Der Schriftsteller

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Zu Hause angekommen, fuhr er rücklings in eine freie Parklücke und starrte auf das Haus. Komisch, alles ruhig, alles leer. Hier und da ein Licht in wenigen Wohnungen. Keine Polizei, kein Aufgebot an Sucheinheiten! Er war ein  wenig enttäuscht. Isa war doch ein nettes Mädchen. Immer höflich und hilfsbereit. Und - er dachte sie wäre auch verlässlich. Warum ließ sie ihre Mutter nicht suchen, warum war hier nichts los?

Plötzlich fiel es ihm wieder ein. Es gab doch so etwas wie eine 24 Stunden Frist. Sie suchten erst nach 24 Stunden. Ja, das musste es sein. Sie war ein Teenager und wahrscheinlich weggelaufen. 

Er kicherte. Soll ich bei ihrer Mutter läuten und sie fragen, ob Isa gut schläft? Ich könnte ihr sagen, dass sie gut schläft, für immer.....

Er öffnete mit seinem Schlüssel die Haustüre und ging zu seiner Wohnung in den zweiten Stock hinauf.  Im ersten Stock blieb er kurz stehen und legte sein Ohr auf die Tür bei Isa's Mutter. Eine fürsorgliche Mutter würde in der Wohnung auf und abrennen, voller Sorgen und Ängste. Es wäre Festbeleuchtung und TV und Radio wären an. Oder sie müsste alle Krankenhäuser in der Umgebung durchrufen.....

Vielleicht war das gar keine gute Mutter. Sie hatte sich einen Scheiß um Isabella gekümmert. Machte sich jetzt keine Sorgen. Arme Isabella, dachte er und begann er zu überlegen. Eine Dame mittleren Alters. Nicht hässlich, nicht hübsch....... Hänsel und Gretel, die Hexe. Ja, so eine Mutter könnte man gut als böse Hexe verwenden. Schade, dass es Isa nicht mehr gibt. Die hätte ich gleich als Gretel einspannen können und  wäre als Hänsel in Aktion getreten . Gemeinsam mit Isa hätten wir ihre böse Mutter (die Hexe) verheizt. Das wäre ein Spaß .... nur, war jetzt leider nicht mehr möglich. Und außerdem... wenn zwei Personen in einem Haus verschwunden wären würde die Polizei doch zuerst hier herumschnüffeln, oder?

In der Wohnung verschloss er die Türe hinter sich und setzte sich an den Küchentisch. Dort lagen bereits ein Notizbuch und ein Kugelschreiber. Er begann zu schreiben:

Die Gänsemagd

(Anfang einfügen)

Nachdem Falada zu der armen Prinzessin gesprochen hatte, trieb diese wie ihr geheißen die Gänse hinter Kürdchen durch das Stadttor hinaus. Auf einer Wiese angekommen, wollte das Kürdchen sie berühren. Er wollte Sex. Die Prinzessin, die sich mit ihrem jämmerlichen Dasein schon etwas angefreundet hatte, war aber nicht  bereit sich ihm hinzugeben, und sagte um Kürdchen abzulenken : 

"Weh, weh, Windchen,

nimm Kürdchen sein Hütchen

und laß'n sich mit jagen,

bis seine Lust vergangen

und er Mein vergessen hat. "

Kürdchen stand neben ihr und nichts passierte. Er hatte ja auch nichts erwartet, verstand aber, was diese Worte zu bedeuten hätten. Die Gänsemagd verachtete ihn. Sie war nicht besser als er, nur eine Magd, glaubte aber etwas Besseres zu sein. Kürdchen sprang zu ihr und riss ihr  die Gewänder vom Leibe. Dann nahm er sie. Ihre Hände gehalten über ihrem Kopf und sich seine Befriedigung holend, vergewaltigte er sie. 

Die Prinzessin weinte und sagte:

"Ich bin kein kleines Mägdelein,

die Prinzessin hier sollt' ich sein.

Wenn das meine Mutter wüsste,

das Herz tät ihr zerspringen."

Da dem Kürdchen ihre Mutter ziemlich egal war, vergewaltigte er sie gleich ein zweites  Mal. Anschließend erschlug er sie mit einem großen Stein, damit er den König nicht vergrämte. Er zerrte die Prinzessen in den Wald, wo er sie vergrub. Das Kürdchen trieb die Gänse alleine wieder zurück in die Stadt und Falada weinte bittere Tränen.

Kürdchen erhielt für seinen Auftragsmord einen dicken Patzen Gold von der falschen Prinzessin. Der Pferdekopf wurde abgenommen und verbrannt.

Der Königssohn lebte mit der falschen "Königin" glücklich bis an sein Lebensende. Kürdchen war richtig reich und musste nie mehr die Gänse hüten. Die Vögel zwitscherten über der toten, vergrabenen Prinzessin im Geäst.

- Ende -

Er schrieb absichtlich erschlagen, nicht zu Tode gewürgt. Leichte Abweichungen waren ja erlaubt, sogar erwünscht. Die Freiheit, des Schriftstellers! 

Ich werde mich jetzt duschen und ins Bett legen. Träume dann noch ein wenig von der Gänsemagd..... meiner Gänsemagd . Mein Märchen, nach meinen Vorstellungen. Das Böse siegt!

  Der Rohentwurf stand. Das Grundgerüst fertiggestellt. Er würde es morgen nochmals überarbeiten, ein wenig ergänzen, bis es perfekt war. Er war ein klein wenig stolz auf sich. Er war sich sicher. Es war seine Bestimmung. Er würde die alten, vergilbten Märchen aktualisieren. Für die Jugend interessanter gestalten.

In dieser Nacht schlief er tief und fest.

Der MärchenmörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt