Kapitel 26 Verzeih mir

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Kapitel 26

* *AMINA'S SICHT* *

Als Ibrahim mich abholte fragte er natürlich, warum ich nicht einfach bei mir schlief. Ich erklärte ihm kurz was geschah, aber den Teil mit Ilyass ließ ich absichtlich weg. "Jetzt verstehe ich warum Ilyass ihn hasst!", kam es aus meinem Bruder, der dann ein paar mal gegen das Lenkrad schlug. "Ist Baba noch wach?", fragte ich dann ernst. "Ich denke schon, warum?", stellte er die Gegenfrage. "Will ihm nicht begegnen.", antwortete ich dann gefühllos und versuchte somit meine Ängste und Unsicherheiten zu verbergen. "Amina, er ist immer noch dein Vater. Ihr solltet euch dringend mal aussprechen und zwar ohne Touria.", sagte dann Ibrahim. Touria war wohl der Name meiner Stiefmutter. "Ja, du hast Recht.", sagte ich dann zögernd und guckte nur aus der Fensterscheibe. Als wir ankamen parkte Ibrahim das Auto und wir stiegen aus. Er öffnete dann auch die Haustür und wir gingen rein.

Die zwei kleinen Mädchen vom letzten mal kamen sofort angerannt und umarmten Ibrahim. Ich musste schon zugeben, dass es einfach nur zuckersüß war."Wer ist das? Etwa deine Freundin?", fragten beide synchron. Er schüttelte belustigt den Kopf und kniete sich zu beiden runter. "Das ist Amina, eure große Schwester. Sie ist meine Zwillingsschwester und sie war eine lange Zeit weg.", antwortete Ibrahim dann in einem Kindergerechten Ton. "Wirklich?", fragte eine der beiden unglaubwürdig. "Ja.", antworte ich dann an Ibrahim's Stelle und kniete mich ebenfalls hin. Ich nahm die beiden einfach mal in den Arm, denn sie waren beide so unschuldig. Sie konnten ja nichts dafür, dass ich so schlecht behandelt wurde. Ich löste mich von den beiden und stand auf, Ibrahim machte es mir nach. "Jetzt geht aber ab ins Bett.", sagte dann Ibrahim wie ein guter großer Bruder.

"Baba müsste noch im Wohnzimmer sein.", sagte er an und ging dann auch in diese Richtung. Mein Herschlag wurde wieder schneller und ich wurde richtig nervös. Es  war für mich sehr schwer, ihm gegenüberzustehen. Zwischen uns stand noch so viel, was geklärt werden musste. Ich lief auch ins Wohnzimmer. Er saß genau gegenüber zur Tür und guckt mich mit seinen fast schwarzen Augen an. Unter seinen Augen hatte er dunkle Schatten und man konnte ihm ansehen, dass er nicht mehr der jüngste war. Die vielen weißen Haare auf seinem Kopf kamen, im Kontrast du den restlichen schwarzen Haaren, sehr zum Vorschein

"Asalam Alaykum.", sagte ich und setzte mich vorsichtig auf den Platz gegenüber von ihm, Ibrahim verließ in der Zwischenzeit das Wohnzimmer und zog die Tür hinter sich zu. Mein Vater und ich waren nun alleine und würden uns nun aussprechen. "Wa alaykum Salam. Wie geht's dir?", fragte mein Vater nach. "Alhamdulillah gut und selbst?",stellte ich dann die Gegenfrage. "Alhamdulillah. Amina, meine Tochter. Ich hatte lange Zeit nach zu denken und ich muss mich aus dem Herzen heraus entschuldigen. Was ich dir damals angetan habe tut mir so leid. Macj dein Haqq für mich Halal und verzeih mir im Diesseits und im Jenseits. Wenn ich Ilham und Nihad so angucke und mir nur vorstelle, ihnen zu tun, was ich dir getan habe, fängt mein Herz an zu bluten. Ich hatte so lange Zeit, etwas zu ändern, doch ich ließ dich, mein eigen Fleisch und Blut, im Heim und gründete eine neue Familie." erzählte mein Vater und verlor dabei Tränen. Sie liefen aus seinen Augen, über die leichten Falten an seinen Augenrändern und er wischte sie sofort weg. Mir kamen ebenfalls die Tränen, da ich niemand anderen weinen sehen konnte, vor allem nicht meinen Vater. Es war für mich neu, diese emotionale Seite an ihm kennenzulernen. Er weinte unerbittlich und ich konnte nicht einfach tatenlos Rum sitzen. Ich nahm ihn in den Arm, meinen eigenen Vater. Ich konnte mich nicht an unsere letzte Umarmun g erinnern. Meine Tränen wollten garnicht mehr aufhören, vorallem als er mich ebenfalls in die Umarmung zog. Ich weinte, aber ich weinte stumm, meine Seele weinte und trug den Schmerz in mir in Form von Tränen aus meinem Körper. Ich konnte nichts mehr an der Vergangenheit ändern! Ich sah wie er bereute und wenn Allah schon Allvergebend ist, wer bin ich dann, dass ich nicht vergeben kann. Ab diesem Tag ließ ich meine Vergangenheit hinter mir, denn es hieß ja immer, lass Vergangenes vergangen sein.

"Mein Haqq ist halal.", flüsterte ich unter Tränen! Als wir uns beide beruhigten redeten wir etwas. Er hatte mir erzählt, dass er sehr ernst mit Touria geredet hatte, wegen dem Vorfall von letztens. Sie gab zu, dass sie es war, die mich eingesperrt hatte, da sie eifersüchtig auf mich, was ich absolut nicht verstehen konnte. Ich war seine Tochter und nicht seine Ex-Frau. Ich ließ es einfach dabei. "Willst du eigentlich deine und Ibrahims Milchmutter sehen?", fragte mich mein Vater dann im Laufe des Gesprächs. Ich bejahte es, aber hätte ich es lieber gelassen, denn es brachte mir eine sehr lange Zeit nur Kummer. Es war die Schwester meiner Mutter, sie hatte ich lange nicht mehr gesehen und mein Vater erzählte mir, dass sie zu uns den Kontakt abgebrochen hat, als mein Vater mich wegschickte.

Wir redeten bis tief in dir Nacht, da wir uns so einiges zu erzählen hatten. "Ich muss dir noch etwas geben.", sagte dann mein Vater, als wir über meine Mutter redeten. Er stand auf und ging zu dem Wohnzimmerschrank. Er kramte in der hintersten Ecke des Schranken ein Fotoalbum heraus. Er setzte sich neben mich und blätterte ein paar Seiten herum.

"Hier!", sagte er und zeigte auf ein paar Bilder. Auf den Bildern waren eine junge, bildhübsche Frau und zwei kleine Babys. Meine Mutter, Ibrahim und Ich. "Eure Mutter war schwer krank. Sie hatte Krebs und wollte damals mit einer Chemotherapie angefangen, bis sie erfahren hat, dass sie schwanger ist und  Zwillinge bekommt. Die Chemotherapie wäre der Tod für unsere ungeborenen Babys und keine Chemo der sichere Tod eurer Mutter. Es gab tagelang Streit, wegen der Entscheidung. Ich hab eure Mutter so geliebt und konnte sie nicht einfach loslassen. Als ich etwa in deinen Alter war habe ich sie kennengelernt. Sie war so kühl und unerreichbar für mich, aber nach 2 Jahren haben wir dann endlich geheiratet, weil sie auch Interesse an mir hatte. Die genauere Geschichte kann ich dir wann anderes erzählen. Ich wollte natürlich nicht, dass sie stirbt, aber sie wollte auch nicht das ihre Babys sterben. Sie hat sich damals endgültig gegen eine Chemotherapie entschieden und ich musste es akzeptieren und sie dabei unterstützen. Das macht wahre Liebe aus. Einander bei allem zu unterstützen und die Bedürfnisse des anderen über seine eigenen zu stellen.
In der 36. Schwangerschaftswoche wurden du und Ibrahim per Kaiserschnitt geholt, da es ihr immer schlechter ging. Sie hat euch so unfassbar geliebt und hat darauf bestanden, dass sie und ihr Bilder zusammen macht. Sie wusste, dass sie nicht viel Zeit mit euch hatte und hat ihre eigene Schwester, die zum selben Zeitpunkt schwanger war, gebeten euch beide zu stillen. Das Kind eurer Tante ist an einem plötzlichen Kindstod gestorben und sie hat euch angesehen wie ihre eigenen Kinder. Sie hat euch gestillt, auf euch aufgepasst und versucht eine Mutter für euch zu sein. Eure Mutter hatte nur wenige Tage mit euch und ich war bei ihr als sie starb. Diese Bilder werde ich niemals vergessen. Sie lag da so hilflos und lächelte mich immer wieder an. Sie sagte mir ich solle nicht weinen, aber ich konnte damals nicht anders. Ich war die ganze Zeit mit ihr und hielt ihre Hand, bis ihre Seele ihren Körper verließ", mein Vater hielt kurz inne und ihm kamen dabei die Tränen.

Ich war während seiner ganzen Erzählung nur am weinen. Ich kannte die Geschichte garnicht so detailliert. Ich nahm meinen Vater in die Arme. "Alles wird gut.", versuchte ich ihn zu trösten, doch ich selbst war nur am weinen. Meine Mutter hat für Ibrahim und mich ihr Leben gelassen! "Sie wollte auch unbedingt, dass du Amina und Ibrahim, Ibrahim heißt. Sie sagte mir während ihrer letzten Minuten, ich solle gut auf euch aufpassen. Ihr letzter Wunsch, doch ich konnte ihm nicht nachkommen. Es tut mir so unfassbar Leid!", schluchzte mein Vater vor sich hin. Unser beider Herzen bluteten, während der Geschichte und bildeten eine riesige Lache voller Schmerz und Sehnsucht. Es bildete sich eine Stille zwischen uns. Nicht diese peinliche Stille, die es gab wenn es kein Gesprächsthema mehr gab. Es war eine Stille, in der wir beide verarbeiten mussten, was in den ganzen Jahren geschehen war.  Mein Vater schenkte mir das gesamte Fotoalbum und zeigte mir anschließend das Gästezimmer. Wir wollten wann anders weiter reden, da es viel zu spät war. Ich legte mich dort einfach ins Bett und fiel in einen Traumlosenschlaf. Der Tag war einfach viel zu anstrengend gewesen und mein Körper sehnte sich nach dieser Erholung.

Bitte schreibt mir zu dem Teil gerne eure Meinung. Sind die Emotionen gut rübergekommen?

Liebe auf Umwegen♡ أحبكWo Geschichten leben. Entdecke jetzt