Drittens ♕

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In der nächsten Woche gingen so viele unterschiedliche Leute in unserem Haus ein und aus wie noch nie zuvor.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mir alle Namen der Bediensteten zu merken - vergeblich. Schon nach den ersten drei Tagen hatte ich die Hoffnung aufgegeben.

Einmal kam eine freundliche Frau um mich abzumessen, damit man die wunderschöne Kleidung im Palast speziell für mich anfertigen konnte.

Zwischendurch kamen immer wieder neugierige Journalisten, um mich und meine Familie zu interviewen. Hin und wieder waren auch Kameraleute dabei, die den Auftrag hatten, den 'Alltag' bei einer Selection-Lady - einer wie mir - zu filmen... falls man das überhaupt noch den Alltag nennen konnte, wenn es im Haus von fremden Menschen nur so wimmelte.

Am letzten Tag vor meiner Abreise trat als einzige eine dünne, großgewachsene Dame mit streng hochgesteckten, rötlichen Haaren und schmalem Gesicht, zu dem die weichen Gesichtszüge fehl am Platz wirkten, durch unseren Türrahmen.

Mit selbstbewussten Schritten ging sie auf mich und meine Mutter zu.
Die anderen aus meiner Familie verscheuchte sie nur mit einer einzigen Handbewegung, so als würde sie eine lästige Fliege verscheuchen.

Ich konnte nicht anders, als sie nur bewundernd und empört zugleich anzustarren. Was bildete sie sich ein?

"Mrs und Miss Tropé, richtig?", begann sie und musterte uns von oben bis unten. Den Blick in ihrem Gesicht konnte ich allerdings nicht so genau deuten, wobei ich mir ihre abschätzigen Gedanken schon ausmalen konnte.

Ich nickte nur.

"Mein Name ist April Sojar, aber nennen Sie mich bitte April, Lady Luna. Ich werde Ihr Coach während der Selection sein, wenn Sie verstehen, was ich meine", sie lächelte kurz fälschlich, allerdings war dies so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war.

Wow, ich mochte sie jetzt schon nicht besonders.

"Ich bitte Sie diese Formulare auszufüllen, sie zu unterschreiben und sich die Regeln genau durchzulesen", kam sie sofort zur Sache.

Das erste Blatt war einfach auszufüllen. Name. Alter. Beruf. Impfungen. Der langweilige Kram eben.

Beim zweiten Formular ging es mehr um persönliche Vorlieben und Charakter.

Bei Hobbys schrieb ich nähen, tanzen und singen. Was hätte ich denn sonst schreiben sollen, als arme Siebener, die nichts hat?
Wahrscheinlich würde sich die Königsfamilie allein schon bei diesem Punkt kaputtlachen und mich sofort mit einer kleinen Handbewegung , wie solch eine, welche April gemacht hatte, nach Hause schicken. Niemand will ein erbärmliches, langweiliges Mädchen als Königin.

Meine Schwächen waren einfach zu erraten. Meine Familie. Sie waren mein Schwachpunkt - wenn sie angegriffen, entführt oder verletzt werden würden, wäre ich am Boden zerstört.
Oh, da fiel mir noch eine Schwäche ein. Ich konnte nicht schwimmen, weil meine Eltern es als unwichtig ersehen hatten und es mir deshalb nie beigebracht wurde. Punkt. Ich war sowieso noch nie am Meer gewesen, wieso sollte ich dann auch schwimmen können?

Stärken. Mmmh... Was hatte ich denn für Stärken? Tanzen vielleicht. Und Nähen. Außerdem war ich sehr sozial. Ich hatte mehr Freunde, als dass wir Äpfel auf unserem Apfelbaum im Garten hatten. Singen schrieb ich auch noch dazu - obwohl ich besser tanzte.

Das dritte und letzte Blatt beinhaltete die Regeln - die meisten davon waren die gewöhnlichen Standardregeln, die in jeder Gesellschaft vorhanden waren und die jeder in Illéa kannte. Dementsprechend musste ich denen nicht so viel Beachtung schenken.
Etwas weiter unten kamen welche dazu, wie man sich im Palast und vor der königlichen Familie verhalten sollte und ähnliches.

Bei einer Aussage runzelte ich allerdings nachdenklich die Stirn.

"Was bedeutet, 'Sie müssen alles tun, wozu der Prinz sie auffordert.'?", fragte ich etwas verwirrt.

"Naja... Eigentlich genau das, wie es da steht", erklärte April etwas belustigt.
"Und mit alles, ist auch alles gemeint!", fügte sie todesernst hinzu.

Illéa's Favourite ♕ [a selection fanfiction]Where stories live. Discover now