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Einige Monate später bekam Harry am frühen Morgen einen Anruf. Er stöhnte und rollte hinüber, während er versuchte, sein Handy zu finden. Mit einem Grunzen tastete er mit seiner Hand weiter. Als er das klingelnde Telefon endlich in seiner Hand hielt, nahm er den Anruf an.

„Hallo?", war alles, was er sagte, bevor er sich abrupt aufsetzte. Er runzelte die Stirn und sein Herz begann schneller zu schlagen in seiner Brust. Er zog die Augenbrauen vor Sorge zusammen und als der Anruf vorbei war, schoss er aus dem Bett.

Harry stolperte mehrmals und fluchte dabei immer wieder. Er nahm irgendein zufälliges Shirt, seinen Mantel, seinen Stock und seine Brille, setzte sie schnell auf. Harry verließ sein Haus und die Fahrt zum Krankenhaus fühlte sich entsetzlich lang an. In diesen Minuten wollte sein Herz nicht ein einziges Mal aufhören, heftig gegen seinen Brustkorb zu hämmern.

Endlich kam er an. Er rannte – oder ging, so schnell es eine blinde Person eben konnte – zum Empfangstresen und fragte nach den Infos, die er brauchte.

„In welchem Zimmer liegt Ivory Esmond?", platzte Harry heraus, schon beinahe außer Atem.

„Fünfzehnter Stock, Zimmer 18B", war alles, was er hörte, bevor er wieder losrannte. Er hörte nicht einmal, wie die Krankenschwester ihn fragte, ob alles okay sei, weil er schon auf dem Weg zum Aufzug war.

Nach einigen Minuten kam Harry mit Hilfe einer Krankenschwester bei Ivorys Zimmer an. Leider wurde er auf halbem Weg von einem Arzt gestoppt, der ihn ansprach.

„Sind Sie Harry?", fragte der Arzt.

„Ja, das bin ich", sagte Harry verzweifelt, als die Krankenschwester nach seinem Arm griff, um ihn in Gleichgewicht zu halten.

„Wir müssen reden", fügte der Arzt mit einem grimmigen Gesichtsausdruck hinzu.

***

Harry saß im Büro des Arztes. Der Arzt informierte Harry über Ivorys Leukämie und wie sie zurückkam. Es war eine chronische Erkrankung, die sich langsam entwickelt hatte und dieses Mal konnte man sie nicht heilen. Sie hatte bereits die zweite Stufe von Leukämie erreicht, danach folgte die dritte und letzte – der Tod.

Harry murmelte ein 'nein' zu sich selber, immer und immer wieder. Das konnte ihm einfach nicht passieren. Sein ganzes Leben war verflucht. Neben dem allgegenwärtigen Kampf gegen die Depressionen hatte er endlich eine Quelle von Glückseligkeit gefunden; Ivory. Sie war wie eine Kerze in einem komplett dunklen Raum. Er wusste, seitdem sie das erste Mal miteinander geredet hatten, dass sie für ihn gemacht war. Endlich war ihm etwas Gutes passiert. Sie konnte ihn nicht einfach verlassen, nicht so. Er war bis über beide Ohren in sie verliebt. Sie war seine Hoffnung, sie war sein Licht.

Der Arzt sagte zu Harry, dass er mit Ivory reden sollte. Sie würde sie sehr bald verlassen; eine Woche hatten ihr die Ärzte gegeben, weil sie mit Geräten verbunden war, die sie am Leben hielten. Harrys Herz brach mit jedem einzelnen Wort, das die Lippen des Arztes verließ.

Eine Krankenschwester führte Harry zu Ivorys Zimmer. Er öffnete die Tür, nachdem die Krankenschwester gegangen war und betrat das unheimlich stille Zimmer.

Das gewohnte Klacken von Harrys Stock weckte Ivorys Aufmerksamkeit. Bei dem Geräusch drehte sich ihr Kopf ruckartig in seine Richtung und sie lächelte, vergaß alles für den Bruchteil einer Sekunde.

Love Is Blind (h.s.) - German TranslationWhere stories live. Discover now