Kapitel 1: Geständnis

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Ich raste den sandigen Waldweg und dann die wenigen Straßen bis zu meinem Haus in Rekordtempo entlang und schaffte es trotz Tränenschleier, nirgendwo gegen zu fahren.

Ich ließ mein Fahrrad achtlos auf unserer Auffahrt fallen und stürmte zur Haustür, die ich hinter mir zu donnerte und abschloss, obwohl er sowieso nicht reinkommen könnte.

Atemlos ließ ich mich gegen die Tür fallen und rutschte mit dem Rücken daran herab auf den Boden.

Meine Tränen strömten in Sturzbächen meine Wangen hinab und tropften auf meine dunkelblaue Jeans, doch es störte mich nicht.

Ich zog die Beine an meine Brust und vergrub mein Gesicht in meinen Knien.

Warum tat er das? Wieso machte er alles kaputt? Wieso?

Kein andere Gedanke konnte diesen zur Zeit beiseiteschieben und so saß ich ahnungslos und heulen auf dem kalten Fliesenboden in unserem Flur und hoffte, dass sich von selbst erklären würde. Irgendwie. Oder dass alles nur ein schlimmer Traum war.

"Meg?" Ich hob meinen Kopf und sah meine Schwester vor mir stehen und mich bestürzt angucken. "Was ist los?", fragte sie und ging vor mir in die Hocke.

Ich schniefte und wollte gerade zu etwas ansetzen, als es an der Tür klingelte.

Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf und schielte durch den Spion und sprang genauso schnell wieder zurück. "Mach bloß nicht auf", wies ich sie an und hastete zur Treppe.

"Wieso nicht?", fragte sie verwirrt und legte ihre Hand an die Klinke.

"Nein", bittete ich. "Bitte nicht!"

"Meg, kannst du mir vielleicht mal erklären, was hier los ist?", fragte sie und ließ die Klinke wieder los. Ich atmete erleichtert auf, doch da klingelte es abermals und Niklas rief: "Meg, mach auf! Ich weiß, dass du da bist."

Meine Augen weiteten sich vor Panik und sahen meine Schwester hilfesuchend an. "Wimmel ihn ab", flehte ich. "Mach, dass er verschwindet."

Sie sah noch verwirrter aus, als vorher, aber nickte langsam.

"Danke", flüsterte ich und sprintete die Treppe hinauf in mein Zimmer.

Ich hörte, wie Marie die Tür öffnete und Niklas irgendwas davon erzählte, dass es mir ziemlich schlecht ginge und es besser wäre, wenn ich meine Ruhe hätte.

Er wollte das nicht auf sich sitzen lassen und diskutierte mit ihr herum, bis sie ihm wohl einfach die Tür vor der Nase zuknallte.

"Ich hab dich lieb", sagte ich schniefend, als sie in mein Zimmer kam und sich zu mir aufs Bett setzte.

"Ich dich auch. Und deshalb will ich jetzt wissen, was da los ist zwischen euch." Sie reichte mir ein Taschentuch und ich putze mir geräuschvoll die Nase, bevor ich anfing zu erzählen. Obwohl, erzählen nennen konnte man das nicht wirklich. "Er liebt mich", sagte ich verzweifelt und brach schon wieder in Tränen aus.

"Oh nein, wie schlimm?" Sie betonte den Satz wie eine Frage und erntete dafür einen wütenden Blick meinerseits. "Du verstehst das nicht. Er LIEBT mich."

"Ja und?", fragte sie und begriff anscheinend nicht, dass das ganz und gar nicht toll war.

"Man, Marie! Er macht alles kaputt damit", rief ich und ein weiterer Schall Tränen strömten über meine Wangen.

"Oh", machte sie und schien allmählich zu begreifen, worauf ich hinaus wollte. "Scheiße."

Ich nickte und wischte die Tränen mit meinem Handrücken weg, doch sofort flossen neue nach.

Meine Güte, hörte das auch irgendwann mal wieder auf? Ich schniefte und starrte meine Bettwäsche an, deren Muster total verlaufen wirkte.

"Das wird schon, Maus", versuchte Marie mich zu trösten, doch es brachte nichts.

"Nein", schluchzte ich. "Er ruiniert unsere ganze Freundschaft! Was denkt er sich denn dabei? Dass ich mich freue und ihm um den Hals falle? Nein, bestimmt nicht!"

Sie blickte mich mitleidig an und strich sanft über meinen Arm. "Okay, wahrscheinlich hast du recht. Aber willst du ihm nicht vielleicht ein Chance geben?"

Ich sah sie entgeistert an. "Nein?! Er ist wie ein Bruder für mich. Stell dir vor, du bist mit deinem Bruder zusammen. Das ist widerlich." Ich meinte diese Worte noch nicht mal so hart, wie sie mir rausgerutscht waren. Ich musste nur irgendwie ausdrücken, wie wenig ich ihn als meinen Freund haben wollte. Als meinen festen Freund, meine ich.

Marie nickte trotzdem verständlich und nahm mich in den Arm. "Das wird bestimmt wieder werden", murmelte sie in mein Haar.

Zu gerne hätte ich ihren Worten Glauben geschenkt, doch ich wusste selber, dass nichts mehr so sein würde wie früher.

Ich würde ihn nicht mehr angucken und schon gar nicht mit ihm reden können, ohne zu wissen, dass er mich liebte. Auf mehr als freundschaftliche Weise.

Aber im Moment hatte ich nicht mehr die Kraft, ihr zu wiedersprechen. Ich war nur unglaublich froh, dass ich eine so wunderbare, große Schwester hatte, wie Marie. Sie kümmerte sich den restlichen Abend um mich, kochte mir Tee und brachte mir eine Wärmflasche gegen die Bauchschmerzen, die die ganze Situation verursachte. Und natürlich Schokolade mit Karamelfüllung, die aber nicht meine Laune verbesserte, wie sie es eigentlich sollte.

Ich schrieb meiner Freundin eine Nachricht und informierte sie über mein Drama. Dann schaltete ich mein Handy aus, weil ich es nicht schaffte, die ganzen Anrufe von Niklas nicht zu beachten und sie jedes Mal wieder eine Welle der Trauer und Wut in mir auslösten.

Irgendwann wurde es dunkel draußen und mit der Dunkelheit kam auch meine Müdigkeit, aber ich schaffte es nicht, einzuschlafen.

Niklas drei Worte verfolgten mich in meinen Gedanken und irgendwann auch in meinen Träumen.

Ich liebe dich...

Wieso musste er alles kaputt machen? Wieso?!

Auf den tausendsten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt