Kapitel 5

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Sonntag, 13. Januar 2015


Mia,

Wenn du dieses Video siehst, werde ich nicht mehr unter den lebenden sein, meinem Leben ein Ende gesetzt haben, so wie es für mich bestimmt war. Du hast dich dafür entschieden, Risiko ein zu gehen. Ich kann dir nicht sagen, ob du es bereuen wirst, ob es dir helfen wird oder ob du es verstehen wirst. Ich fange einfach mal an, mit dem was wichtig ist, bevor du dir die Videos ansiehst:

Du bist wie ich. Das letzte Kind in der Familie, dass Kind was kein Fußballer oder Modell ist. Ich erlebte alles was du erlebtest. Familie Clarkson war schon in meiner Zeit bekannt: Dein Vater, der große Fußball Star, deine Tante, das berühmte Teenie Model. Und dann gab es mich, das schwarze Schaf in der Familie, dass Kind was nie etwas erreichte, was überall im Weg stand, was nur Negatives brachte, vom Pech verfolgt wurde, Tag und Nacht. Ich war nie besonders schlau, war eine dreier Kandidatin, was in den Augen meiner Familie wie eine fünf war. Jahre lang versuchte ich etwas zu finden, um meine Familie stolz zu machen, um auf dem gleichen Stand wie meine Geschwister zu sein. Ich schaffte es nicht, ich sollte es nicht schaffen. Jahre vergingen es änderte sich nichts. In der Schule war ich unsichtbar, wurde regelrecht übersehen. In den Schulgänge umgerannt, im Unterricht ignoriert. Verbrachte meine Pausen auf den Toiletten, aß mein Butterbrot im stillen in einer der Kabine während ich das Geschmiere der Schüler las . Zuhause war es nie anders. Ich existierte nicht. Bei wichtigen Essen saß ich nicht mit am Tisch, bei Urlauben nur in den Hotelzimmern. Wurde nie beschützt, unterstützt, geschätzt. Ich lernte damit um zu gehen, nicht geliebt zu werden, nicht akzeptiert zu werden so wie ich war. Die Folge war ich lernte nie wie es sich anfühlte geliebt zu werden. Wurde nie von einem Jungen geliebt, nie von einer Freundin, nie von einem Familien Mitglied. Es machte mich zu dem Menschen, der ich heute war. Eiskalt, leblos, verschlossen, von der Welt ausgeschlossen.

Mit 18 zog ich aus, zog in meine eigene Wohnung, in meine eigene Welt. Verbrachte mein halbes Leben dort. Redete nicht, liebte nicht, atmete nur. Am Rande bekam ich mit wie dein Bruder, mein Neffe geboren wurde. Der Prinz in der Familie. Ich wollte ihn sehen, ihn auf den Arm nehmen, doch ich konnte nicht. Das erste mal sah ich im am all jährigen Familien treffen. Zucker süß lag er in seiner Liege und lachte. Alle lachten mit ihm, nur ich blieb stumm, hatte verlernt zu lachen.

3 Jahre vergingen und deine Schwester kam. Die Prinzessin in der Familie. Bildhübsch von Geburt an, wie deine Tante Lydia. Ich spürte es, es wiederholte sich. Hoffte im inneren dass es nicht passieren würde. Zwei Jahren später kamst du. Das letzte Mitglied der Familie so wie ich. Die Angst, dass es dir genau so entgehen wird wie mir, kam. Von Jahr zu Jahr. Mit dem ersten Fußball Spiel deines Bruders, mit dem ersten Model Auftrag deiner Schwester. Ich wünschte dir dieses Leben nicht, beobachtete Haar genau ob es sich genauso entwickelte um rechtzeitig ein zu greifen, doch es war nicht so. Dein Schicksal entschied sich anders, dir ein anderes Leben zu geben als mir. Als du zu mir kamst, mir von deinen Gefühlen, Gedanken erzähltest fühlte ich mich mit dir verbunden. Dass erste mal in meinem Leben spürte ich etwas, fühlte eine Verbindung zu einem anderen Menschen und doch war es falsch. Du spürst zwar das was ich mein Leben lang spürte, doch du hast nicht das Recht dazu, spürst nicht das Wahre. Du bist einerseits wie ich, hast die gleiche Position wie ich in der Familie, doch anders als ich wirst du geliebt, geschätzt. Du merkst es leider nicht, siehst durch eine falsche Brille, verstehst alles falsch.

Mit den folgenden Videos werde ich es dir beweisen. Dir beweisen, dass du nicht so bist wie ich, dass du die Brille nur ablegen musst um die Wahrheit zu sehen und nicht so zu Enden wie ich, als eiskalte Frau. Ich hoffe du wirst es verstehen und dann kapieren, was ich dir sagen wollte bevor ich starb:

<< Du musst dich selber bekämpfen,

um zu siegen>>


Der Bildschirm wurde schwarz, das Profil meiner Tante verblasste, ebenso wie ihre Stimme. Ich saß da und starrte auf den Bildschirm, wusste nicht was ich denken sollte, wollte noch nicht realisieren, was sie mir gerade erzählt hatte. Tränen liefen meine Wange hinab, wie schon das ganze Video über. Sie war wie ich, und doch anders. Fühlte das was ich fühlte, und doch meinte sie, dass unser Leben anders ist. Das ich geliebt werde und sie nicht. Das ich beschützt werde und sie nicht. 

Ich konnte es nicht glauben, für mich waren wir gleich. Beide ungeliebt von unser Familie. Beide ausgeschlossen von der Welt. Alles wirkte so auf mich, doch trotzdem wollte ich wissen, was sie mir zeigen wollte, was sie damit meinte, ich würde durch eine falsche Brille gucken, alles falsch verstehen. Was sollte ich falsch verstehen. Die verachtenden Blicke meiner Familie? Ich würde es heraus finden, müsste nur einen Knopf betätigen und schon wüsste ich es. Genauso die Bedeutung ihrer Worte, müsste mich nicht mehr Tag und Nacht von ihren Worten verwirren lassen, doch trotzdem zweifelte ich daran. Unwillkürlich obwohl ich es nicht wollte. 

Die Stimmen meiner Familie schallten durch Haus, sie riefen meinen Namen und sagten ich solle kommen. Ich stand auf und blickten auf das Silberne auf der Bettdecke liegende Ding an. Sollte ich oder sollte ich nicht. Die Neugierde übernahm wieder die Überhand. Ich schnappte mir die Kamera, versteckte sie unter meinen Pulli und schritt aus dem Raum. Im Türrahmen drehte ich mich noch einmal um, betrachtete ihn genau, merkte mir alles. Vielleicht war es das letzte mal, dass ich hier war. Ich betätigte den Lichtschalter, das Licht erlosch. Die Tür zog ich hinter mir zu und lief mit schweren Atem zu meiner Familie, die sich im Eingangsbereich versammelt hatte. Sie drehten sich zu mir um und betrachteten mich genau. Wie ein Gegenstand. Ohne sie groß zu beachten lief ich an ihnen vorbei zum Auto. 

Meine Familie verabschiedete sich gegenseitig, drückten sich und gaben sich Küsschen, zumindest die Frauen. Meine Tante fuhr nach uns die Ausfahrt hinaus, in die gegengesetzte Richtung. Ich spürte das kalte Metall an meinem Bauch, ein Schauer lief mir über den Rücken. Meinen Blick wendete ich in den Himmel. Klares Blau, leichte Wolken. Die Sterne nicht sichtbar und doch spürte ich sie. Wie sie leuchteten, in ihrer vollen Pracht strahlten, darauf warteten endlich sich zu zeigen. Meine Tante war nun auch einer von ihnen, in meinen Augen der hellste und schönste.

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