Kapitel 4

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Ok, das war mein Ende. Am liebsten wäre ich unterm Tisch verschwunden, aber ich war unfähig, mich zu bewegen.

„Ah, Sie sind also der neue Referendar." Lächelnd nickte der Mathelehrer Micha zu. „Stellen Sie sich doch kurz vor, bevor ich die Klausuren austeile."

Lächelnd wandte Micha sich an die Klasse, und ich stellte eifersüchtig fest, dass die meisten Mädchen ihn verklärt ansahen. Warum musste der Kerl auch so verdammt gut aussehen?

„Ich bin Micha Korner, und ich bin jetzt ein Jahr lang an eurer Schule. Vielleicht auch länger."

Ein Jahr. Oder vielleicht auch länger. Oh mein Gott. Das durfte nicht wahr sein!

Ruhig streifte Michas Blick durch die Klasse und blieb für einen kurzen Moment an Mia und mir hängen. Bildete ich mir nur ein, dass er uns ganz leicht zulächelte?

Ich jedenfalls war nicht in der Lange zurückzulächeln. Stattdessen starrte ich ihn mit großen Augen und zitternden Fingern an, selbst als er bereits wieder den Blick abgewendet hatte.

Aber meine Augen waren nicht die einzigen, die Micha folgten, als er dem Lehrer half, die Klausuren zu verteilen. Unter den Mädchen brach leises Tuscheln los und für die Blicke, die manche Micha zuwarfen, als er ihnen die Klausur hinlegte, hätte ich die Mädchen am liebsten im hohen Bogen aus dem Fenster getreten.

Da stieß mich jemand an.

„Tief durchatmen, Lena", wisperte Mia. „Du schaffst das."

Viel zu schnell war Micha bei mir, aber ich konnte vor lauter Verlegenheit nur meinen Stift anstarren. Verdammt, ich führte mich auf wie der letzte Depp hinterm Berg, aber die Situation war einfach zu viel für mich.

„Keine Sorge. Du schaffst das", sagte Micha leise zu mir, und als ich es wagte, hoch zu linsen, sah ich, dass er mich ermutigend anlächelte.

„Danke", murmelte ich und nahm die Klausur mit zitternden Fingern entgegen.

Hoffentlich glaubte Micha, dass ich mich wegen Mathe und nicht wegen ihm so aufführte.

Kaum war Micha weitergelaufen, brach neben mir erneut wildes Getuschel los.

„Oh mein Gott, was für ein einfühlsamer Lehrer", wisperte ein Mädchen neben mir. „Er ist ja so süß!"

„Ja", wisperte ein anderes zurück. „Das er sofort erkannt hat, wer den Zuspruch am Dringendsten nötig hat ..."

Argh, ich dreh durch!, dachte ich. Ha, von wegen einfühlsamer Lehrer! Wenn die wüssten...

Unaufhaltsam stahl sich ein fieses Grinsen auf meine Lippen.

Ok, ich war die Schlechteste in Mathe, aber das war sicher nicht der Grund, warum Micha mich ermutigt hatte. Hehe, oh nein! Aber das konnten meine Klassenkameradinnen ja nicht ahnen.

Wahrscheinlich würden sie das Dojo stürmen, wenn sie auch nur den Hauch einer Ahnung hätten.

„Lena, alles in Ordnung?", fragte Mia besorgt. Augenblicklich verschwand mein breites Grinsen und ich sah sie unschuldig an.

„Alles gut. Ich krieg das schon irgendwie hin."

„Das denke ich auch", lächelte Mia und klopfte mir auf die Schulter.

„Ruhe!", rief unser Mathelehrer plötzlich durch die Klasse. „Ich will keinen Mucks mehr hören! Ihr dürft die Klausur nun umdrehen."

Meine Finger zitterten wie Espenlaub, als ich das Blatt wendete, und es kostete mich all meinen Willen, mich nicht zu Micha umzudrehen.

KämpferherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt