2.Das Flammenmeer

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Tanzend lachte sie und stieß Freudenschreie aus. Sie tanzte um das kleine Feuerchen, das lichterloh brannte. Der Wind wirbelte ihre pechschwarzen Haare auf. Die Flammen tanzten genau wie sie. Die riesigen Bäume ragten in den Himmel empor, sodass man glaubte ihre Kronen würden diesen berühren und mit den Sternen plaudern.《RICARDO》, rief sie gen Himmel, 《kannst du mich sehen, kannst du mich hören, ich habe es getan, endlich habe ich mich getraut, endlich.》 Sie sprang und lachte. Ricardo müsste sie doch sehen müssen vom Himmel aus, aus dem Palast der Sterne, auf seinem Throne aus Galaxien und Sonnen. Ach, wie sie ihn vermisste. Seine Freundlichkeit und seine etwas andere Art, sie vermisste es, sie vermisste ihn.

Nach einiger Zeit ließ sie sich nieder. 《Siehst du, ich habe mein Versprechen gehalten.》 Sie nahm einen Stock und schürte das Feuer. Sie betrachtete die Funken des Feuers, die in orange, rot, gelb und blau leuchteten, die Kohlen die um ihre Leben glühten. Leben, vor Ricardos Tod hatte sie es für selbstverständlich gehalten, das Leben. Man wurde schließlich geboren, ohne gefragt zu werden. Sie kicherte und rieb sich die Hände. 《Ich habe das Feuer für uns gemacht, ich hoffe es bleibt solange bis diese kaputte Welt dahin geht so wie du.》 Ihre Augen brannten allmählich vom ständigen Feuer anstarren, insgeheim hoffte sie diese tanzenden Flammen würden ihr verraten, weshalb diese Welt mit so viel Elend und Leid bestraft wurde. Doch diese blieben stumm...

Uhuuuu. Sie sah sich um, musterte ihre Umgebung und suchte nach dem majestätischen Tier, der solche Geräusche von sich gab. Uhuuu. Sie ließ das Feuer für einen kurzen Moment alleine. Sie wollte unbedingt wissen welches Tier es war, das hätte auch Ricardo getan, dachte sie. Ihre Finger glitten durch die Äste der Bäume wie durch Wasser, der Rauch der sich langsam bildete umschloss sie wie ein Mantel. 《Du wirst, es sehen mein Schatz, das berühmte Flammenmeer...》 Sie atmete ein und hustete den Qualm aus. Rauch rein, Rauch raus, so als ob es Luft wäre. 《Gedulde dich nur noch ein wenig, Ricardo, dann siehst du es...》 Für einen kurzen Moment hörte sie sein süßes Lachen, ein so reines Lachen, dass es ihr Herz bersten ließ.

Es wurde unangenehm warm, fast glühend heiß. 《 Das Flammenmeer... Endlich...》, hauchte sie bevor ihre Augen sich schlossen. Schwankend torkelte sie zu einem Baum, sie wollte das Meer doch noch bewundern, bevor es sich über den ganzen Wald ausbreitete und die tobenden Wellen alles verschlingen würden, das ihnen in den Weg kam.

Sie hielt sich fest. Schreie waren zu hören und es wurde so hell, dass man fast dachte es würde Tag werden. Und sie? Sie lachte. Rosa lachte nach zehn Jahren, nach zehn langen Jahren, in denen sie ihrem Sohn nach getrauert hatte. Sie hatte ihm damals vom Flammenmeer erzählt, das tobte wenn die Götter wütend waren, es war seine Lieblingsgeschichte gewesen. Als er damals kränklich in seinem Bettchen gestorben war, hatte ganz leise geflüstert, Mama bring doch bitte das Flammenmeer ans Bett, ich will es doch sehen bevor ich einschlafe.
《Es hat etwas gedauert, aber hier hast du es mein Sohn.》 Schrie sie bevor sie in diesem brennenden Meer ertrank.

Gedankensplitter #milchshakeaward2019Where stories live. Discover now