Untitled

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Mercy, Love and other Useless Things

Pain ist den meisten Leuten absolut egal.
Nun, um fair zu bleiben, das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Fakt ist jedoch, niemand unterhält sich mit Pain. Punkt. Und deiner Ansicht nach ist das irgendwie traurig, aber andererseits redet mit dir auch niemand wirklich, außer dieser jemand ist kurz davor dich zu verprügeln. Nicht wirklich besser.
Eure Schule ist voll von Gruppe und Cliquen und man sollte denken, dass Pain zu einer dazugehören würde. Er ist schlank, generell gut aussehend, wenn auch mit zahlreichen Piercings im Gesicht und am Körper. Aber das ist per se ja nichts schlechtes.
Du magst das. Und ihn.
Pain scheint aber zumindest ein Einzelgänger aus seiner freien Entscheidung heraus zu sein. Er taucht selten im Unterricht auf und sitzt draußen egal ob es regnet, schneit oder es 30° C im Schatten sind.
Du, auf der anderen Seite, hast es zumindest versucht.
Aber du bist nicht künstlerisch oder theatralisch genug für die Kunst- und Theaterschüler, trägst keine Hornbrille, übergroße Sachen und bist auch nicht wirklich schlau genug, um zu den Strebern zu gehören. Abgesehen, dass du sie nur ebenso zu Opfern machen würdest und du verstehst zumindest den Selbsterhaltungstrieb aus welchem sie dich meiden. Von einer der beliebten und berühmten Cliquen der Schule mal ganz zu schweigen.
Nachdem dir also klar geworden ist, dass die Chancen, dafür, dass du in der nahen Zukunft Freunde findest, nicht allzu groß sind, versuchst du dein Bestes einfach im Hintergrund zu verschwinden. Du machst keinen Blickkontakt mit anderen in den Gängen, antwortest in den Stunden nicht, außer du wirst vom Lehrer aufgerufen, isst deine Mahlzeiten eigentlich nie in der Cafeteria, sondern auf irgendwelchen abgelegenen Ecken und Treppen, und versuchst generell einfach nicht aufzufallen.
Und wenn du währenddessen hin und wieder ein wenig zu viel Zeit damit verbringst Pain heimlich anzustarren, nun keiner wird es je erfahren, nicht?
Unglücklicherweise sind unauffällig sein und deine Klappe halten nicht wirklich deine Stärken, nicht einmal dann, wenn es zu deinem eigenen Besten ist. Deine Eltern und auch andere Leute haben dir immer wieder gesagt, dass dich diese Eigenart früher oder später noch in große Probleme bringen wird. Zu dem damaligen Zeitpunkt war das wohl die Untertreibung des Jahrhunderts, aber wenigstens bist du seitdem ein wenig besser darin geworden, deine Meinung für dich zu behalten.
Jedoch gibt es ein paar Leute an deiner Schule, die all deine erzwungene Zurückhaltung wieder zunichte machen. Es sind nicht mal die zwielichtigen, kleinkriminellen Gestalten oder die Schläger, auch wenn du bei ihnen oft genug mit den Zähnen knirschst und dir auf die Lippen beißen musst, um die Klappe zu halten.
Nein, die Personen, die du meinst, sind einige der älteren, angesagten Schüler, Sportler deren Footbälle bei weitem größer sind als ihr Gehirn, wenn man dich fragen würde. Tut man nicht und das ist alles in allem vielleicht gar nicht so schlecht für dich und deine Gesundheit.
Jedoch siehst du genau so eine Gruppe ein jüngeres Mädchen im Gang fertig machen. Sie ist klein und schmächtig, mit viel Glück vielleicht neunte Klasse, und wirkt als ob sie verzweifelt versucht nicht zu weinen, während der Footballspieler ihre Tasche eine Handbreit über ihren ausgestreckten Armen baumeln lässt.
Ihre Freundinnen, oder zumindest ein paar Mädchen des optisch gleichen Alters, beobachten das Geschehen besorgt und teilweise auch wütend, aber keine von ihnen ist dumm genug einen Konflikt mit ein paar Jungs zu provozieren, die zwei Jahre älter und doppelt so breit sind.
Du wirst dich da nicht einmischen. Sicher hast du Mitleid mit ihr und würdest ihr gern helfen, aber du wirst nichts machen. Du wirst dich umdrehen, wegsehen und weitergehen. Du wirst nicht versuchen ihr zu helfen. Wirklich nicht. Abgesehen davon, dass einer einer von ihnen zupackt und das Mädchen schubst, sodass sie mit dem Rücken gegen die Schließfächer knallt und du dich bewegst, noch bevor du überhaupt wirklich darüber nachdenken kannst.
„Hey! Was zur Hölle ist euer Problem?", fauchst du. Irritiertes Gemurmel geht durch die Schülermassen, als du dir energisch deinen Weg durch diesen bahnst, um zu dem Footballer hinauf zu starren. Und mit hinauf, meist du wirklich hinauf, denn du hast in etwa sie selbe Größe wie die Neuntklässlerin. Nun, vielleicht nicht ganz, aber er ist in jedem Fall bedeutend größer als du, von daher.
Und dann ist da natürlich noch der winzige Teil deines Gehirns, der die Situation, in die du dich gerade so elegant gebracht hast, mittlerweile begriffen hat und sich allein aufgrund dieser Tatsache fragt, was du da eigentlich gerade machst.
„Hast du was gesagt?", schnaubt der Junge verächtlich, sich von dir abwendend. Du hingegen verengst nachdenklich die Augen und versuchst einen Namen zu dem Gesicht vor dir zu finden. Nach einigen Sekunden gibst du jedoch erfolglos auf.
„Ich weiß nicht, aber wenn du schon Bücher von Leuten, die halb so groß sind wie du, stehlen musst, dann solltest du auch gleich mal probieren diese zu lesen. Es könnte deinen Wortschatz auf ein Niveau über dem eines Fünftklässlers erweitern", erwiderst du, weil du ein Idiot bist und offensichtlich für die letzten zwanzig Sekunden oder so vergessen hast, dass dein Gegenüber immer begleitet von einem ganzen Footballteam kommt, wovon selbst der kleinste mindestens doppelt so viel Muskelmasse hat wie du und wovon letztendlich alle darauf spezialisiert sind, Leute aus Spaß aus dem Weg zu tackeln.
Nicht, dass er für dich diesen Haufen bräuchte. Du bist vielleicht nicht so winzig, wie die Neuntklässlerin, aber das hilft dir ihm gegenüber nichts. Er ist Footballer und zwei Meter groß, er müsste sich bei dir nicht mal wirklich anstrengen, wie dir in einem unerwarteten Moment der Klarheit bewusst wird. Dieser Moment hält leider keine Sekunde an.
Der Faustschlag kommt noch bevor du die Bewegung überhaupt wirklich realisieren kannst, während in der Schülermasse um euch herum plötzlich in Lärm ausbricht und vereinzelt Anfeuerungsrufe zu hören sind, die schnell mehr werden. Schmerz breitet sich auf deinem Gesicht aus und du stolperst rückwärts, stürzt beinahe dabei, ehe du dich wieder fängst. Dann wischst du dir deine Nase mit deiner Hand ab und starrst für einen Moment auf das Blut, das du dabei über deinen Handrücken geschmiert hast.
Du zwingst dich aufzusehen, gerade rechtzeitig um dem nächsten Schlag gerade so noch auszuweichen, und greifst blind nach einem der herumliegenden Pappordner, mit dem du es schaffst den nächsten Schlag irgendwie abzublocken, nur um ihn im nächsten Moment grob aus den Händen gerissen zu bekommen.
Die Metalltüren der Schließfächer kollidieren hart mit deinen Schulterblättern, als du gegen diese am Kragen deines Oberteils hochgehoben wirst. Der Junge grinst dich höhnisch an, sein Gesicht viel, viel zu nah an deinem. Und du bemerkst entfernt wie deine Atmung angestrengter wird und die Panik sich eiskalt in dir ausbreitet und versuchst beides zu ignorieren, als du eine Mischung aus Speichel und Blut auf den Boden spuckst.
„Ich kann das den ganzen Tag lang machen", krächzt du beinahe, dein Versuch ein Knurren in deine Worte zu legen, wird mehr zu einem atemlosen Keuchen.
Die Masse um euch ist ebenfalls etwas leiser geworden, das anfängliche Chaos hat sich in eine beinahe morbide Faszination gewandelt und es wohl ist nur noch eine Frage von Sekunden, bis der Erste sein Handy aus der Tasche kramt, um den Schlagabtausch zu filmen.
Diese Stille macht es auch möglich ein etwas ungewöhnliches Geräusch zu vernehmen.
Das zischenden Anbrennen eines Streichholzes ist unerwartet laut in dem nun wirklich leisen Korridor, als sich die meisten Köpfe, deiner eingeschlossen, zur Quelle des Geräusches drehen.
Pain, orange Haare gewohnt unfrisiert und in alle Richtungen abstehend, gekleidet in seiner üblichen Kombination aus schwarz und leicht zerrissenen Sachen, starrt mit kaltem Interesse zurück und hält so die Aufmerksamkeit mittlerweile aller Anwesenden.
Die Flamme mit einer Hand schützend, hebt er das Streichholz an seine Lippen und entzündet damit die Zigarette in seinen Mundwinkel. Mit einem leichten Grinsen atmet er ein, bevor er beinahe gelangweilt den Rauch in Richtung seiner versammelten Beobachter bläst. Die gespannte Stille weicht mehr und mehr der Verwirrung. Einige starren ihn noch immer an, einige blicken verwirrt ihre Mitschüler an, ein paar geflüsterte „Was zur Hölle-?" sind auch zu hören.
Bis er schließlich, beinahe beiläufig, die Zigarette näher zur Decke hebt. Näher zu einem der Rauchmelder, die in jedem Gang hängen, wie du nach zweimaligen Blinzeln feststellst. Danach liegen deine Augen jedoch gebannt auf ihm, da er sich streckt und auf Zehenspitzen stellt und dadurch ein heller Streifen Haut an seiner Hüfte sichtbar wird.
Du vergisst für einen Moment beinahe, dass du noch immer am Kragen gegen ein Schließfach gedrückt wirst, bis du versuchst zu schluckten. Wobei es ab diesem Zeitpunkt auch egal ist, da die Stille vom schrillen Läuten des Feueralarms durchbrochen wird und wenige Augenblicke später die Sprinkleranlage im gesamten Korridor einsetzt.
Du wirst augenblicklich fallen gelassen und bleibst leicht benommen gegen die Schließfächer gelehnt sitzen, das Fluchen und die Stimmen der sich schnell verziehenden Masse über die Sirene ohnehin kaum wahrnehmend. Aus dem Augenwinkel sieht du wie dein Peiniger und seine Leute den Gang entlang hetzen. Einer von ihnen rammt seine Schulter in Pains, doch dieser bleibt einfach stehen, leicht lachend als er seine durchweichte Zigarette weg schnippt.
Du würdest dich gern konzentrieren, wirklich. Vor dir steht immerhin, nur wenige Meter entfernt, Pain, völlig durchnässt, mit Kleidung, die an seinem Körper klebt und damit nicht mehr viel Spielraum für deine Phantasie lässt. Aber momentan braucht es deine volle Aufmerksamkeit genug Luft in deine Lungen zu bekommen und nicht panisch zu werden, weil es eben doch nicht genug ist.
Der Versuch nicht panisch zu werden, hält nicht lange. Deine Atmung wird zitternder, flacher und vor allem schneller, deine Augen weiten sich und du siehst trotzdem nicht mehr wirklich was vor dir ist. Plötzlich ist eine kalte Berührung an deinem Hals und etwas solides legt sich beinahe beruhigend auf deine Schulter. Eine große Gestalt kniet vor dir und der Geruch von Zigarettenrauch und ganz schwach der von Zitrusfrucht umgibt dich.
Ohne darüber nachzudenken atmest du tiefer ein, immer noch zitternd, aber zumindest das Gefühl zu ersticken lässt etwas nach. Nach einigen weiteren Atemzügen, und nachdem dein Blick auch wieder an Fokus gewonnen hat, bist du wieder ruhig genug, um den Jungen vor dir anzusehen. Dein Blick bleibt mehrmals an den Wassertropfen hängen, die über seine Haut fließen, ehe du bei seinen Augen ankommst, nur um festzustellen, dass sein Blick beobachtend auf dir liegt, Augen konzentriert, Gesicht ausdruckslos.
Sobald deine Atmung sich endgültig normalisiert hat und auch normal zu bleiben scheint, zieht er dich mit einem Ruck auf die Beine und hält dich im ersten Moment an beiden Schultern gegen das Schließfach hinter dir. Lange genug, dass ihr beide sicher seit, dass du tatsächlich stehen bleibst, wenn er dich loslässt. Dann zieht er von irgendwo ein einigermaßen trockenes Taschentuch und hält deinen Kopf mit einer Hand still, während er mit der anderen das sich langsam verdünnende Blut an deiner Nase und deinem Kinn abwischt.
Er lässt das blutige Taschentuch achtlos auf den Boden fallen und betrachtet dich danach nur mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck. Du starrst zurück, bis dein Gehirn schließlich mit den vorangegangene Ereignisse aufgeholt hat und du dir der ganzen Situation auf einmal voll bewusst bist.
Du blinzelst und in dieser Sekunde hat Pain sich bereits abgewandt und schlendert geradezu den Gang entlang, als die Sprinkleranlage und die Sirene endlich abschalten und mit einem Mal Stille euch umgibt.
„Uh - Danke?" rufst du ihm etwas verspätet nach. Deine Stimme klingt heiser und du realisierst, dass deine Kehle wohl doch etwas mehr gelitten hat, als erwartet.
„Vergiss es", ruft Pain zurück ohne sich auch nur zu dir umzudrehen.
Es klingt ein wenig wie eine Drohung. Du bist dir nicht ganz sicher, ob du nicht vielleicht eher Angst haben solltest, statt ihm mit rotem Gesicht nach zu starren.
-
Du lebst eine gute halbe Stunde von der Schule entfernt. Was extrem unpraktisch ist, da du zwei verschiedene Busse nehmen musst, um von einen Ort zum anderen zu kommen. Jedoch hat es auch seinen Vorteil. Immerhin siehst du auf diese Art so gut wie nie jemanden von deiner Schule auch nur in der Nähe deiner Wohngegend.
Deine Nase war noch immer etwas geschwollen und auch das Schlucken noch nicht wieder ganz schmerzfrei, als du heute nach Hause gekommen bist. Jedoch hast du es geschafft deine Eltern mit der vagen Lüge, dass du gegen die Tür eines Schließfaches gelaufen bist, abzuspeisen. Was schlussendlich ja gar nicht mal so weit von der Wahrheit entfernt ist. Ob sie dir wirklich geglaubt haben, weißt du nicht sicher, aber in jedem Fall warst du überzeugend genug, dass sie dich nicht im Haus behalten haben.
So kommt es, dass du auf einer Bank im Park sitzt und versuchst gleichzeitig die verbleibenden Schmerzen zu ignorieren und das Buch in deinen Händen zu Ende zu lesen, als sich ein Schatten über dich legt. Du drehst dich langsam um, beinahe in Erwartung, dass dir der Footballerhaufen bis hierher gefolgt ist, um es zu Ende zubringen.
Der Anblick, der dich erwartet, ist nicht ganz was du befürchtet hast, was nicht bedeutet, dass er unbedingt weniger absurd ist.
Konan steht vor dir, wie immer mit blau gefärbten Haaren, gefalteter Rose in diesen, in ein enges Top und eine dunkle Hose gekleidet und den langen, noch dunkleren Mantel über die Schulter geworfen. Neben ihr Hidan, trotz der Temperaturen noch immer halb oberkörperfrei und mit etwas, das für deinen Geschmack viel zu sehr nach einer Sense, deren Klinge man in einen Stoffbeutel gewickelt hat, aussieht, über der Schulter.
„Nun, ich kann definitiv sagen, dass das die kreativste Waffe ist, mit der ich je bedroht wurde", setzt du schließlich an, nachdem klar wird, dass keiner von beiden etwas sagen wird, und hebst fragend eine Augenbraue in Richtung Hidan, der dich beinahe gelangweilt fixiert. „Aber ich habe kein Essensgeld bei mir, also verschwendet ihr hier eure Zeit."
„Wir sind nicht hier um uns dein Geld zu holen", erklärt dir Konan, eine Hand an der Hüfte und mattblaue Haare im Wind wehend. Sie lächelt dich kurz an. „Nagato hat erzählt, dass du meiner Schwester geholfen hast."
„Was m-," beginnst du, brichst jedoch ab, als Hidan beiläufig in Richtung deiner Nase deutet. Es würde wohl als eine beinahe freundliche Geste durchgehen, wäre es nicht für sein dezent beunruhigendes Grinsen und den Fakt, dass er statt mit der Hand mit dem unteren Ende seiner Sense gestikuliert. Und sicher, es ist nur Holz, die Klinge ist an der anderen Seite, aber das beruhigt dich bei ihm nicht wirklich.
Durch diesen Gedanken etwas abgelenkt, realisierst du erst einen Moment später, was er mit der Geste gemeint hat. „Oh! Richtig. Das war deine Schwester?"
„Mmhm", Konan nickte nur und sieht dich nachdenklich an.
Du nickst und erwiderst ihren Blick einen Moment lang. „Okay. Und... wer ist Nagato?"
„Pain", wirft Hidan gelangweilt ein. Du nickst wieder, jetzt mit der etwas verspäteten Überlegung, dass Pain wohl kaum sein richtiger Name sein kann. Mit dieser Erkenntnis kommt auch ungefragt die Erinnerung an ihn zurück, im Gang mit durchnässter, an ihm klebender Kleidung, und du richtest deinen Blick schnell nach unten, als du spürst wie sich deine Wangen rot färben.
„Ich schulde dir was", erklärt dir Konan sachlich, ehe sie sich leicht dreht, um auf einen grauen Wohnblock auf der anderen Seite des Park zu starren. „Ich lebe in dem Wohnhaus da drüben. Also wenn du je was brauchst -" Sie beendete den Satz nicht, zuckte nur mit den Schultern und wandte sich zum gehen, dicht gefolgt von Hidan. Du kannst nicht verhindern, dich ein wenig verwirrt zu fühlen, als du den beiden hinterher blickst. Schließlich rufst du ihnen nach:
„Also – wenn ich je jemanden um die Ecke bringen lassen muss, sag ich einfach euch Bescheid?"
Bei diesen Worten bleibt Konan stehen, doch Hidans Schultern zucken, wenn du raten müsstest, wohl mit stummen Lachen. Dies wird nur bestätigt, als er seinen Kopf dreht um dich über die Schulter hinweg anzusehen. Auf seinem Gesicht liegt ein Grinsen, einmal nicht leicht psychopathisch, sondern aufrichtig amüsiert.
„So was in der Art, Kleine."
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Es wird noch seltsamer als das.
Im Klassenzimmer taucht Pain auf und setzt sich an den Tisch neben dir. Er starrt jeden in Grund und Boden, der auch nur länger als nötig oder mit einem Grinsen in eure Richtung blickt, sagt jedoch nichts zu dir.
Für dich kommt die gesamte Stunde hier, neben ihm, Folter gleich. Zuerst versuchst du ihn einfach zu ignorieren, nachdem klar wird, dass er dich nicht beachten wird, doch der Geruch nach kalten Zigarettenrauch und Zitrusfrucht steigt dir in die Nase und geht dir anschließend nicht mehr aus dem Kopf. Damit wird klar, dass Ignorieren ein sinnloses Unterfangen ist und die erlaubst dir ein paar unauffällige Blicke in seine Richtung. Im laufe der Stunde sind deine Augen, so oft sein Profil abgewandert, dass du das Gefühl hast, es nie wieder vergessen zu können. Nicht dass du das wollen würdest.
Am nächsten Tag ist Pain nirgendwo zu sehen und am Tag danach sitzt er am hinteren Ende des Zimmer und zwischenzeitlich auf dem Fensterbrett, Füße auf der Heizung unter ihm, und ohne auch nur ein einziges Mal in deine Richtung zu blicken.
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Itachi Uchiha ist im gleichen Jahrgang wie du, aber neben seinem Aussehen offensichtlich reichlich uninteressant für die Gerüchteküche, da er weder positiv noch negativ auffällt und soziale Events ohnehin meidet. Damit hält sich auch dein Wissen über ihn in argen Grenzen. Er ist der ältere Bruder von Sasuke Uchiha, dem Mädchenschwarm schlechthin, er hat für ein Genie überraschend gute Verbindungen zum Footballteam der Schule durch Kisame, einen der Quarterbacks, und verbringt mit ebendiesen anscheinend auch einen Großteil seiner Zeit. Das waren die Fakten.
In jedem Fall weißt du aber sicher, dass er in all den Jahren, die ihr dieselbe Schule besucht, noch nicht ein Wort mit dir gesprochen hat. Nun, zumindest bis heute.
Du stehst im Gang an deinem Schließfach und suchst deine Bücher zusammen, als er mit einem Mal neben dir auftaucht. Zuerst reagierst du nicht, immerhin der Gang ist voll und egal wer neben dir steht, er wird schon nichts von dir wollen. Erst als du deinen Namen hörst, siehst du auf und erstarrst in deiner Bewegung, als du Itachi erkennst.
Er wirkt ruhig, aber das muss nichts heißen, er sieht nach außen hin immer ruhig aus. Du machst unbewusst einen Schritt zurück und verlierst prompt dein Gleichgewicht, als du über deine Tasche stolperst, die du zu deinen Füßen vergessen hast.
Noch bevor du allerdings reagieren kannst, jedoch erst nachdem der Bücherstapel aus deinen Händen laut auf den Gang gefallen ist, hält er dich am Ellenbogen fest und zieht dich wieder in eine aufrecht Position.
„Beruhige dich. Ich habe gehört, dass du Sumire geholfen hast und wollte nur mit dir sprechen", erklärt er, noch immer ruhig, aber minimal amüsiert, vermutlich auf deine Kosten.
Ein kurzer Blick durch den Gang verrät, dass er damit nicht der Einzige ist. Und das Itachi anscheinend beim anderen Geschlecht genauso beliebt ist, wie sein Bruder, wenn sie giftigen Blick einiger andere Mädchen irgendein Indikator sind.
Du willst darüber lieber nicht nachdenken, stattdessen fragst du: „Sumire?"
„Konans jüngere Schwester."
Du nickst verstehend, auch wenn du es nicht wirklich verstehst, was Itachi als Aufforderung deutet weiterzusprechen. „Ich habe darüber mit Kisame gesprochen und er wird es mit dem Team klären. Das wird die Sache hoffentlich regeln und einen weiteren Vorfall dieser Art verhindern."
Du starrst ihn einen Moment stumm an, unschlüssig was du darauf bitte erwidern sollst.
„Ich kann auf mich selbst aufpassen", ist schließlich die Antwort für die sich dein Gehirn entscheidet und du willst dir auf die Zunge beißen, noch bevor du es überhaupt ganz ausgesprochen hast.
Glücklicherweise scheint Itachi es dir nicht übel zu nehmen, im Gegenteil lächelt er sogar für einen Moment schwach.
„Das habe ich auch nicht behauptet. Wenn nichts anderes, dann sieh es als Dank, dafür, dass du Sumire geholfen hast."
„Okay, danke, wirklich", murmelst du schließlich und lächelst leicht. Es ist dir zwar irgendwie unangenehm, aber andererseits hast du wirklich nichts dagegen so bald nicht wieder mit dem Footballteam aneinander zu geraten. Für Itachi scheint sich damit der Grund dieses Gespräches erledigt zu haben, denn er nickt dir noch kurz zu, ehe er seinen Weg durch den Korridor fortsetzt.
Einen Moment lang siehst du ihm nach und überlegst, was wohl ihn und Konans kleine Schwester verbindet, dass er sich die Mühe macht ihrer Retterin zu danken. Dann schüttelst du nur den Kopf, es geht dich ja doch nichts an und wenn tatsächlich etwas zwischen ihnen wäre, wärst du ja wohl die Letzte, die es erfahren würde. Mit diesem Gedanken lässt du dein Schließfach ins Schloss fallen und als du den Korridor hinunter blickst, entdeckst du ein bekanntest Gesicht, dessen Augen fest auf dir liegen.
Für einen Moment scheint Pain wie erstarrt, ehe er seinen Blick abwendet, den Gang entlang an dir vorbei läuft und mit voller Absicht gegen deine Schulter stößt.

Als du im Englischunterricht ankommst, stellst du fest, dass dein Kugelschreiber, denn du zuvor in deine Tasche gepackt hast, fehlt und das Pain, in der letzten Reihe sitzend, einen dir nur zu bekannten Kuli zwischen den Fingern hat. Aber als du etwas tiefer in deine Tasche greifst, bekommst du einen Kaugummistreifen zu fassen, den du mit absoluter Sicherheit nicht selbst rein getan hast.
Als du auf ihn beißt, breitet sich der beinahe schon erwartete Geschmack von Zitrusfrucht in deinem Mund aus.
Du kannst dein Grinsen nicht unterdrücken, selbst als deine Lehrerin fragt, was denn bitte so witzig wäre und dir danach drei mal mit Nachsitzen droht.
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Du wagst dich in die Cafeteria an einem Mittwoch Nachmittag aus einer Vielzahl von Gründen. Um nur ein paar zu nennen: du bist es Leid in abgelegenen Ecken zu essen, deine Essenszeit ist zu einem so ungünstigen Zeitpunkt, dass der Raum beinahe leer ist, wenn du dein Essen hast, und du glaubst, dass Kisames Worte beim Team tatsächlich etwas erreicht haben könnten. Und falls wirklich etwas passieren sollte, hast du noch immer die vermutlich naive Hoffnung, dass Konan aus dem Nichts auftauchen wird, um ihre Schuld einzulösen und dich zu retten.
Es sollte wohl etwas unangenehm sein völlig allein zu essen, aber du sitzt an einem Tisch in der Ecke nahe eines angekippten Fensters, lässt dich vom warmen Herbstwind umwehen, kritzelst mit dem Kuli mit dem du eigentlich noch mal über deine Hausaufgaben gehen wolltest auf einer Serviette rum und genießt deine warme Mahlzeit.
Die Ruhe des Momentes wird jäh unterbrochen, als jemand sein Tablett dir gegenüber auf den Tisch knallt.
Du zuckst zusammen und musst dir auf die Lippen beißen, um kein peinliches, erschrecktes Geräusch von dir zu geben. Sobald du dich wieder unter Kontrolle hast, siehst du unsicher auf und blinzelst, langsam und leicht geschockt darüber Pain dir gegenüber sitzen zu sehen. Und als ob er dein Starren spürt, sieht Pain auf und bedenkt dich mit einem ausdruckslosen Blick und einer leicht fragend gehobenen Augenbraue.
„Kleine", murrt Pain schließlich als Begrüßung, als klar wird, dass du nichts sagen wirst, ehe er sich ganz seinem Essen zuwendet.
„Nagato", erwiderst du reflexartig und zu verblüfft um weiter darüber nachzudenken, dass du ihm bei seinem richtigen Namen genannt hast. Aber nur, weil du von ihm als Pain denkst, muss ja nicht heißen, dass du ihn auch so nennen darfst. Immerhin kennt ihr euch nicht.
Du bist derart in Gedanken versunken, dass du nicht bemerkst wie Pain leicht aufsieht und sich der Ausdruck in seinen Augen etwas verdunkelt. Stattdessen lässt du deinen Blick über sein Gesicht wandern, die Chance nutzend, das einmal so offensichtlich machen zu können. Er hat den Eyeliner heute weggelassen, wie du feststelltest, stattdessen bedeckt schwarzer Nagellack seine Fingernägel. Seine orange Haare, du weißt bis heute nicht sicher, ob sie gefärbt sind oder nicht, fallen strähnig in sein Gesicht. Deine Augen wandern weiter zu seinen Lippen, die sich bewegen, und -
„Wie bitte?", entfährt es dir, als dir mit einem Mal bewusst wird, dass egal was Pain gerade gesagt hat, du es völlig überhört hast. Er betrachtet dich einen Moment ausdruckslos, ehe der Ausdruck aus seinem Blick verschwindet und sich ein Grinsen auf seinen Lippen bildet. Du zweifelst keine Sekunde daran, dass deine glühenden Wangen der Grund dafür sind.
„Pain. Nenn mich Pain", wiederholt er.
„Okay", antwortest du und nickst. Nach einem Moment später fügst du unüberlegt hinzu: „Nenn mich dann auch bei meinem Namen."
Pain wirkt für einen Augenblick beinahe überrascht, ehe er dich einige Sekunden nachdenklich ansieht bis er zu einem Entschluss zu kommen scheint.
„Eher nicht. Nein", ist seine trockene Antwort. Ein Moment lang herrscht Stille zwischen euch und du kannst nicht verhindern dich zu fragen, ob du es mit der Frage vermasselt hast.
Doch dann lacht Pain. Es ist leise und halb unterdrückt, aber du hörst es trotzdem und erlaubst dir dein eigenes Grinsen. Als Pain seinen Kopf schüttelt und sich wieder seinem Essen zuwendest, ist das Grinsen bei keinem von euch verschwunden.

Erst sehr viel später fällt dir auf, dass du Pain deinen Namen nie gesagt hast.
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An einem unbestimmten Punkt zwischen eurem ersten Treffen und der Gegenwart werden du und Pain zu Freunden. Wirklich, du weißt auch nicht, wann es passiert ist.
Genauso wenig, wie du weißt, wie es passiert ist. Hauptsächlich, weil Pain einfach unheimlich ist. Er spricht so gut wie nie und verbringt den Großteil seiner Zeit damit Leute ausdruckslos und gleichzeitig herablassend anzusehen. Passive Aggressivität in ihrer Reinform, wie du dir manchmal denkst. Aber er sieht dich nicht so an, was, nun ja, in jedem Fall nett ist.
Und sein Schweigen lässt dir Zeit die Stille zu füllen, was schön ist, wenn auch etwas ungewohnt. Du redest gern und bist von Natur aus jemand, der sich anderen gern mitteilt, häufig auch völlig ungefiltert. Daher ist es überraschend befreiend, dass du mit Pain einfach reden kannst. Ihr sitzt in der Bibliothek, in einer Ecke mit kaputtem Rauchmelder, und du bist dabei ihm alles über Kunstgeschichte zu erzählen, was du weißt.
Pain sitzt neben dir, raucht bereits seine dritte oder vierte Zigarette, und nickt hin und wieder. Er wirkt zufrieden, anstatt genervt, was dich unerklärlich glücklich macht. Immerhin weißt du genau, dass du Leuten schnell auf den Nerv gehst, wenn du erst mal anfängt über Kunst zu reden. Du hast eine Begeisterung für dieses Thema, die niemand so wirklich teilt, weshalb man dir meist sehr schnell zu verstehen gibt, die Klappe zu halten.
Aber hier kannst du reden und hast es geschafft fließend von Gemälden der Renaissance aus Frankreich irgendwie zu den neusten Mangas aus Japan zu kommen. Gerade erzählst du von der neuen, recht unbekannten Mangareihe, die du entdeckt hast und die du gern lesen würdest, wenn dein Geld nicht gerade etwas zu knapp wäre.
Und Pain wirkt noch immer nicht genervt von deinem Gequassel. Stattdessen wirft er sogar hin und wieder einen Kommentar ein, der zwar inhaltlich kaum Relevanz hat, dich aber trotzdem das eine oder andere Mal zum Lachen bringt.
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Es ist Ende Oktober, als du zusammen mit Pain Englisch schwänzt. Eigentlich ist das nicht deine Art, aber Opfer müssen gebracht werden. Zudem, es ist nur Englisch, es ist nicht so, als ob er etwas wichtiges verpassen würde. Nicht bei deiner Lehrerin.
So sitzt ihr draußen auf einem kleinen Grashang nahe der Sportanlagen und damit weit genug von dem Schulgebäude entfernt, um nicht zufällig entdeckt zu werden. Es ist bewölkt, grau und hässlich und ein kalter Wind weht. Du bemühst dich dein Zittern zu unterdrücken und denkst darüber nach, wie gern du jetzt drinnen wärst, während Pain neben dir eine neue Zigarette ansteckt. Wie jedes Mal bietet er sie dir wortlos an und wie jedes Mal lehnst du ab und schüttelst du nur stumm den Kopf.
„Ist dir kalt?", fragt Pain nach zwei tiefen Zügen plötzlich. Überrascht drehst du deinen Kopf und erkennst, dass er deine Gänsehaut bereits bemerkt hat. Du willst etwas erwidern, stockst aber noch vor dem ersten Buchstaben, als Pains Blick zu deinen Lippen wandert, die bereits rot vor Kälte sein müssen, und dort für einen Moment hängen zu bleiben scheint.
Denk gar nicht erst dran. Das hast du dir sowieso nur eingebildet, stellt der kleine, schmerzhaft rationale Teil deines Gehirns fest, der geschwiegen hat seit dem Zwischenfall mit Konans jüngerer Schwester. Und er hat wohl auch Recht, denn Pain würde doch nie-
„Ein bisschen", antwortest du hastig, auch wenn du deine Stimme noch wieder ganz unter Kontrolle hast, einfach um diesen Gedankengang zu unterbrechen. Und um dich davon abzulenken, wie Pain einen Moment unschlüssig auf seiner Zigarette herumkaut, ehe er seine Jacke auszieht und sich zu dir rüber lehnt.
„Uh, Pain, du musst nicht- ", setzt du an, du brichst allerdings verlegen ab, als Pain dir seine schwarze, abgetragene Jacke über die Schultern legt. Ein Schauer geht durch deinen Körper, trotz der Wärme, die dich mit einem Mal einhüllt, und du widerstehst dem Drang, dich gegen Pain Hand zu lehnen, die für den Moment noch auf deiner Schulter ruht.
„Sag doch einfach was. Es bringt nichts cool zu tun und sich dann eine Erkältung zu holen, Kleine", murmelt Pain etwas unverständlich um seine Zigarette herum, während der Herbstwind den hellen Rauch Richtung Himmel trägt. Du magst den Geruch von Zigarettenrauch zugegeben nicht wirklich, aber zu beobachten wie sich Pain Lippen um den Rauch herum formen, macht den unangenehmen Geruch allemal wert.
Bevor du jedoch weiter darüber nachdenken kannst, kommt dir ein Gedanke und du runzelst die Stirn.
„Warum nennst du mich immer 'Kleine'?", fragst du und bemühst dich nicht zu lächeln, als Pain nur eine Augenbraue hebt und dich beinahe herausfordernd ansieht. „Du bist doch nicht mal ein halbes Jahr älter als ich. Und du kennst meinen Namen", fügst du noch hinzu. Mittlerweile weißt du, dass er ihn kennst, auch wenn du dir nicht sicher bist woher, denn du es ihm nie gesagt.
Er zuckt mit einer Schulter. „Ist nicht meine Schuld, dass du aussiehst, als ob sie Siebte oder Achte sein solltest."
Dein Lächeln verschwindet bei diesen Worten völlig. Er meint es nicht so, dass weißt du, aber du hast so was schon zu oft gehört, um nicht darauf zu reagieren. Mit zusammengebissene Zähnen, wendest du dich daher ab und starrst wütend auf den Sportplatz unter euch. Du weißt ohnehin genau, dass du von ihm keine Entschuldigung bekommen-
„Sorry."
...Richtig. Nun, soviel dazu.
„Ist okay", antwortest du nur halbherzig. Der Kommentar schwebt noch immer in deinem Kopf herum. Sicher, du weißt auch, dass du zu jung aussiehst, du hast den Spott darüber schließlich oft genug gehört, aber gerade deswegen brauchst du es nicht noch mal hören, gerade nicht von ihm. Somit starrst weiterhin stur gerade aus. Du hältst es auch durch, bis Pain dir einen leichten Stoß gegen die Schulter gibt, etwas zu grob, sodass du zur Seite kippst und du dich umgedreht hast, um dich dafür zu revanchieren, noch bevor du darüber nachdenken kannst.
Pain lacht leise und rau und auch du kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf deinen Lippen ausbreitet, auch wenn du ihm noch einen Schubs versetzt, jetzt mit all deiner Kraft. Du erreichst damit kaum mehr, als er mit seinem halbherzigen Versuch zuvor bei dir, und sorgst nur dafür, dass er noch etwas mehr lacht. Es ist ansteckend und du stimmt nach wenigen Sekunde mit ein.
Nachdem ihr euch beide wieder beruhigt habt, sitzt ihr in angenehmer, entspannter Stille. Pain raucht und du lehnte dich zurück, und unbewusst leicht in seine Richtung, und trinkst etwas aus der Flasche, die er dabei hat.
Du bist dir nicht ganz sicher, was eigentlich drin ist. Laut Pain war weder Alkohol noch irgendetwas illegales unter den Zutaten und noch fühlst du dich auch nicht benommen, von daher glaubst du ihm. Und es interessiert dich letztendlich doch nicht genug, um zu versuchen es aus ihm herauszubekommen. Es schmeckt in jedem Fall, süßlich-scharf und leicht nach Zitrusfrucht, und darauf kommt es an.
„Willst du meine Tattoos sehen?", bietet Pain wie aus dem Nichts an, nachdem er sich eine neue Zigarette angesteckt hat. Und für dich ist das wie eine weitere Entschuldigung, fast noch besser als eine, besonders weil Pain sich näher zu dir lehnt und beginnt seinen Ärmel nach oben zu schieben.
Aber natürlich schaffst du es die Situation zu ruinieren, als du dich verschluckst, noch immer ein klein wenig überwältigt von Pains Vorschlag, und zu husten beginnst, da du keine Luft mehr bekommst.
Pain zögert einen Moment neben dir, ehe er über deine Schulter greift und dir hart auf den Rücken klopft. Es tut zwar etwas weh, aber in jedem Fall hilft es, denn du kannst wieder atmen.
„Alles okay?", fragt Pain, nachdem du ein paar Mal tief Luft geholt hast, und erst jetzt bemerkst du, dass sein Arm noch immer auf deiner Schulter liegt und er sich zu dir vor gebeugt hat. Ihr seit nur Zentimeter voneinander entfernt und du kannst dich nicht daran erinnern, wann du das letzte Mal jemanden auf diese Art so nah warst. Vermutlich noch nie.
Du kannst seinen Atem gegen seine Lippen spüren und den Geruch von Rauch vermischt mit Zitrusfrucht wahrnehmen. Und du stellst dir vor, was passieren würde, wenn du den letzten Abstand zwischen euch überbrücken würdest, wie sich die Lippen unter deinen anfühlen würden. Allein das ist fast zu viel und es löst fast einen körperlichen Schmerz aus, es nur zu denken.
Doch bevor du etwas tun kannst, was du bereuen wirst, ist der Moment auch schon vorbei. Pain lacht leise, schüttelt den Kopf und lehnt sich zurück.
„Du bist ein Idiot."
„Selber."
„Sicher."
„Ich dachte, du wolltest mir deine Tattoos zeigen", erinnerst du ihn und rollst deine Augen. Pain grinst kurz, ehe er seinen Ärmel weiter nach oben schiebt und die Farbe und Tinte sichtbar wird, die seinen Arm bedeckt.
Du streckst vorsichtig deine Hand aus und zeichnest ein Symbol dessen Bedeutung du nicht kennst nach. Einfach, weil du dich für Kunst interessiert. Nicht mehr als das, nur objektives Interesse in der Kunst, die du vor dir siehst.
Und wenn Pain jetzt auch lächelt, nun, vielleicht mag er Kunst und alles doch mehr als du dachtest.
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Das Leben wäre ein ganzes Stück einfacher, wenn das Footballteam einfach lernen würde, das Mädchen in Ruhe zu lassen.
Es ist nicht so, dass Pain übermäßig darüber verärgert wäre. Nur frustriert es irgendwie zu sehen, dass anscheinend die Worte des Uchihas, ebenso wie die Warnung des Quarterbacks Hoshigaki nicht mal eine Woche lang in in den Schädeln dieser Idioten geblieben sind und die Tatsache, dass er die letzten Wochen fast immer an ihrer Seite war, offensichtlich auch nicht genug ist, um die Erkenntnis zu bewirken, dass sie einfach kein gutes Opfer mehr darstellt. Dabei sollte es nicht schwer zu erkennen sein, dass wer auch immer sich mit ihr anlegt, sich auch mit ihm anlegt und-
Okay, vielleicht ist er doch ein wenig angepisst von allem.
Besonders seit den Blutergüssen an Schulter und Oberarm, die sie einige Wochen zuvor irgendwie in den fünf Minuten zwischen Mathe und Biologie erlangt hat. Seitdem hat er begonnen am Ende der Stunde vor ihren Klassenzimmern wie zufällig aufzutauchen, er hatte ihren Stundenplan sowieso schon so gut wie im Kopf, und sie zu begleiten, ein Auge auf jeden, der sie auch nur seltsam ansieht.
Ihm ist bewusst, dass die Kleine sehr schnell realisieren wird, dass es selbst für ihn einfach unmöglich ist, wirklich immer zufällig da zu sein, wenn ihre Klasse endet. Und wenn sie es erst mal realisiert, dann wird es wohl unschön werden, bei ihrer Abneigung als schwach dazustehen und Hilfe von anderen deswegen zu bekommen. Bis dahin jedoch, wird er weiterhin an ihrer der Seite bleiben.
Nicht, dass er sich Sorgen um sie machen würde.
Nein, dass wäre ja absolut verrückt. Es ist immerhin nicht so, dass er sich gute neunzig Prozent der Zeit zwanghaft Sorgen um ein Mädchen machen muss, das es irgendwie einfach nicht schafft sich aus Ärger raus zuhalten.
Aus diesem Grund rollt er auch mit den Augen, selbst wenn sich zeitgleich ein ungutes Gefühl in ihm ausbreitet, als er im Korridor das allzu bekannte Chaos ausbrechen hört. Er selbst war noch im Bad und ist gerade im Begriff sich die Hände abzutrocknen, als er eine der Stimmen selbst durch den Lärm und das Stimmgewirr erkennt und ihm mit einem Mal eiskalt wird.
Die Tür mit so viel Kraft aufstoßend, dass sie laut gegen die Wand knallt, kommt er genau richtig um zu sehen wie einer der Footballer, derselbe der damals schon die Kleine bedroht hat, zu einem Tritt in ihren Magen ansetzt
Während sie selbst bereits am Boden ist und verzweifelt versucht, wieder auf die Beine zu kommen, nur um jedes Mal die Füße unter sich weggetreten zu bekommen.
Natürlich steht Pain dem Ganzen mit eher gemischten Gefühlen gegenüber. Und sicher, der Großteil davon ist blinde, eiskalte Wut, aber es ist auch ein bisschen Frustration dabei, darüber dass manche Personen tatsächlich noch genug Gehirnzellen besitzen, um überlebensfähig zu sein. Ganz besonders Leute aus dem Footballteam. Es wäre so viel einfacher, wenn es nicht so wäre.
Seine Beine bewegen sich ohne bewusstes Zutun und bevor er es bemerkt, bahnt er sich grob seinen Weg durch Menschenmenge. Es ist seltsam parallel dazu, wie die Kleine damals versucht hat Sumire zu helfen, einem Mädchen mit dem sie nichts zu tun hatte, mit der sie nicht einmal im selben Jahrgang war. Einfach nur, weil es das richtig zu tun war, weil jemand ihr helfen musste und keiner es sonst getan hätte.
Und für einen kurzen Moment hatte er das Mädchen bewundert, wie sonst noch nie etwas oder jemand in seinem Leben. Sie hatte das Ideal gelebt von dem er und Konan in ihrer Kindheit geträumt hatten. Kein Hass und keine Gewalt zwischen den Menschen, sondern der Wille anderen zu helfen, selbst wenn es einen selbst in Gefahr bringt. Der Wunsch nach Frieden. Er rechnete schon damit, dass es nur der Augenblick war, dass die Bewunderung mit der Zeit wieder verschwinden würde, doch das Gegenteil passierte.
Genau deswegen ist er jetzt hier, zerrt einen Schläger weg von dem Mädchen mit dem er bis vor ein paar Monaten noch nicht mal geredet hat, zischt „Such dir jemand in deiner Größe" und-
Und dann herrscht auf einmal Stille im Gang. Nur durchbrochen von einem Knacken als die Nase des Footballers bricht.

„Ich hatte ihn schon fast", murmelt die Kleine nur.
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„Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?", zischst du und lässt dir Tür hinter euch ins Schloss fallen. Du hast Pain in ein leeres Klassenzimmer gezerrt, sobald es die Situation zuließ. Langsam werden Stimmen auf dem Gang laut, als eure Zuschauer langsam aus ihrer Starre erwachsen, ob nun aus Faszination oder aus Angst, da bist du nicht wirklich sicher. Was du weißt, ist dass dein Angreifer blutig und geschockt rückwärts getaumelt ist und mittlerweile vermutlich schon auf dem Weg ins Krankenzimmer.
Das bringt unschöne Gedanken mit sich. Hauptsächlich damit verbunden, was das hier für Pain bedeuten kann.
„Die werden dich dafür suspendieren, ist dir das überhaupt klar?", fragst du nur ein ganz klein wenig hysterisch. Als du diese Tonlage in deiner Stimme erkennst, zwingst du dich durchzuatmen, während du auf eine Antwort wartest.
„Wäre es Wert", antwortet Pain gefasst. Er viel entspannter, als es in einer solchen Situation angemessen wäre, und starrt stur aus dem Fenster. Er hat es die ganze Zeit vermieden dir in die Augen gesehen, fällt dir auf, schon im Gang und auch jetzt.
„Wirklich? War es das auch Wert, wenn das jetzt in deiner Akte landet und - hey, hörst du mir überhaupt zu?" Ohne darüber nachzudenken, greifst du nach seinem Kinn und zwingst ihn so, dich anzusehen. Und du weißt, dass du irrational und vielleicht auch ein bisschen hysterisch reagierst, aber du willst nicht das Pain für dich suspendiert wird, willst das selbstzufriedene Grinsen aus seinem Gesicht wischen und vor allem willst du wissen warum.
„Warum hast du das gemacht?", zischst du leise und durchdringend und siehst ihm unverwandt in die Augen.
Was folgt ist Stille.
Pain starrt sich stumm und mit kaum unterdrückter Wut an. Zum ersten Mal überhaupt bist du das Ziel dieses Blickes und wenn nicht so viel Adrenalin noch durch deinen Körper jagen würde, würdet du wohl Angst bekommen. So aber starrst du entschlossen zurück.
„Pain", setzt du nach fast einem Minute an, in einem gleichermaßen verärgerten, wie auch verzweifelten Tonfall. Das Adrenalin lässt nach und langsam wird dir das Ausmaß diese Situation bewusst. Du willst nicht darüber nachdenken müssen, nicht jetzt.
Und vorerst musst du das wohl auch nicht, denn Pain antwortet und seine Stimme ist dabei eiskalt und das ist so viel schlimmer, als wenn er laut geworden wäre. Das ist keine Wut mehr, dass ist blanker Hass.
„Weil er dir weh getan hat. Er hat dich verletzt, verdammt noch mal. Verstehst du das nicht? Niemand hat das Recht dir etwas zu tun. Absolut niemand."
Danach presst er die Lippen zusammen und schluckt hörbar, beinahe als ob er sich physisch zwingen müsste nicht noch mehr zu sagen. Doch es war mehr als genug für dich die Worte zu hören, besonders in diesem eiskalten, hasserfüllten Tonfall, um ihn sprachlos anzustarren. Und im Gegensatz zu vorhin, erwidert er jetzt deinen Blick. Seine Augen glänzen, selbst im dämmrigen Licht des Raumes, und seine Kiefer sind fest aufeinander gepresst. Er wirkt so viel älter als er ist. Er wirkt erschöpft.
Abrupt lässt du deine Hand sinken und atmest zitternd und langsam ein, gegen die Übelkeit, die dich ergreift, darüber, dass du so reagiert hast. Er hat dich beschützt und du dankst es ihm indem du ihn so angehst. Allein der Gedanke löst eine neue Welle an Übelkeit aus und deine Brust fühlt sich zu eng an, als ob du nicht genug Luft bekommst.
Deine Finger zittern vor Nervosität, als du sie im warmen, weichen Material von Pains Oberteil vergräbst. Du hörst euren abgehackten Atem, das Hämmern deines Herzen und denkst gar nicht mehr, als du dich auf Zehenspitzen nach vor lehnst und den Jungen vor dir etwas unbeholfen küsst.
Für einen Moment sind Pain Lippen erstarrt gegen deine und du bist schon im Begriff dich zurückzuziehen, deine Augen brennend und dein Kopf rasend mit hunderten Variationen von 'Verdammt, was hab ich getan...?!'
Dann legt sich Pain Hand um deinen Nacken, die andere wandert von deiner Taille langsam zu deiner Hüfte. Du machst zwei stolpernde Schritte zurück, als er dich leicht nach hinten drückt, bis du mit den Schultern gegen eine Wand stößt. Er küsst dich noch immer und gefangen zwischen seinen Armen und von seinen Körper gegen die Wand gepresst, fühlst du dich mit einem Mal sicher. Alles fühlt sich so sicher und richtig an, wie kaum etwas sonst in deinem Leben
„Pain", keuchst du, als dieser Küsse gegen deinen Hals presst. Ein Zittern geht durch deinen Körper und Pain atmet stockend aus und küsst dich wieder, lächelnd, als ob er es nicht verhindern könnte.
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Ihr seit ein bunt zusammengewürfelter Haufen zu eurem Abschluss.
Für jemanden, der es durch beinahe die gesamte High School Zeit ohne wirklich Freunde geschafft hat, hast du in deinem letzten Jahr geschafften noch überraschend viele zu finden.
Da ist zum einen Itachi, der zwar von Pain nicht wirklich begeistert scheint, dir gegenüber aber immer sehr freundlich ist, schon seit eurem ersten Gespräch damals, und mit ihm kommen Kisame und Sumire, die dich wie eine Heldin zu verehren scheint. Es ist erschreckend niedlich dafür, dass das Mädchen bereits 14 oder 15 sein muss. Und auch wenn es niemand ausspricht, hast du das Gefühl, dass du mittlerweile sehr genau weißt, das Itachi damals veranlasst hat, sich bei dir zu bedanken. Die Blicke zwischen den beiden sind immerhin reichlich schwer zu übersehen.
Dann sind da noch Deidara und Sasori, beide gute Freunde von Sumire und beide im gleichen Jahrgang wie sie. Du verstehst dich mit ihnen gut, immerhin sind sie die ersten, die deine Begeisterung für Kunst teilen, auch wenn du dadurch viel zu oft in eine ihrer Streitereien über ebendiese reingezogen wirst. Wirklich, beide sind an manchen Tagen wie ein altes Ehepaar und jeder von euch denkt es still für sich, bis Hidan es eines Tages laut ausspricht, wenn auch weitaus weniger schön umschrieben.
Er und Konan werden auch irgendwie und aus Gründen, die wirklich niemand nachvollziehen kann, in eure Gruppe hineingezogen, schlussendlich wohl hauptsächlich durch Konan und ihre alte, seltsame, nie näher erklärte Beziehung zu Pain. Du entschließt dich besser nicht zu fragen.
Abgesehen davon, dass du die grundlegenden Fakten ohnehin bereits kennst. Pain hat dir bereits vor einigen Wochen erzählt, dass er und Konan nicht die glücklichste Kindheit hatten und mehr oder weniger wie Geschwister auswuchsen.
Auf deinen verwirrten Blick hin, hat er noch hinzugefügt, dass das eine Zeit vor Konan jüngerer Stiefschwester und ihrer Stiefmutter war. Sie hatten damals nur einander und waren kurzzeitig auch zusammen gewesen, nur um festzustellen, dass Inzest auch bei nicht Blutsverwandten existiert. Danach kam Konans neue Familie, was die Sache mit dem 'sie hatten niemand sonst' erledigte und damit endete, dass Konan anfing Hidan zu nicht-daten.
Du bist versucht zu fragen, wie das den Fakt 'sie hatten niemanden sonst' für Pain erledigt hat, unterlässt es aber schlussendlich. Du willst nicht darüber nachdenken, dass er vermutlich genauso allein war, wie du. Stattdessen denkst du an eure Freunde und an die Zukunft. Hoffentlich eure.
Um ehrlich zu sein, bist du ein wenig geschockt, dass Pain überhaupt bestanden hat, wenn du bedenkst, dass er irgendwie nie zum Unterricht da zu sein scheint. Anscheinend lagst du da aber doch ein bisschen falsch, er hat immerhin einen Abschluss von 3,8 geschafft. Wie nebenbei hat er auch noch erwähnt, dass er sich eventuell auf ein paar Colleges bewerben will. Auf deine neugierige Frage nach den Colleges, kam als Antwort nur die betont gleichgültige Frage: „Bei welchem hast du dich noch gleich beworben?"
Was, natürlich, dich dazu gebracht hast Pain zu küssen, was wiederum ihn dazu gebracht hat dich zu küssen – was irgendwie alles ist, was ihr in letzter Zeit zu machen scheint. Zurückblickend fragst du dich manchmal, wie ihr in diesem Jahr überhaupt irgendwas erledigt bekommen habt.
Itachi ist oben auf der Bühne und hält als Jahrgangsbester die Abschiedsrede, muss sie halten, da bist du dir absolut sicher. Pain hat im Stuhl neben deinem Platz genommen. Für einen Moment bist du tatsächlich versucht zu protestieren, immerhin sollt ihr in alphabetischer Reihenfolge sitzen, doch dann greift er unauffällig nach deiner Hand und du lächelst nur und richtest deinen Blick wieder auf Itachi.
Nun, zu eurem Abschluss neben deinem Freund zu sitzen, seine Hand zu halten und ihm unauffällig einen Kuss auf die Wange zu drücken, wenn niemand hinsieht, ist vermutlich reichlich kitschig und klischeehaft, aber ganz ehrlich es könnte dir nicht egaler sein.
Du bist glücklich.

Mercy, Love and other Useless ThingsOnde histórias criam vida. Descubra agora