F O U R

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Hobbs ist bereits mit diesem für ihn typischen, siegessicheren Grinsen auf den Lippen vom Getümmel verschluckt worden, da stehe ich noch unschlüssig am Rand. Ich bin es gewohnt, dass mich wieder diese vertraute innere Unruhe überrollt, welche immer dann Besitz von mir ergreift, wenn ich mich großen, unüberschaubaren Menschentrauben gegenübersehe. Und der Umstand des Gezwungenwerdens, des unfreiwilligen Hineingeworfenwerdens verstärkt mein Unbehagen nur umso mehr.

Und wie immer, wenn das passiert, beginne ich auch jetzt wieder nervös auf meinen Fingernägeln herumzukauen. Mein unmittelbar zugängliches Allzweckberuhigungsmittelchen in Situationen wie diesen, in die ich irgendwie meinem Empfinden nach viel zu oft mit Vollgas hineinschlittere und die mich verflucht verloren und unerträglich unbeholfen fühlen lassen. Bevor ihr jetzt wegen dem Fingernägelknauen so einen Bullshit wie 'Igitt' oder 'Bäh' auskotzt, ich finde abgefressene Fingernägel selbst ziemlich unansehnlich und das Herumgekaue auch ziemlich unappetitlich anzusehen, aber so ist es nun mal, ich werde mich deswegen jetzt aus Rücksicht um euer Wohlbefinden bestimmt nicht mit dem Kopf voran in der Erde verbuddeln, vergesst es!

Ich versuche mich über den tosenden Lärm der Partygäste und dem aus den Lautsprechern ohrenbetäubend laut hämmernden Bass hinweg zu orientieren. Auf zwölf Uhr erspähe ich zum Glück gleich die Küche, die in den Essbereich mündet, welcher wiederum an den hinteren Bereich der ausladend großen Lobby angrenzt, und aus der gerade eine laut lachende Traube Mädchen wankt.

Mit unverhohlenem Spott stelle ich schnell fest, dass alle schon längst reif für den Ausnüchterungsschlaf sind - maybe erreiche ich gelegentlich auch diesen Punkt, doch in meinem Fall ist das selbstredend etwas vollkommen anderes -, und verspüre augenblicklich wieder diese tiefsitzende Frustration, die mich mit Vorliebe gerne überkommt, wenn diese abschreckend dauergutgelaunten Tussen meinen Weg kreuzen. Und man mag es kaum für möglich halten, aber auf den Fluren der juristischen Fakultät entpuppt sich jede Zweite als Angehörige dieser unausstehlichen Sorte Mädchen. Was auch immer die Juristerei ausstrahlt, sie zieht sie magnetisch an, als wäre sie selbst das Plus und jeder ihrer Schößlinge das obligatorische Minus.

Ich versuche mein bestmöglichstes, mich komplett unsichtbar zu machen, mich unauffällig an ihnen vorbeizuschieben. Aber natürlich war es nicht anders zu erwarten, dass ich Maya keinen Augenblick später unsanft mit der Schulter anremple. Und diese dreht sich auch sofort pikiert nach mir um, mich mit einem stechenden Blick fixierend.

Hätte ich mir auch gleich denken können, dass so etwas passiert, ich meine, schließlich ist mein Dasein eben leider genauso einfallsreich wie diese trashigen Teenieschrottfilme, die jeder kennt und jeder einfach nur zum Kotzen findet - naja, zumindest finden sollte.

"Was zum - Kannst du nicht aufpassen, wo du hin-", poltert sie los, aber ich sehe wie sich schon der Anflug von Erkennen in ihren großen himmelblauen Augen aufblitzt, wie sie mein Gesicht einem ihr allzuvertrauten Namen zuordnet. "Oh - hi, Stella."

"Hi", erwidere ich zähneknirschend und mache bereits, für meine Begriffe ziemlich auffällig und unmöglich zu übersehen, Anstalten, schleunigst die Kurve kratzen zu wollen.

"Was hat dich denn hierher verschlagen?"

Maya sieht mich mit vor Erstaunen geweiteten Augen an, als könnte sie es wirklich nicht fassen und bilde sich meine Anwesenheit nur ein, fast als wäre ich nur eine Fatamorgana. Tja, bedauerlicherweise nicht, ich bin es tatsächlich, die leibhaftige, überall dauerunwillkommene Stella.

Naja gut, um ehrlich zu sein ist es nicht unbedingt so, dass ich überall vollkommen unerwünscht wäre. Nein, eigentlich nicht, ich bin mir sogar sehr sicher, dass Maya mich jederzeit in ihren exklusiven Richkidsclub integrieren würde. Aber nicht, weil ich so unglaublich hübsch wäre, oder so einen unverwechselbar hippen Modegeschmack hätte, um den mich alle beneiden würden, sondern ganz allein nur aus dem subtilen Grund, dass mein Familienname in der juristischen Welt kein Unbekannter ist.

Blackshattered ▪ H.S. #everlight2k20Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt