Kapitel 20

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"Danke, übrigens", meint Noah nach einem Moment Stille. Inzwischen sitzen wir zwei allein im Flur, an der Wand gelehnt und die Beine ausgestreckt. Wir müssten bald in Birmingham ankommen.

"Wofür"?

"Dass ihr mich mitnehmt. Ich hatte schon länger vor, zu meinen Großeltern zu ziehen, doch ich wäre nie dort hin gekommen. Meine Großeltern besitzen kein Auto und für einen Zug oder Bus hatte ich nicht genug Geld", erklärt Noah und starrt auf seine Füße.

"Nein ich danke dir. Ohne dich hätte ich gar nicht erst hier her gefunden". Noah wirft mir ein Grinsen zu, welches ich erwidere.

"Was ist da eigentlich vorgefallen zwischen diesem Jared und dir. So ganz kapier ich das nicht. Erst ignoriert er dich und du ihn. Dann verschwindet er, kehrt wieder und alles ist normal. Aber du versuchst ihm aus dem Weg zu gehen, auch wenn ich dir ansehe, dass du dies eigentlich nicht willst. Ich hab so ein Gespür dafür", erklärt Noah und sieht mir in die Augen. Ich fahre herum und blicke Noah mit aufgerissenen Augen an.

"He, hör auf mich so dumm anzuschauen. Es ist doch die Wahrheit", den letzten Teil murmelt Noah.

"Wow, dass solche Worte jemals deinen Mund verlassen, hätte ich nicht gedacht".

"Haha, na danke", schmollt Noah und wendet sich von mir ab.

"Naaw, nicht böse sein, Noahleinchen", grinse ich und wuschele ihm durchs Haar.

"Tut mir leid, dass ich euer höchst intelligentes Gespräch unterbrechen muss, aber wir sind da", erklingt Jareds Stimme plötzlich über mir. Mit einem 'Oh', stehe ich auf, Noah tut es mir gleich. Jared hat seine Lippen zusammen gepresst, seine Stirn gerunzelt und er sieht mich wieder mit diesem unergründlichen Blick an, als würde er mir etwas sagen wollen. Ich weiß, es ist absurd. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Soll ich ihn darauf ansprechen?

"Kommt ihr jetzt mal", fragt Noah, während er schon das Wohnmobil verlässt. Ich setzte mich in Bewegung und als ich schon fast an Jared vorbei bin, umklammert er mein Handgelenk. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus und mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb.

Langsam drehe ich mich zu ihm. Ich starre auf seine Hand, die mein Handgelenk festhält, als hätte er Angst, dass ich jede Sekunde davon laufen würde.

"Dakota", nuschelt Jared, ich lenke meinen Blick zu seinen Augen.

"Der Kuss", beginnt er mit zitteriger Stimme. '... war ein Fehler', beendet seine imaginäre Stimme in meinen Kopf den Satz, exakt die gleichen Worte, die er zu mir gesagt hat. Wieder steigen mir Tränen in die Augen. "Ich will das nicht noch einmal hören. I-ich kann das nicht noch einmal hören, was das doch für ein Fehler für dich gewesen ist", sage ich, bevor er seinen Satz beenden kann. Ich reiße mich von ihm los und stürme aus dem Wohnmobil. Nicht heulen, nicht heulen, nicht heu-... Meine Gedanken werden unterbrochen als Jared meinen Namen ruft. Ich ignoriere ihn und haste an meinen Freunden vorbei, den Weg Richtung Wald entlang. Wir haben wieder auf einen Campingplatz gehalten, der direkt neben einen Wald liegt. Als ich mich an einen Baum hinunter gleiten lasse, fällt mir auf, dass die Sonne bereits auf geht.

Mir ist unendlich kalt, aber ich werde jetzt nicht zurück gehen. Ich bin manchmal echt zu stur. Meine Halsschmerzen setzten langsam wieder ein. Und ich dachte ich wäre diese dumme Erkältung los geworden.

Nach etwa einer Stunde mache ich mich auf den Weg zurück zum Wohnmobil. Und zum ersten Mal kommt mir der Gedanke ob ich vielleicht ein wenig übertrieben habe. Vielleicht wollte Jared ja auch etwas ganz anderes sagen? Vielleicht, dass ihm der Kuss gefallen hat. So wie mir.

Wieso stellt Jared mein Leben auf den Kopf? Ich wollte nach dem Tod meiner Eltern doch nur ein ganz normales Leben.

Vor mir erscheint der Parkplatz mit unserem Wohnmobil. Der Parkplatz ist komplett von Wald umrundet, es gibt nicht so einen schönen Ausblick wie in Bristol. Ich ergreife die Türklinke des Wohnmobils und drücke sie herunter. Die Tür bleibt zu. Nachdem ich geklopft habe, wird die Tür von Josh geöffnet. Seine Augen weiten sich und im nächsten Moment liege ich in seinen Armen.

"Wo warst du? Was ist los mit dir, du kannst mir nicht sagen, dass alles in Ordnung ist", plappert Josh drauf los. Ich befreie mich aus seiner Umarmung und dränge mich an ihm vorbei. Mein Blick fällt auf Liam und Noah, die konzentriert auf den Fernseher starren, wo gerade Spongebob läuft.

Ich kann mir ein kurzes Kichern nicht verkneifen. Die Köpfe der beiden neigen sich in meine Richtung. Noah springt sofort auf und fällt mir um den Hals. "Oh Gott, endlich bist du da! Deine Freunde waren kurz davor mich rauszuschmeißen", erzählt Noah und deutet auf den Glastisch, auf dessen Oberfläche jetzt ein großer Riss thront.

"Hey Dakota, wo warst du", fragt Liam und sieht mich vom Sofa aus fragend an. "Spazieren", antworte ich ausweichend.

"Ich glaube ich gehe jetzt ins Bett, bis später". Die drei nicken mir gleichzeitig zu, worauf ich in den Schlafraum klettere. Jared und Luna liegen jeweils in einem Doppelbett, beide haben die Augen zu. Da nur noch das Doppelbett am Fenster frei ist, lege ich mich hinauf, nachdem ich mir bequeme Sachen angezogen habe. Es dauert eine ganze Weile bis ich eingeschlafen bin.

Als ich das nächste Mal aufwache, durchfluten die Sonnenstrahlen den Schlafraum. Meine Halsschmerzen sind stärker geworden und ich kriege kaum Luft durch die Nase. Ich werfe einen Blick auf die Uhr an der Wand. 9.42 Uhr.

Nachdem ich meine Morgenroutine vollbracht hatte und mir einen Schal umgebunden habe, setze ich mich, mit einem Apfel bewaffnet, zu Damian an den Frühstückstisch.

"Ich frage besser nicht wo du gestern warst hm"?

"Nein, besser nicht", nuschele ich und lehne meinen pochenden Kopf an Damians Schulter.

"Bitte laufe beim nächsten Mal nicht vor deinen Problemen weg, erst recht nicht, wenn dieses Problem Jared heißt".

"Mhhh", gebe ich gedehnt von mir.

"Du bist echt kompliziert. Ich gehe jetzt joggen", meint Damian und steht auf. Ich bette meinen Kopf auf dem Tisch.

"Sagt der, der den Mädchen, mit denen er schläft, eine falsche Handynummer gibt, nur damit sie ihn nicht weiter nerven". Das haben mir zumindest schon einige Mädchen erzählt. "Dann denke ich mal, ich habe deine richtige Handynummer, weil wir nicht, du weißt schon", füge ich noch spaßeshalber hinzu. Damian, der gerade dabei war das Wohnmobil zu verlassen, hält inne und dreht sich grinsend zu mir.

"Weil wir nicht miteinander geschlafen haben? Was nicht ist, kann ja noch werden", grinst Damian und zwinkert mir zu. Ich weiß natürlich, dass er nur Spaß macht.

"Ehh Damian, du Perversling. Los, geh jetzt joggen, das hast du eh nötig", lache ich. Mit einem "Pff" verlässt er das Wohnmobil und schließt die Tür hinter sich.

Kaum habe ich meinen Apfel weggeschmissen, betritt Jared den Raum.

Unter freiem HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt