Schlafen

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Nico war so müde. Er wollte nur noch schlafen. Schlafen und vergessen.

New York im Winter war kalt. Kälter als erwartet.

Nico rollte sich zusammen. Er hatte sich an eine Hauswand gekauert, in seiner Hand war eine kleine Packung Gummibärchen.

Sein Magen knurrte nicht einmal mehr. Es fühlte sich an, als hätte jemand ein Loch darin gegraben, wo einmal sein Magen war.

Er vermisste Bianca, und er vermisste seine Mutter, und sogar seinen Vater.

Nico war schon seit drei Monaten auf der Straße, von Norden nach Süden nach Osten nach Westen mit leeren Taschen und einem Loch im Magen.

Er war so erschöpft. Er wollte nicht  mehr. Neben ihm lag eine Glasscherbe. Nico hob sie auf und krempelte seinen Ärmel zurück.

Er war so blass. Seine Adern standen blau hervor, so deutlich.

Nico drückte die Scherbe gegen seinen Arm, und schnitt.

Das war das erst Mal, das er im Krankenhaus war.

Die Ärzte und Krankenschwestern sahen ihn so mitleidig an, aber warum auch nicht? Er würde vermutlich den selben Ausdruck tragen, wenn er von sich hören würde.

Elf Jahre alt, versuchter Suizid in einer Gasse, stark untergewichtig.

Aber sie kannten nicht seinen Namen, er hatte ihnen den nicht gesagt.

Als es ihm besser ging kletterte er aus dem Fenster und verschwand.

Das zweite Mal war immer noch elf. Er war in Kalifornien und hatte sich eine Überdosis gegeben. Doch dieses Mal fand sein Vater ihn bevor er abhauen konnte.

Und er wurde in die Klinik geschickt. Dr. Brunner war ein alter Freund seines Vaters, nicht kriminell, sondern sie waren einmal Freunde gewesen.

Er war nett zu Nico.

Netter als die meisten.

Nico öffnete seine Augen und weiß war überall. Die Wände, das Bett, der Boden, das Licht.

Er stöhnte.

"Ah, du bist wach. Gut," sagte eine vertraute Stimme. Es war sein Vater.

Nico setzte sich auf, und sah ihn an.

Hayden hatte sich, für seine Verhältnisse, beinahe lässig angezogen.

Sein Anzug hatte kein Jackett.

"Hey Dad. Wie hast du geschlafen?", fragte Nico, und seine Augen gewöhnten sich langsam an die helle Umgebung.

"Vortrefflich, wenn auch nicht so lange wie du. Du warst drei Tage weg. Blondie und Drew machen sich wirklich Sorgen," antwortete sein Vater.

"Warum kannst du dir Drews Namen merken aber nicht Wills?"

Hayden lächelte leicht, was etwa so selten war wie Regen in der Wüste.

"Drew ist schon seit drei Jahren bei dir, Will ist seit...ein paar Tagen? Ich weiß nicht wirklich," überlegte der ältere Mann.

"Hey Dad," sagte Nico plötzlich.

"Ja?"

"Ich bin schwul."

Hayden lachte kurz auf. "Ich weiß Nico. Ruh dich aus, du hast immer noch viel Blut verloren."

Nico nickte und legte sich zurück, die Augen geschlossen.

'Normal' ist Relativ (Solangelo)Where stories live. Discover now