkeit, die Meggie mir mit ihrer Bitte eröffnete. Vielleicht war es genau das, wonach ich gesucht hatte: einen Ausweg.

Aber jetzt gerade in diesem Moment fühlte es sich, wie die richtige Entscheidung an. Denn ich hatte eine Wahl. Und jetzt gerade entschied ich mich für Eleanor.

Ich betrachtete sie.

Sie war wunderschön.

Ich war verliebt.

Wir waren in Paris.

Zusammen.

BROKEN SCENE / H. S.Where stories live. Discover now