Schulstart

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Draco stand am Gleis 9 Dreiviertel und starrte den Hogwarts Express an. Noch zehn Minuten, dann fuhr er ab. Alles in Draco sträubte sich dagegen, einzusteigen. Sein Gepäck war bereits verladen und um ihn herum wuselten hunderte andere Schüler, die sich von ihren Eltern verabschiedeten oder nach den Ferien endlich wieder ihre Freunde sahen. Nur Draco war allein. Seine Eltern hatten ihn nicht mal bis zum Gleis begleitet und seine eigenen "Freunde" waren nicht zu sehen. Um ehrlich zu sein, freute sich Draco weder auf Crabbe noch Goyle, noch irgendwelche anderen Schulkameraden. Auch auf den größtenteils langweiligen Unterricht freute er sich nicht.
Auf einmal rempelte ihn von hinten jemand an, ein Erstklässler, der mit viel Gepäck beladen an ihm vorbeieilte.
„Pass doch auf!", fauchte Draco ihn an.
„Tschuldigung", nuschelte der Erstklässler und lief weiter. Draco sah ihm wütend nach.
Da hörte er eine bekannte Stimme.
„Ron, dieses Jahr schaffst du's sicher auch in die Quidditch Mannschaft! Jetzt mach dir mal keinen Kopf!"
Draco schloss angewidert die Augen. Potter. Das allerschlimmste an Hogwarts.
„Ja, und selbst wenn nicht, mehr als versuchen kann man es nicht!", ertönte nun auch Grangers Stimme.
„Wenn ihr meint. Trotzdem werd ich wohl ein bisschen Glück gebrauchen. Ich... Man, wo ist Ginny schon wieder hin..."
Draco drehte seinen Kopf leicht nach rechts. Da standen die drei. Ron, der grade gesprochen hatte, drehte ihm den Rücken zu, genau wie Harry, wodurch sie Hermine den Blick auf Draco versperrten.
„Sie ist mit ihren Freundinnen schon im Zug", antwortete Harry, „und wir sollten jetzt auch mal einsteigen, wenn wir noch ein eigenes Abteil wollen. Ich muss euch nämlich was erzählen und ich will nicht, dass es jemand mithört."
„Harry, was hast du jetzt schon wieder angestellt?", fragte Hermine lachend.
Harry hob beschwichtigend die Hände hoch. „Ist nichts schlimmes! Nur... Ein bisschen persönlich. Ich will nicht, dass es jemand mithört. Deswegen würde ich lieber im Zug darüber reden."
Da entdeckte Hermine Draco. Auch Ron und Harry drehten sich um und Harry fügte extra laut hinzu: „Hier haben die Wände Ohren."
Draco schnaubte und wandte sich ab, in der Bemühung, so zu tun, als ob er sie nicht beachtet hätte.

Draco drückte sich durch die Gänge des Hogwarts Express. Nachdem Potter und seine Freunde verschwunden waren, war auch Draco eingestiegen, doch es interessierte ihn, was Potter da zu erzählen hatte. Vor jedem Abteil ging er in die Hocke und linste über den Rand, um zu sehen, ob die gesuchten Gryffendors dort saßen. Bis jetzt war Fehlanzeige.
Draco schlich weiter und schon beim nächsten Abteil hatte er Glück. Er brauchte nur einen kleinen Blick in das Abteil werfen um Weasleys rote Haare auszumachen. Draco setzte sich vor der Tür in den Schneidersitz und presste sein Ohr gegen den schmalen Schlitz. Konzentriert lauschte er, um etwas zu verstehen.
„...Guckt mal, welche Sammelkarte ich bei meinem Schokofrosch hatte!", rief Harry gerade. Draco verzog das Gesicht. Wenn das sein persönliches Geheimnis war, war es eine Enttäuschung. Eine Weile hörte Draco nichts. Dann sprach Ron, zögerlich und leise, aber da er nah an der Tür saß, hörte Draco es trotzdem.
„Ähm, Harry, also nochmal wegen vorhin, ich wollte, na ja, also ich hab mich gefragt, ob du, also, versteh das jetzt nicht falsch... Aber du warst doch nicht in mich verknallt, oder?"
Draco hörte Potter lachen und verzog bei den Klängen das Gesicht.
„Ron, du bist mein bester Freund! Was glaubst du denn von mir?"
„Na ja, ich mein ja nur...", murmelte Ron, doch er klang erleichtert.
Dracos Gehirn arbeitete. Was konnte das heißen? Das Potter schwul war?
„Wie auch immer, Harry, ich finds gut, dass du es uns gesagt hast.
Und das ist echt nicht schlimm, also du musst das nicht verheimlichen..."
„Hermine, du musst verstehen... Wenn ich einfach nur irgendjemand wäre, aber ich bin DER Harry Potter, alle werden reden, ich weiß nicht, ob ich das will."
Draco schnaubte. Wie eingebildet Potter doch war!
„Harry hat recht, Hermine! Was würde Ginny sagen, wenn ihr Held und Lebensretter auf einmal schwul wäre?"
Daraufhin lachten alle drei.
Draco vor der Tür wurde es heiß und kalt. Er grub die Finger in seine Handfläche vor Wut. Potter war tatsächlich schwul. Dieses Miststück. Nicht, dass Draco ein Problem mit Schwulen gehabt hätte, er selbst stand auch auf Männer. Aber genau das war das Problem. Er hasste es, Gemeinsamkeiten mit Potter zu haben.
Und außerdem... Draco wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber er war eifersüchtig. Dass Harry den Mut gehabt hatte es seinen Freunden zu sagen. Das hatte Draco nicht gemacht. Aber natürlich war Potter wieder der bessere, der mutigere, der mit den tollen Freunden.  Draco knurrte leise, als er hinter sich die Stimme der Süßigkeitenverkäuferin hörte.
Er drehte sich um. Ein Abteil hinter ihm verkaufte sie gerade einem schwarzhaarigen Mädchen drei Kürbispasteten. Draco sprang auf und wich zurück. Die Abteiltür schloss sich hinter dem Mädchen und die Verkäuferin wandte sich zu ihm.
„Alles in Ordnung, Liebes?", fragte sie ihn mit einem überraschten, aber freundlichen Lächeln.
„Ja klar, ich, äh... Wollte gerne einen Schokofrosch kaufen..."
Draco kramte ein paar Münzen aus seiner Hosentasche und die Verkäuferin drückte ihm drei Schokofrösche in die Hand. Da ging die Abteiltür, vor der sie standen, auf und heraus guckte niemand geringeres als Harry Potter.
„Wir hätten gerne...", setzte er an, als er Draco sah.
Draco wich instinktiv zurück, doch er sah die Panik in Harrys Augen. Er wusste, dass er gelauscht hatte.
„Was machst du hier?", fragte Harry ihn.
„Schokofrösche kaufen, das darf ich ja wohl", gab Draco kühl zurück.
„Was möchtest du nun?", fragte die Verkäuferin.
Harry gab ihr eine Hand voll Münzen und nuschelte etwas, was die Verkäuferin wohl als drei Packungen Bertie Botts Bohnen deutete. Er hatte den Blick immer noch auf Draco gerichtet.
Die Verkäuferin lief weiter, sie schien ein wenig verwirrt.
„Ich frage noch einmal", zischte Harry Draco an.
„Was-hast-du-hier-zu-suchen?"
Draco schwieg und starrte Harry nur hasserfüllt an.
„Alles in Ordnung, Harry?", fragte Hermine und sie und Ron traten hinter ihn. „Oh", machte sie, als sie Draco sah.
Draco sagte immer noch nichts.
„Hast du gelauscht?", sprach Ron die im Raum hängende Frage aus.
„Nein", log Draco.
„Sicher?" Hermine richtete ihren Zauberstab auf ihn. Draco schluckte und erinnerte sich an das letzte mal, als sie das gemacht hatte. Da hatte er eine Faust ins Gesicht bekommen. Nicht, dass er es nicht verdient gehabt hätte...
Auch diesmal ließ Hermine ihren Zauberstab wieder sinken.
„Aha", machte sie nur, „also doch."
Draco bemühte sich um einen grimmigen Blick um seine Scham zu überspielen.
„Was weißt du denn schon, Granger?", zischte er sie an.
„Du tust besser daran, niemandem zu erzählen, was du hier gehört hast", sagte sie.
Komischerweise war es Draco noch gar nicht in den Sinn gekommen, jemandem davon zu erzählen. Eigentlich freute er sich über jede sich bietende Gelegenheit, Potter runterzuziehen... Aber in dieser Sache sah er darin keinen Sinn. Als ob es jemandem etwas ausmachen würde, dass Potter schwul war...
„Jaja...", murmelte er, drehte sich um und wollte weggehen, doch Harry packte ihn am Kragen.
„Draco?", fragte er. Draco erstarrte. Warum nannte Potter ihn beim Vornamen?
„Bitte... Erzähl keinem davon. Bitte."
Draco staunte nicht schlecht, mit so einer höflichen Bitte hätte er wohl am wenigsten gerechnet.
Doch er sagte nur: „Ich weiß nicht, wovon du redest."
Dann ging er davon. Harry und seine Freunde blieben noch auf dem Gang stehen. Die Laune war ihnen auf jeden Fall verdorben worden.

DrarryHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin