Kapitel 19

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Es sich einzugestehen, fiel ihm schwerer als gedacht. Er war sich unsicher, ob er es wagen sollte, denn die Trauer und Wut war noch nicht zur Gänze verschwunden. Trotzdem konnte er nicht länger so tun, als ob nichts wäre.

*Taddls POV*

Als ich die Klasse wieder betreten hatte, lag mir die Enttäuschung noch schwer im Bauch. Mir fehlte die Kraft weiterhin hier zu sein und meine starke Miene aufrecht zu halten, ich wollte einfach nur weg.
Also sagte ich dem Lehrer, dass ich mich gerne abmelden würde, was er natürlich auch bewilligte.
Mit einer lahmen Bewegung hob ich meinen Rucksack vom Boden auf und verließ die Klasse erneut.
Meine Schritte waren müde als ich die Treppen hinunter schlurfte und auf den Schulhof hinaus trat.
Doch mir fiel etwas ins Auge, dass mich zum stehen brachte.
An der Wand hinter der ich mich meistens zurück zog um eine zu rauchen, stand nun jemand anderer, dessen Gesicht mir nur allzu bekannt war.
Ardy hatte den Kopf gegen die Wand gelehnt, die Augen geschlossen und die Hände in den Hosentaschen vergraben.
An seinem gequälten Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass er geweint hatte.
Ich schluckte hart.
Sollte ich zu ihm gehen?
Versuchen ihn zu trösten?
Oder einfach so tun als ob ich ihn nicht gesehen hätte?
Hin und her gerissen begann ich mir unruhig auf der Unterlippe rum zu kauen.
Ein langgezogener Seufzer entwich mir als ich auf mein plötzlich vorhandenes Gewissen hörte.
Mit wirren Gedanken machte ich mich auf den Weg zu dem verzweifelt aussehenden Ardy, welcher sichtlich erschrocken zusammen zuckte als ich vor ihm stehen blieb.

Einige Zeit lang sagte keiner von uns etwas, bis Ardy schließlich die Stille brach.
„Hör zu, ich, ich wollte das nicht sagen, das war bescheuert von mir. Aber ich bin nun mal nicht der Mensch der super mit Gefühlen umgehen kann. In so einem Kitsch-Romantik Film würden sie mich wahrscheinlich erschießen noch bevor ich überhaupt den Mund aufmachen könnte!" er lachte leise auf, doch ich sah die Tränen immer noch in seinen schönen Augen, was mir einen Stich ins Herz versetzte.
„Taddl, das was da zwischen uns war, bei mir zuhause... ich glaube wir sollten darüber sprechen."
Langsam nickte ich.
„Komm mit zu mir, ich hab mich abgemeldet.
„Ja, ich aber nicht!"
„Wen juckt's? Jetzt komm."
Zögernd ließ sich Ardy von mir mitziehen und ins Auto setzten, ehe ich die Fahrt nachhause ansetzte.

Der blauhaarige staunte nicht schlecht als ich die Türe aufschloss und in mein trautes Heim trat.
„Wohnst du alleine?" fragte er, immer noch abwesend vor Begeisterung.
„Nein, meine Mutter wohnt bei mir. Aber die ist fast nie da weil sie sich in irgendwelches scheiss Bars besauft oder sich mit Pillen zudröhnt."
Meine Stimme war in ein Knurren übergegangen und erschrocken musterte mich der Jüngere, sagte aber nichts.
„Und wenn sie da ist, liegt sie auf der Couch weil sie so kaputt ist, dass sie nichts mehr mitbekommt. Manchmal schreit sie mich an als ob sie Paranoider oder so hätte, naja. Ich hoffe nur, dass sie bald in irgendeine Ausnüchterungs Klinik kommt."
Ich setzte mit meiner ach so interessanten Rede fort während ich langsam die Treppen in meinen Stock hoch ging und mich immer wieder versicherte, dass Ardy mir folgte.
„Bevor ich achtzehn war, haben sie ihr eh das Jugendamt an den Hals gehetzt, aber die sind jetzt auch nicht mehr verpflichtet etwas zu tun. Ich habe keinen Bock mich mit Gericht und so herum zu schlagen, also bete ich einfach, dass sie irgendwann mit Drogen erwischt wird und dann endlich abhaut."

Oben angekommen, steuerte ich auf das kleine Wohnzimmer zu, da ich nicht in mein Zimmer wollte. Beziehungsweise nicht wollte, dass Ardy mein Zimmer sah.
Als wir dann endlich nebeneinander auf dem Sofa saßen, trat erst mal betretenes Schweigen ein.
„Du wolltest reden." erinnerte ich ihn dann.
„Ja." er holte tief Luft und begann kleinlaut: „Erstens tut es mir leid, dass ich dich einen - na du weißt schon - genannt habe. Ich finde es nämlich super dass du versuchst aufzuhören!"
Ich schnaubte nur, doch er ließ sich nicht beirren.
„Außerdem wegen dem mit Luna... ich stehe nicht auf sie. Sie ist meine beste Freundin. Und es ist doch komisch auf beste Freunde zu stehen, oder?"
Ich nickte nur zaghaft, da in mir so etwas wie ein Funken Hoffnung zu glühen begann.
„Dann kommen wir zum nächsten Punkt..."

Mittlerweile saß Ardy aufrecht da und ratterte alles runter als ob er sich eine genaue Gedankenliste gemacht hätte, was er alles ansprechen musste. Ich grinste. Das bestätigte nur, dass er nervös war.
„Wegen Samstag Vormittag... klar, du brauchst deine Machtspielchen um dein Ego aufzubauen. Und ja, ich verstehe deinen Drang mir zu beweisen wer von uns beiden der
stärkere ist. Okay, ich muss auch zugeben, dass du das bist."

Mein Grinsen wurde breiter.

„Aber da war etwas, was nicht hätte da sein sollen."
Er stockte und sah mir nun genau in die Augen, während mein Grinsen langsam wieder erstarb.
Was wollte er damit sagen?
„Ich finde wir sind echt gute Freunde geworden, aber aus meiner Sicht ist da noch mehr."

Ich schluckte.
Würde er...?

„Taddl, ich will dir nochmal versichern, dass ich mit Luna nichts anfangen würde, ich habe deine Blicke nämlich gesehen, und wie gesagt, sie ist meine beste Freundin. Und wegen uns..."
Er stockte erneut, lächelte unsicher und sah mich dann wieder an.
„Für mich bist du mehr als ein Freund."

Mein Herz wummerte so hart gegen meinen Brustkorb, dass ich Angst hatte er würde vor Freude auseinander brechen!

„Mir gehts genauso." murmelte ich nun und ich hörte wie meine eigene Stimme vor Freude zitterte.
Ardy seufzte erleichtert und grinste nun breiter, ehe er seine Rede beendete: „Zum Glück siehst du das genauso wie ich. Ich hatte nämlich schon Angst, dass ich mich lächerlich mache, wenn ich dir sage, dass du mein erster-"

Konnte das gerade wirklich wahr sein? Würde er mir wirklich seine Liebe gestehen?
Im Moment war es mir so egal, dass ich es mir bis vor kurzem noch nicht eingestehen wollte, denn ich fühlte mich gerade wie der glücklichste Mensch auf Erden.
Aber Ardy war noch nicht fertig.

„-und damit meine ich wirklich erster... bester Freund bist."

BOOM.
Hallo Realität...

Behind me ~ TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt