Kapitel 16

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Was? Das kann unmöglich wahr sein... Ungläubig betrachtete sie die eben gelesene Zeile. Der Artikel darunter war recht kurz:

Curt B. (63) war gerade auf dem Weg nach Hause, als er ein verdächtiges Geräusch vernahm. "Ich bin neugierig geworden", berichtete Herr B., "Und als ich in der Seitenstraße nachgesehen hab, wurde mir so manches klar" An einer Hauswand lehnte die Leiche des 34-jährigen Arkhampatienten Augustus Lore. Die Todesursache war vermutlich eine Überdosis, jedoch wartet die Polizei noch auf den toxikologischen Bericht. Ungeklärt bleibt derzeit auch, wie der Patient aus der Anstalt herauskam.

"...Lore...", überlegte Ariana. Sie hatte den Namen schon mal gehört. Er war keiner ihrer Patienten, aber sie kannte ihn. "Überdosis... ach du Scheiße! Das war keine Überdosis" Ihr fiel es wie Schuppen von den Augen. Die Medikamente, die Arkham ihm verabreichen ließ - die hatten ihn getötet. Lore war laut J einer der ersten Versuchskaninchen gewesen, was bedeutete, er musste den Medikamenten über Monate ausgesetzt gewesen sein. Natürlich wurde es als Überdosis gedeutet: Niemand wusste, dass im Arkham illegale Medikamententests durchgeführt wurden. Und sie sollte es eigentlich auch nicht wissen. Das würde bestimmt noch Folgen mit sich ziehen ...

Der Weg zur Anstalt kam ihr wesentlich kürzer vor, als sonst. Schon war sie aus dem Wagen gestiegen und die Treppen hochgerannt. Freier Tag hin oder her -  sie konnte diesen Artikel nicht für sich behalten. Ein paar Pfleger und Krankenschwestern, die Nachtschicht hatten, beäugten sie beim Vorbeigehen, manche blieben sogar stehen und schauten ihr nach. Natürlich, es war jetzt vier Uhr. Keine Therapeutin war um diese Uhrzeit in der Anstalt. Außer Atem machte sie Halt vor einer der Zellentüren. Schnell zog sie das herausgerissene Zeitungsblatt aus ihrer Hosentasche, hielt es sich bereitwillig vor die Brust und sperrte die Tür auf. Ihr war klar, dass sie das eigentlich nicht durfte, aber es war sozusagen ein Notfall. Da lag er. Er schlief immer auf dem Bauch, die Arme unter seinem Kissen versteckt. Das wusste sie, weil es hin und wieder vorgekommen ist, dass er die Therapiestunde etwas verschlafen hatte. Dann hatte sie den Joker jedes Mal in dieser Position vorgefunden. So sachte es ging, rüttelte sie an der Schulter (er machte einen kleinen, mürrischen Laut). "Wachen Sie auf, J" Wieder nuschelte er etwas, das sich diesmal verdächtig nach ihrem Namen anhörte. Ihr entfuhr daraufhin ein leichtes Lächeln, sie ertappte sich jedoch dabei und gebot ihm Einhalt. Nein! Vermutlich träumte er gerade davon, wie er sie erwürgte. Irgendwie musste er doch wachzukriegen sein, ohne zu viel Aufmerksamkeit nach draußen zu lenken. Sie selbst hatte eine kleine Stelle an ihrem Hals, an der es schrecklich kitzelte, wenn man sie sachte berührte. Einen Versuch ist es wert, dachte sie. Langsam führte sie ihren Zeigefinger an seinen Nacken und streichelte diesen ein wenig. Plötzlich zuckte er zusammen und drehte sich mit einem Satz auf den Rücken. Na also, ging doch. Verdattert blickte er zu ihr hoch, mit zusammengekniffenen Augen. "Was hab ich denn jetzt schon wieder verbrochen?"

"Gar nichts, tut mir Leid, J. Aber wenn es nicht wichtig wäre, würde ich Sie nicht wecken"

Der Joker schmatzte. So ganz munter war er noch nicht. Ja, sie bezweifelte sogar, dass er ihre Worte überhaupt vernommen hatte. Doch auf einmal huschte ein breites Grinsen auf sein Gesicht. "Soosooo ...", schmatzte er "Was willst du denn, wenn du dich schon so bereitwillig mitten in der aah Nacht ... zu mir in meine Zelle bewegst?"

Mittlerweile hatte er sich aufgesetzt und seine Haare etwas zurecht gewuschelt. Ariana erkannte jedoch keinen Unterschied zu vorher. "Keineswegs das, was Sie wahrscheinlich denken, Mr J"

"Ohooo so förmlich... Was denke ich denn, hm? Na gut, lassen wir das. Was ist denn los, Spätzchen? Erzähl es deinem Onkel J" Noch immer trug er dieses Grinsen auf seinen Lippen, und sie wusste, dass er nicht ganz bei der Sache war. Doch das sollte sich gleich ändern. Ariana atmete einmal tief durch, dann hielt sie ihm den Bericht unter die Nase. Erwartungsvoll blickte sie ihn an, so als ob sein Urteil unentbehrlich für ihr weiteres Handeln wäre.

Unexpected - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt