Kapitel 1

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Titel: Kastanienbraun

Autoren: Vicky und Franzi

Kategorie: Drama, Romanze, Schmerz

Rating: P16

Disclaimer: Diese Geschichte basiert auf der BBC-Serie ,,The Musketeers". Keiner der Charaktere, außer unseren eigenen, gehören uns.

Kommentar: Wir freuen uns über jedes Review!

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Gehetzt lief sie durch die dunklen Gassen, damit sie auf die Hauptstraße gelangen konnte, um schließlich in den dichten Menschenmassen unterzutauchen. Das Atmen fiel ihr immer schwerer, doch die pure Verzweiflung trieb sie voran. Sie rannte um die nächste Ecke und eine weitere Welle des Schmerzes überkam sie, aber sie wusste, bliebe sie stehen, würde er sie zu fassen bekommen.

Mittlerweile hörte sie die eindringlichen Rufe hinter sich zwar nicht mehr, allerdings fand sie es sicherer, erst anzuhalten, wenn sie ihr Ziel erreicht hatte. Als sie sich in Sicherheit wägte, ließ ihre Aufmerksamkeit nach, sie achtete nicht mehr darauf, wohin sie eilte und plötzlich stieß sie mit einem schwarz gekleideten Mann zusammen. Sie stolperte zurück und ihre langen kastanienbraunen Locken fielen aus der grauen Mütze, die bis zu diesem Zeitpunkt verborgen gewesen waren.

Der Kardinal blickte in die verängstigten Augen einer hübschen jungen Dame, die mehr als nur untypisch für eine Frau gekleidet war, denn sie trug ein weites Leinenhemd und eine zerrissene, dunkelbraune Hose. Sie musterte ihn ebenfalls, aber kam nicht mehr dazu sich vor ihn zu knien, aus Ehrfurcht und als Entschuldigung für ihr Missgeschick. Noch bevor die Wachen sie festnehmen konnten, brach sie kurz darauf vor seinen Füßen zusammen.

Interessiert betrachtete er die Unbekannte. ,,Schafft sie in meine Kutsche. Wir nehmen sie mit!", ordnete Kardinal Richelieu an.  

Er bahnte sich einen Weg durch die Menge Schaulustiger, gefolgt von den Wachen, die die Frau mit den kastanienbraunen Haaren hinter sich her zogen. Sie kamen an der roten Kutsche mit schwarzen Beschlägen an und einer der Garde trat an ihn heran: ,,Seid Ihr Euch sicher, dass diese Verbrecherin zu Euch in die Kutsche darf?"

,,Was fällt Dir ein, mich infrage zu stellen?!", brauste Armand-Jean du Plessis, premier duc de Richelieu auf und zog die Augenbrauen zusammen.

,,Verzeiht, Kardinal." Er verbeugte sich tief und lud das Mädchen auf der einen Seite der Sitzfläche ab. Gegenüber nahm der Kardinal Platz und die Tür wurde von außen geschlossen. Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, als sie mit einem Ruck losfuhren und er entdeckte eine verblasste Narbe an ihrem Haaransatz auf der Stirn. Er suchte mit den Augen nach weiteren Verletzungen: mehrere Blutergüsse und Schnittwunden an Armen und Dekolleté. Seine Neugierde war geweckt. Ihre Kappe, die von einer der Wachen neben sie gelegt worden war, fiel während der holprigen Fahrt herunter. Er hob sie auf und studierte sie Gedanken verloren, indem er sie in seinen Händen drehte und wendete. Woher kamen diese Läsionen? Wieso war sie so unachtsam gewesen? Weshalb trug sie solche Kleider? Und warum hatte er sie überhaupt mitgenommen?

Die letzte Frage beschäftigte ihn am meisten. Es war nicht seine Art und es gab keinen Grund dafür, jemanden wie sie mitzunehmen. Er hätte sie einfach dort liegen lassen können und niemanden hätte es geschert - wieso auch, er galt als herzloser Mensch. Er hatte seine Geliebte, Adele, ohne zu zögern umbringen lassen, nachdem sie ihn mit einem der Musketiere betrogen und verraten hatte. Ihm wäre es möglich gewesen, Gnade zu zeigen, aber Gnade war einfach nicht für ihn bestimmt.

Die Kutsche fuhr nun an dem Fluss vorbei, über die große Brücke zu seinem mächtigen Anwesen. Durch eine erneute Erschütterung von hartem Untergrund regte sie sich kurz und wandte sich mit dem Rücken zu ihm. Dabei verrutschte das viel zu große Hemd und entblößte einen Teil ihres Kreuzes.

Dort entdeckte er weitere Narben und Verletzungen, die wohl von einem Gürtel herrührten. Er konnte sich schon denken, woher jene kamen. Sie passierten das Tor zu seinen Gemäuern und einen Augenblick später hielten sie an. Der Kutschenschlag wurde für ihn geöffnet und er trat hinaus. Unsicher fragte die Wache, was mit dem Mädchen passieren solle. ,,Bringt sie in ein Gemach. Sorgt dafür, dass sie neue Kleidung bekommt und von einem Arzt untersucht wird", befahl der Geistliche.

,,Sehr wohl, Herr Kardinal." Der Anhänger der roten Garde hob sie heraus und warf sie über die Schulter.

,,Sei gefälligst vorsichtiger!"

,,Von welcher Bedeutung ist sie?"

,,Von mehr als Du es je sein wirst. Du hast mir keine Fragen zu stellen! Und nun tu, was ich sage!" Der Kardinal lief zu seinem Büro und nahm dort an seinem Schreibtisch Platz, während der Wachmann mit der jungen Frau das Schlafzimmer Richelieus betrat und sie auf das Bett legte. Mit einem kritischen Blick verschwand er leise aus der Tür, schickte einen Boten los, den Arzt zu holen, und trug einer Zofe auf, sie neu zu bekleiden.

Der Arzt eilte in das Büro des Kardinals und begann zu sprechen: ,,Eure Eminenz!" Der Kardinal blickte von seinen Papieren auf. ,,Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?"

,,Sie hat viele Wunden, bei denen es wichtig ist, sie zu reinigen; außerdem schwerwiegende Prellungen im Bereich des Brustkorbes. Generell wurde sie Opfer von besonders brutaler Misshandlung. Sie wird einige Zeit an Ruhe benötigen, um wieder vollständig zu genesen. Im Moment ist sie noch sehr schwach."

,,In welchem Zimmer ist sie gerade?"

,,In Eurem; wie Ihr es befohlen hattet."

,,Wo genau?", fragte er mit einem misstrauischen Tonfall, in der Hoffnung sich verhört zu haben. Er war sich sicher, ›ein Gemach‹ und nicht ›mein Gemach‹ gesagt zu haben.

,,In Eurem Zimmer, Eure Eminenz."

,,Wie meinen Sie?!"

,,Ich meine, dass jene Dame in Eurem Bett liegt, Herr Kardinal."

Mit kaltem Blick schritt er an dem Arzt vorbei und stürmte zu seinem Zimmer. Er hatte bereits Luft geholt, um sie aus dem Bett zu verjagen, als er die junge Frau friedlich schlafend, das Gesicht von ihren eigenen Locken umrahmt, dort liegen sah. Das ihm gebotene Bild ließ ihn nachdenklich innehalten. Leise ging er zurück, um die Wachen vor dem Schlafgemach wegzuschicken und die Tür zu schließen.

In dem hohen Raum mit den Deckenwölbungen fiel durch zwei zimmerhohen Fenster gedämpftes Licht. Es war nichts verändert worden; der Schreibtisch stand noch immer gegenüber des großen Bettes, jeder Kronleuchter war an seinem Platz, genauso wie die Tafel und sein eigener Schrein. Der einzige Unterschied war das Mädchen mit den kastanienbraunen Haaren in seinem Bett. Still begab er sich an das Fußende der Schlafgelegenheit und betrachtete sie. Sie trug eines seiner alten Nachthemden und wieder stieg Zorn in ihm auf - aber er musste zugeben, es stand ihr.




KastanienbraunWhere stories live. Discover now