6

5.8K 353 32
                                    

Sunil

Einige Tage nach der Ankunft von Amira hatte sie es schon geschafft sich auf dem Hof berüchtigt zu machen. Und dies machte mich noch misstrauischer. Die Gerüchteküche brodelte wie verrückt und ich wusste, dass man nicht alles ernst nehmen soll, doch da ich ihr sowieso nicht traute, machten die Gerüchte auf dem Hof mich aufmerksam.

Heute Morgen hatte ich gewisse Gerüchte bei zwei Stallburschen aufgeschnappt und ich machte mir seither grosse Sorgen um die Sicherheit des Prinzen. Es hiess, dass Amira lebende Schlangen um den Leib trug und sie Verbrennungen in Form einer Blüte hatte. Es liess mich aufhorchen, denn der Prinz war in Gefahr wegen Amira, solange niemand wusste, was wirklich hinter den Gerüchten steckte.

Mir war Kian nicht nur als Prinz und Arbeitgeber wichtig, sondern weil er auch seit langem mein Freund war. Er hatte mich einmal vor Banditen, und somit vor dem Verderben gerettet, und mich wie ein Bruder aufgenommen. Wir standen vieles zusammen durch, lernten zusammen kämpfen und wurden zusammen unterrichtet. Seither hatte ich mir geschworen, ihn von allen Gefahren zu beschützen und mich als Leibwächter gemeldet.

Auch wenn Kian öfters anderer Meinung war als ich gab es immer ein gegenseitiges Einverständnis, doch wenn es um Amira ging, stellte er sich stur. Seit heute morgen hatte ich schon einige Male versucht ihm zu sagen, dass er wegen Amira nicht sicher sei, doch er schüttelte nur den Kopf und beachtete mich nicht mehr.

Also musste ich die Stricke selbst in die Hande nehmen. Ich wollte Amira zur Rede stellen. Es ging so nicht weiter.

Ich ging mit raschen Schritten zum Zimmer von Orina, der Leiterin der Wäscherei. Sie sollte mir Amira bringen.

Als ich in das Schreibzimmer der Wäscheleitung eintrat, schaute Orina überrascht und machte einen Knicks:"Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte sie.

"Ich würde gerne mit einer neuen Arbeiterin von dir sprechen. Amira heisst sie.", antwortete ich befehlerisch.

"Aber sicher! Ich werde sie gleich holen.", meinte sie etwas verwirrt, "Darf ich fragen, worum es geht?"

"Nein!", herrschte ich sie an. Sie tat mir etwas leid, doch sonst könnte ich nie irgendetwas erreichen.

Mit gesenktem Kopf rauschte sie an mir vorbei aus dem Zimmer. Während ich wartete, schaute ich mich im Zimmer um.

Es war ziemlich klein und war durch einen Vorhang abgetrennt. Ich schaute hinter den Vorhang, um mich zu vergewissern, dass niemand sonst hier war. Auf der anderen Seite des Zimmers war ein Schreibtisch, der nur mit Blättern überquoll.

Plötzlich hörte ich rasche Schritte auf dem Flur draussen und ich spannte schon meinen trainierten Körper an, als Orina mit Amira eintrat.

Sie sah verschwitzt und kränklich aus. Ihre Augen schauten mich überfordert an und einige Haare schauten unter ihrer ansonsten sorgfältig gewickelten Niquab hervor.

"Könnte ich einen Moment alleine mit Amira sein?", fragte ich Orina, mehr als Aufforderung als Frage, und liess dabei Amira nicht aus den Augen.

Sie bemerkte es und straffte ihre Haltung und versuchte, aus der Situation schlau zu werden.

Verwirrt trat Orina aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Amira beobachtete mich genau, genauso wie ich sie. Wir starrten uns lange an, wartend, was der Andere tun würde. Ich zuckte mit meinen Muskeln und sofort reagierte sie, indem sie ihre Hände unter die Burka steckte.

"So, Amira", eröffnete ich das Verhör. "Du fragst dich bestimmt, warum ich dich aufgesucht hatte." Ihre Haltung veränderte sich kaum merklich für ein normales Auge, doch ich war darauf geschult: Sie sah aus wie eine Katze, bereit zum Sprung.

Ihre AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt