Sechstens ♕

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Als wir nach einer Ewigkeit endlich in der Nähe des Palastes landeten und uns zu den anderen gesellten, warteten dort schon vier weitere Mädchen auf uns.
Zwei Rothaarige, eine mit dunkelbraunen Haaren und eine Blonde.

Alle stellten sich höflich aber reserviert vor, doch dabei blieb es fürs Erste.

Nur eine der Rothaarigen namens Kelly schleimte sich sofort bei Caro ein und die zwei fingen an, sich angeregt über den letzten Klatsch und Tratsch zu unterhalten.

Na, da hatten sich zwei gefunden.

Die andere Rothaarige hieß Ella und begann schließlich doch eine nette Unterhaltung mit Ann und mir.

Dafür hatten sich die Dunkelbraun-Haarige namens Zoe und die blonde Joanne schon im Flugzeug angefreundet, denn sie kannten sich außerdem schon flüchtig vor der Selection.

Nachdem noch ein paar Weitere eingetroffen waren - ich konnte mir leider nicht alle Namen merken - kam April und scheuchte uns in den Palast wie Hennen in den Hühnerstall.

Als erstes wurden wir in einen Saal mit großen Bogenfenstern gebracht, in dem schon viele tüchtige Dienstmädchen darauf warteten, uns die Haare zu machen, uns zu schminken, uns einzukleiden - kurz: uns auf das erste Treffen mit der Königsfamilie vorzubereiten.

Anscheinend waren wir die zweite Gruppe an Mädchen, die angekommen war, denn es saßen schon einige Kandidatinnen vor vielen Spiegeln und warteten darauf, dass ihre frisch lackierten Nägel trockneten oder dass ihnen das Shampoo aus den Haaren gewaschen wurde.

Jeder Frisiertisch hatte eine eigene Nummer in geschwungener Schrift über dem Spiegel stehen und manche waren noch nicht besetzt.

Während ich mich umsah, erklärte April uns sachlich, dass wir die Dienstmädchen duzen durften.

Danach schickte sie Ann zu Tisch 7 und mich zu Tisch 2.

Zögernd setzte ich mich hin und betrachtete unsicher das ganze Make-Up, das vor mir stand.
Als Siebener hatte ich mir so einen Luxus nicht leisten können, geschweige denn überhaupt davon träumen.

Ohne dass ich es gemerkt hatte, war ein Dienstmädchen hinter mich getreten und musterte mich durch den Spiegel aus.
"Ich bin Fea, Ihr Dienstmädchen für Ihren ganzen Aufenthalt im Palast. Ich, Lacie und Kelly sind Ihre Zimmermädchen und stehen Ihnen immer zu Diensten", ratterte sie ihren Willkommenstext herunter.

Sie lächelte mich warm an.

Zarte Grübchen zierten ihre Wangen und ihre eisblauen Augen betonten ihre hüftlangen Haare, die am Ansatz dunkelbraun waren und sich bis in den Spitzen blond verfärbten. Sie war echt hübsch - musste ich zugeben - und sie war mir sofort sympathisch.

Sanft nahm sie meine Haare in ihre Hände und fragte: "Haben Sie irgendwelche Wünsche, wie Sie Ihr Haar haben wollen, Miss?"

Ich schüttelte leicht den Kopf.

"Ich würde meine Haare gerne so lassen, wenn das okay wäre", meinte ich zögernd.

"Möchten Sie vielleicht die Spitzen ein wenig geschnitten haben?", schlug Fea vor und betrachtete tadelnd meine Haarspitzen, die voller Spliss waren.

Ich lachte leise bei ihrem Blick.

"Ja, das wäre gut. Aber nicht zu viel bitte", willigte ich schließlich ein.

♕♕♕

Nach einer gefühlten Stunde waren meine Haare mindestens drei Mal gewaschen worden, weshalb sie jetzt wunderschön glänzten.

Ein anderes Dienstmädchen hatte allerdings meine Haare geschnitten, da Fea bei Caro aushelfen musste.

Anscheinend waren Caro zwei helfende Hände nicht genug.

Doch nun war Fea wieder da und betrachtete das Ergebnis meiner Haare.
Sie flossen wie glänzendes, dunkelbraunes Wasser an meinem Kopf bis zu meiner Brust herunter und ich musste zugeben, dass ich mich in diesem Moment schön fühlte.

Abgesehen davon hatte ich mich auch von Fea überreden lassen, meine Spitzen von ihr ein bisschen heller tönen zu lassen, was gar nicht mal so schlecht aussah.

Nun wandte sie sich meinem Gesicht zu.

Ich hatte erstaunlicherweise keinen einzigen Pickel im Gesicht, da ich mich sehr um meine Hygiene kümmerte und meine Haut eine Zauberhaut war - wie ich sie gerne nannte - da ich nur selten Pickel bekam.

"Was für ein Make-Up möchten Sie denn haben, Miss?", wollte Fea wissen.

"Nichts Auffälliges, wenn möglich. Etwas Dezentes wäre gut", antwortete ich. "Den Rest überlasse ich dir."

Sie überlegte kurz, bevor sie etwas mir Fremdes in die Hand nahm und es auf mein Gesicht auftrug.

♕♕♕

Etwas später durfte ich mich im Spiegel betrachten.

Meine Wimpern waren getuscht und wirkten dadurch etwas länger, meine Augenbrauen waren ein wenig gezupft und meine Lippen glänzten dezent rosa.

"Jetzt fehlen nur noch Ihre Nägel", erklärte mein Zimmermädchen.
"Irgendeine Farbe, die Sie haben wollen?"

Ich schüttelte den Kopf.
"Nein danke, aber ein Durchsichtiger reicht mir, falls es so einen gibt."

Fea nickte. "Gerne. Dann lehnen Sie sich zurück und machen Sie es sich bequem. Ich hole nur schnell den Nagellack."

♕♕♕

"Fertig!", lächelte sie und betrachtete ihr Werk.
Meine Nägel waren geschnitten, gefeilt und - zum ersten Mal in meinem Leben - lackiert worden.

Zufrieden lächelte ich und drehte meine glänzenden Finger im Licht.
"Danke."

♕♕♕

Danach wurde ich zu einem anderen Dienstmädchen geschickt und jemand anderer setzte sich auf Platz 2.

Das blonde Dienstmädchen stellte sich als Melina vor und führte mich zu einer langen Stange voller Kleider.
Da wir zu Mittag angekommen waren, waren nur kurze Tageskleider vorhanden.

Melina musterte mich eingehend vor ein paar Sekunden und wandte sich dann konzentriert den Kleidern zu.

Sie fischte ein hübsches Kleid heraus, das das selbe Grün hatte wie meine Augen.
Endlich kein dunkelblau.
Es gefiel mir sofort.

Nachdem ich es anprobiert hatte, stellte ich fest, dass es mir wie angegossen passte.

Melina nickte zufrieden und fragte dann vorsichtig: "Und? Gefällt es Ihnen, Miss? Oder ist es nicht so nach Ihrem Geschmack? Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen auch noch ein anderes Kleid zeigen... -"

"Das wird nicht nötig sein", unterbrach ich sie schnell. "Es ist perfekt. Danke, das hast du gut ausgesucht."

Sie lächelte stolz und schien sich sichtlich darüber zu freuen, dass es mir gefiel.

Illéa's Favourite ♕ [a selection fanfiction]Where stories live. Discover now