Kapitel 8

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Anfang September schienen die letzten warmen Sonnenstrahlen auf Gotham hinab. Die Alpträume, die Ariana plagten, waren mittlerweile dünn gesät. Auch waren sie nicht mehr so grauenhaft wie früher. Das lag vermutlich an der derzeitigen guten Stimmung, die sich in ihr breit machte. Lucky war dem Anschein nach endlich über sie hinweg und die beiden schafften es, letztendlich doch noch normal miteinander zu sprechen. Es lief alles tadellos.

Am Freitag in der zweiten Septemberwoche stand ein ganz besonderes Programm auf dem Plan. Ariana wollte mit dem Joker die Therapiesitzung im Freien halten. Frische Luft, angenehmes Wetter, ein paar Sonnenstrahlen - Dinge, die für ein angespanntes Gemüt wahre Wunder wirken konnten. Das Arkham hatte einen eigenen kleinen Park, der leider nie benutzt wurde. Den meisten Insassen war es im Grunde nicht gestattet, hinauszugehen. Und jene, die durften, waren aufgrund ihrer psychisch-labilen Lage kaum im Stande. Als Ariana ihren Boss fragte, ob sie denn J mit nach draußen nehmen könnte, war Dr. Arkham nicht erfreut. Nur war Ariana der Überzeugungskraft kundig und so schaffte sie es problemlos, ihn zu überreden. Gut gelaunt wuselte sie durch den Hochsicherheitstrakt, ließ sich vom Wachmann des Jokers Tür öffnen und begrüßte den Patienten mit einem freudigen "Na, Mister J! Bereit für einen Ausgang?". Doch seine Reaktion ließ zu wünschen übrig. Er stand gelangweilt und mit halb geschlossenen Augen in der Tür, sie hielt erwartungsvoll ihr Klemmbrett vor der Brust mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

"Ein ... Ausgang, ja? ... Gehen wir in die Cafeteria?"

"Nein, seien Sie mal nicht albern. Was haben wir im Motivationskurs gelernt? Ein kleines Lob, eine kleine Anerkennung und ein -<<

>>- ein freundliches Lächeln helfen dir problemlos durch den Tag... Ja, ja, ich weiß. Schön, wie du willst, Spätzchen. Nach dir"

Er folgte ihr missmutig durch das komplette Stockwerk, den Fahrstuhl hinunter und durch die Eingangshalle bis zu einer kleinen Tür. 'Privatareal' stand darauf. Fragend blickte er sie an. Ariana grinste nur verschmitzt und steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch. Der Park war zwar nicht mehr so schön wie früher, aber das sollte Ariana nicht von ihrem Vorhaben abbringen. 

"...Nett", sagte der Joker. „Und was ääh machen wir hier?"

Sie erklärte ihm, dass abwechslungsreiche Therapiesitzungen äußerst wirkungsvoll wären und eine freundliche Atmosphäre sich positiv auf das Gemüt auswirkte. Tief atmete sie die frische Luft ein und setzte sich auf die Bank. Mit einem Tippen auf die Holzbalken deutete sie ihm, er solle auch Platz nehmen. "Also J. Wir haben in letzter Zeit wirklich große Fortschritte gemacht, finden Sie nicht? Ihnen ist das vermutlich egal, mir aber nicht. Ich muss sogar zugeben, dass es mich sehr freut, dass Sie so kooperiert haben. Ich habe Sie wohl etwas falsch eingeschätzt"

Anscheinend war er heute nicht sehr gesprächig. "Nun gut, J. Ich kann verstehen, dass Ihnen diese Sitzungen nicht immer gefallen, aber dagegen kann ich nichts machen. Es ist mein Job. Tun Sie wenigstens so, als würden Sie sich anstrengen" Der Joker sah sie plötzlich mit gespielter Interesse an. "Ist es so besser, Liebes?"

„Besser als gar nichts auf jeden Fall" Anfangs schien die Idee mit dem Ausgang ein völliger Flop zu werden, mit der Zeit gewöhnte er sich jedoch an die neue Umgebung und es lief sehr gut. Manchmal, wenn sie gerade in ihren Unterlagen vertieft war und ihn nicht bemerkte, da begutachtete er Ariana. Ihre glänzenden, dunklen Haare, ihren Wimpernaufschlag, die vollen, rot geschminkten Lippen, das sanfte Wiegen ihrer Brust, wenn sie ein- und ausatmete und ihre zarten Finger, die unkonzentriert mit dem Kugelschreiber spielten. Ariana fragte sich nämlich, ob die Zeit für die unangenehme Frage gekommen sei. Vorsichtig tastete sie sich heran.

"Mister J, erinnern Sie sich noch an den Tag, an dem Sie mich therapiert haben?" Zu schnell hatte sie ihn aus seinen Gedanken gerissen. "Nun, ich erinnere mich vor allem an den Witz, den Sie mir erzählt haben ... Der hat mich seither irgendwie nicht mehr losgelassen"

Etwas betreten blickte der Joker zu Boden. "Darüber gibt es nichts zu reden", schmatzte er. Fest hielt sie ihr Klemmbrett mit den Aufzeichnungen. Sollte sie es wagen? Nachhaken? Oder würde sie nur die gute Stimmung ruinieren?

"Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht. Sie müssen mir ja nicht sagen, was geschehen ist, wenn Sie nicht wollen -<<

>>- Gut, will ich nämlich nicht"

"Ist okay. Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie noch nicht so weit sind. Lassen Sie sich Zeit. Aber, wenn Sie doch einmal darüber sprechen wollen, was das Ganze mit Ihnen zu tun hat, dann kommen Sie zu mir, okay?"

Etwas schien ihm auf der Zunge zu brennen. Immer wieder biss er auf seiner Lippe herum. "Wissen Sie, oftmals will man nicht über schreckliche Dinge sprechen, weil man Angst hat, man könnte die Leute damit nerven. Aber wenn man jemanden hat, der einem zuhört, der für einen da ist, dann -<<

"Kannst du nicht EINMAL - NUR EIN EINZIGES MAL ...... deine Klappe halten?!", forschte er sie an. Ariana war völlig sprachlos. Diese Reaktion war wirklich das Letzte, was sie erwartet hatte. Er war wie ein Vulkan, der nach tausend Jahren Ruhezeit endlich zum Ausbruch kam. Und im Grunde genommen war seine Reaktion erfolgsversprechen, da er ja anscheinend tatsächlich etwas auf dem Herzen zu haben schien. Und dennoch verletzte seine Reaktion ihre Gefühle.

"Was ist denn bloß los mit Ihnen? Ich wollte doch nur -<<

>>- wissen, warum ich so ein Monster geworden bin!? Wieso sollte ich mich dafür rechtfertigen, hm? Oder entschuldigen? Die, die mich dazu gemacht haben, haben sich auch nie entschuldigt!"

Und mit diesen Worten drehte er ihr den Rücken zu und marschierte nach drinnen. Das Knallen der Tür hallte im ganzen Park nach. Völlig perplex und sichtlich überfordert saß Ariana auf der Parkbank. Diese Wut ... Sie hatte tatsächlich richtig Angst vor ihm bekommen. So, wie er sie angeschrien hat ... Unfassbar. Eine Weile noch rührte sie sich nicht vom Fleck. Dann aber folgte sie ihm hinein. Was war bloß in ihn gefahren? Sie hatte doch nichts anderes getan, als sonst auch. Ariana konnte von Glück reden, dass er nicht völlig ausgetickt und auf sie losgegangen ist. Mit energischen Schritten verließ sie das Gebäude und steuerte geradewegs auf die Tiefgarage zu. Aufs Gas gedrückt, dass die Reifen quietschten. Einfach unfassbar ... Leise fluchend und mit Tränen gefüllten Augen blickte sie auf die Straße. Alles, was sie dachte war: "Männer".




Unexpected - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt