Der Wolf ist tot

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Nichts Böses ahnend folgte ihm Susi bis zum Auto. Er öffnete den Kofferraum  und griff nach der  Pfote seines Hundes. Susi rückte ganz nah heran. Doch, statt die Pfote seines Hundes hochzuheben, nahm er den unter der Decke versteckten Elektroschocker, zog ihn rasch hervor und verpasste Susi einen Stromschlag. Sie ging sofort in die Knie, Ralf fing sie auf und hievte sie mit einem Schwung in den Kofferraum zum Hund. Rasch warf er eine Decke darüber und fuhr los. Es war ihm egal, dass sie nicht gefesselt war und ihr Mund nicht verklebt. Er wollte so rasch wie möglich hier weg. Für kurze Zeit würde der Schock anhalten. Er schaffte es aus der Stadt zu finden und fuhr auf die Autobahn. Nach ca. 15 km rollte er auf einen leeren Rastplatz und blieb stehen. Er stieg aus und ging zum Kofferraum. Ralf öffnete und riss die Decke von Susi. Wie ein Häufchen Elend lag sie zusammengerollt neben dem Kangal, der eine Pfote auf ihren Oberschenkel gelegt hatte. Tränen rannten über ihre kleinen Pausbäckchen und sie schniefte.  „Wenn du brav bist, wird dir nichts passieren. Ich werde dich ein wenig fesseln und dir den Mund zukleben. Dann bringe ich dich auf meinen Bauernhof. Dort wartet schon deine Oma.“ Falls sie schon wieder einigermaßen nüchtern ist, dachte er. Er fesselte ihre Hände mit Klebeband und verschloss ihren Mund. Ralf warf wieder die Decke über Susi und gab seinem Hund aus einer Wasserflasche zu saufen. Dann ging die Reise weiter. Wie bei jeder seiner Touren hielt er sich an alle Vorschriften und überschritt nie das Tempo. Eigentlich hatte er keine Angst in eine Polizeikontrolle zu kommen.  Die waren ohnehin mit dem Suchen nach dem Mörder von Isa und nach der vermissten Tanja beschäftigt. Da würden doch alle Einheiten zusammenhelfen? Na, egal. Sie werden mich nicht erwischen.

Ohne jeden Zwischenfall erreicht er seinen Hof und lud zuerst seine Kangalhündin aus. Er brachte sie in die Scheune, wo sie voller Freude von ihrem Sohn erwartet wurde.

Danach zerrte er Susi aus dem Kofferraum. Er nahm ihr das Klebeband vom Mund und zog sie hinter sich nach ins Haus, in sein Schlafzimmer. Die besoffene Schlampe schlief noch. Er verpasste ihr mit seinem rechten Fuß einen Tritt:“ Wach auf, du versoffenes Luder! Es ist fast Mittag und deine Enkelin ist hier. Nun reiß dich doch zusammen!“

Ihre Augen flogen auf und sie begann zu schreien. Susi presste sie an Ralf. Wie es schien hatte sie von ihrer Großmutter  Angst. „Ist ein bisschen von der Rolle, deine Oma, hmmm?“ fragte Ralf und verpasste Oma eine schallende Ohrfeige. Großmutter verstummte. „Das ist nicht meine Oma!“, bemerkte Susi. „Für heute und morgen ist das deine Oma. Wir werden alle zusammen das Märchen Rotkäppchen spielen.“ Ralf überlegte. Er würde die Scene mit dem Wald wohl auslassen müssen. Zwei Personen und einen Hund im Freien unter seinem Willen zu halten erschien ihm als unmöglich. Die versoffene Oma sah ihn jetzt mit großen Augen an. „Du hast sie ja nicht mehr alle und jetzt lass uns gehen!“

Mit zusammengekniffenen Augen sah Ralf sie an. „Noch ein Wort, und du musst ohne Zunge mit dem Wolf kommunizieren. Kannst ihm ja deuten, dass er dich fressen soll.“  Oma war still.

Nein, so konnte das nicht funktionieren. „Komm mit“, sagte er zu Rotkäppchen und zog sie hinter sich her in die Küche. Auf seinem alten Backofen lag das rote Kapuzenjäckchen. „Du ziehst das jetzt an, du bist Rotkäppchen.“ Susi wollte ihn nicht wütend machen und schlüpfte in die Jacke. „Braves Mädchen. Jetzt komm mit.“ Ralf ging mit Susi aus dem Haus und zur Scheune. Er öffnete das Scheunentor.

 „Mein Gott, du hast ja zwei davon!“, stellte Susi überrascht fest, als ihr zwei Kangals schwanzwedelnd entgegenkamen.  Er zwang Susi auf die Tenne hinaufzuklettern und sagte: „ Du bleibst dort oben. Wenn du herunterspringst, zerfleischt dich Brutus.“ ER entfernte die Leiter und meinte zu dem Rüden, der soeben einen Namen erhalten hatte: „Pass auf, Brutus!“ Seine Hündin aber nahm er beim Halsband und führte sie aus der Scheune. ER verriegelte das Tor und nahm sie mit ins Haus zu Oma.

Der MärchenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt