Kapitel 10

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Ergeben sah ich ihm in die Augen, und bereute das sofort. Dieser dunkelbraune, selbstsichere Blick drohte mich zu verschlingen. Aber auch wenn ich nicht in seelisches Chaos gestürzt worden wäre – diesen Blick konnte ich beim Besten Willen nicht entschlüsseln.

„Das ist würdelos!", ließ Herr Knut verlauten, als Micha mit dem Ball ausholte.

Aber Micha blickte mich unbeirrbar an, er zögerte nicht einmal in der Bewegung.

„Manchmal ist es notwendig, kein Risiko einzugehen", antwortete er nur, dann ließen seine großen Hände den Ball frei, und er schoss erbarmungslos auf mich zu.

Meine letzte Hoffnung war, ihn entgegen aller Wahrscheinlichkeit zu fangen, aber er erwischte mich ungünstig am Oberarm und hüpfte danach im Eiltempo durchs Feld.

Zum Glück gelang es Mia, sich auf ihn zu stürzen und vehementer als ich es ihr zugetraut hätte, auf die andere Mannschaft zu werfen.

Mir blieb jedoch nichts anderes übrig, als mich schnellstmöglich in den Bereich hinterm Gegnerfeld zu den anderen Abgeworfenen zu begeben.

Finster musste ich mit ansehen, wie wir keinen einzigen Gegner rauswerfen konnten, bevor der Ball gefangen wurde.

Wieder hüpften Mia und der Junge wie wild umher, aber nichts half. Nicht lange, und der Junge wurde abgeworfen, und es war purer Zufall, dass der Ball in den Händen meiner Mannschaft landete.

Mit der Kraft der Verzweifelten warfen wir auf die andere Mannschaft, wobei wir sogar den ein oder anderen trafen.

Und dann geschah das Unglaubliche.

Da niemand in meiner Nähe stand, schnappte ich mir den Ball, der mal wieder mit einer beachtlichen Geschwindigkeit übers Feld gezischt und hinter mir an der Wand abgeprallt war.

Für einen Moment war ich versucht, den Ball einfach an jemanden abzugeben, der im Gegensatz zu mir werfen konnte, aber noch drehten mir ein paar Leute bei der Flucht den Rücken zu, und so warf ich, ohne allzu groß darüber nachzudenken.

Mehr schlecht als recht zielte ich auf einen der Jungen, und so war es kein Wunder, dass mein grottiger Wurf am Ziel vorbeischoss.

Trotzdem traf er.

Er traf Daniel.

Dann rollte er ein kurzes Stück übers Feld, bevor einer der Gegner ihn zu fassen bekam.

Daniel war raus.

Und ich war wieder drin.

Ich hatte mich freigeworfen!

Sowas war mir in meiner doch recht ausführlichen Völkerball-Laufbahn noch nicht untergekommen!

Ich hätte jubeln können.

Zumindest, bis ich Michas und Daniels Gesichter sah, die nun beide um mein Feld herumlungerten und mich mit Blicken bedachten, unter denen ich beinahe zu Asche zerfiel.

„Das war's. Es ist aus mit uns", jammerte Mia und sprach damit meine Gedanken aus.

Die Anspannung stieg, aber Daniel, der den Ball in den Händen hielt, machte keine Anstalten zu werfen. Es schien, als warte er, bis ich an einem Nervenzusammenbruch litt und nicht mehr in der Lage sein würde, auszuweichen.

„Jetzt wirf schon!", rief Herr Knut. „Wir haben nicht ewig Zeit!"

Dann, endlich, flog der Ball. Geschickt sprang ich zur Seite und wirbelte sofort herum, um Micha im Blick zu haben. Der überließ den Ball jedoch einem der Schüler, der mit solcher Wucht auf mich warf, dass ich mich nur vor dem Ball retten konnte, indem ich mich flach auf den Boden warf.

KämpferherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt