"Aber selbst wenn du mich triffst, was bringt dir allein ein Schlag? Du hast Kraft, aber nicht genug, um mich mit einem einzigen Schlag umzuhauen."

Er stellte sich vor mich und ich spürte seine Hände an meiner Hüfte, sowie an meinen Beinen und direkt fiel mir auf, dass ich jetzt genauso dastand wie er vorhin. 

"Du musst einen festen Stand haben. Dich hoch zu heben und danach vielleicht sogar einfach auf den Boden fallen zu lassen, ist leichter als du denkst, wenn du nicht richtig stehst", erklärte er und griff dann nach meiner Hand, die er zu einer Faust ballte, um welche er kurz darauf seine eigene Hand in einem festen Griff legte. 

"Deine Faust muss fest sein und dein Arm", er machte eine kurze Pause, während er von meiner Hand abließ und sich dann meinem Arm widmete. "darf nicht locker sein. Es verstärkt den Schlag."

Mit den neuen Anweisungen versuchte ich erneut mein Glück mit einem Schlag, aber mal wieder wehrte er diesen einfach ab und das so, als ob er meinen Schlag vorausgesehen hatte, bevor ich selbst überhaupt auf die Idee kam.

"Du hast nicht nur Hände und Arme, um dich zu verteidigen. Schnell denken und noch schneller handeln!", sagte er mit lauter Stimme, sodass es sich schon fast nach Schreien anhörte, nachdem ich ich gehofft hatte, ihn mit meinem zweiten Schlag zu treffen, aber nun hielt er meine beiden Handgelenke mit seinen Händen fest und ich dachte nach. Ich erinnerte mich wage an den Selbstverteidigungskurs zurück und wollte ihn treten. Wollte. Zwar kam mein Fuß tatsächlich mit seinem Bauch in Kontakt, aber keine Sekunde später, lag ich mit dem Rücken auf dem Boden, Dylan direkt über mir. 

"Mach weiter! Versuch dich zu wehren!"

Ich war am Rande der Verzweiflung, als weder wildes Umherschlagen, noch Treten etwas brachte, aber umso stolzer war ich, als er vor Schmerz sein Gesicht verzog und ein dumpfes Geräusch von sich gab, nachdem ich mein Knie in seinen...männlichen Bereich gerammt hatte. Mein Gefühl von Triumph hielt allerdings nicht lange an, denn schnell realisierte ich, was ich da getan hatte und erhob mich von meiner Position auf dem Boden, um mich vor Dylan zu stellen und mich direkt zu entschuldigen. Auf der einen Seite tat es mir tatsächlich leid, weil sein Gesicht allein schon den Schmerz zeigte, aber auf der anderen Seite amüsierte es mich, denn seine Worte waren es, die mich angespornt hatten, weiter zu machen. 

"Genau in solchen Momenten hast du genug Zeit, um wegzulaufen oder zumindest Hilfe zu holen, nach Hilfe zu schreien, was auch immer", sagte er, ohne weiter auf das vorherige Ereignis einzugehen. Meine Entschuldigung hatte er damit also angenommen, zumindest ging ich davon aus und er sollte es mir nicht übel nehmen, wenn dem doch nicht so war. 

"Und jetzt will ich wissen, was dieser Arsch von Mathelehrer getan hat."

Das war der Deal. Er trainierte mit mir und ich lieferte ihm dafür eine Erklärung zu dem, was Mr Burrows auf dieser Party gesagt hatte. Wäre es gar nicht erst zu diesem Vorfall gekommen, dann hätte Dylan mir ohne jeglichen Deal geholfen, darin war ich mir ziemlich sicher, aber wenn er nur so bereiterklärte, dieses Training mit mir durchzuziehen -und das machte er wirklich gut- dann willigte ich ein, ihm die kurze Geschichte zu erzählen.

Ich schnappte mir meine Wasserflasche, die ich auf dem Boden abgestellt hatte und setzte mich anschließend selbst auf diesen, um einen Schluck zu trinken, bevor ich anfing zu sprechen. 

"Neulich nach dem Unterricht...als er noch mit mir reden wollte", fing ich an und zog den Haargummi aus meinen Haaren, sodass sie mir über die Schultern fielen und teilweise an den verschwitzten Stellen kleben blieben, jedoch wurde mir kälter je länger ich auf dem harten Boden im Keller von Dylans Haus saß. 

"Er wollte wissen, ob es mir wieder gut geht, weil ich die Tage davor nicht in der Schule war und das allein hat mir eigentlich schon gereicht, aber als ich dann gehen wollte-"

Ich machte selbst kurz eine Pause, als Dylan sich vor mich auf den Boden setzte.

"Hat er mich am Handgelenk festgehalten und seine verdammten Fingernägel in meine Haut gebohrt. Dann hat er mir diesen Blick gegeben, den er - den Blick, den er dir immer gibt. Weißt du was ich meine? Diesen-"

"Den emotionslosen, aber trotzdem bösartigen", sprach er für mich weiter und ich nickte zustimmend. Normalerweise lächelte er, deswegen war ich davon ausgegangen, dass er Dylan einfach nur nicht ausstehen konnte, aber anscheinend war er von Natur aus einfach nur bösartig, was er versuchte mit dieser gespielten Nettigkeit zu verstecken, womit er im Grunde genommen zwei Persönlichkeiten hatte. War das nicht irgendeine Krankheit? Vielleicht war er wirklich einfach nur krank. Vielleicht musste ich nicht direkt davon ausgehen, dass er auch etwas mit dieser verrückten Sache zutun hatte. Das war zwar schlecht für ihn, aber ob es besser war, von einem Dämonen kontrolliert zu werden oder eine Krankheit zu haben -die einen nicht unbedingt umbringen musste- war Ansichtssache. 

Schließlich nickte ich bestätigend, ohne etwas Weiteres beizufügen. 

"Also können wir davon ausgehen, dass er entweder einfach nur krank ist oder von einem Dämon kontrolliert wird", stellte ich kurz darauf fest und konnte meinen eigenen Worten nicht glauben. Nicht alle Tassen im Schrank, ja, das war möglich, aber Dämonen im Kopf haben und von ihnen kontrolliert werden? Das hörte sich wieder realistisch, noch logisch an. Aber musste es das denn, wenn es stimmte?

"In beiden Fällen wäre er gefährlich, weil er nicht weiß, was er eigentlich tut."

"Warum sagen wir es nicht der Polizei?"

"Dass ein Lehrer von einem der vielen Dämonen kontrolliert wird, die Menschen zu Mördern machen und sie so sehr leiden lassen, dass sie nur noch ihren eigenen Tod als Ausweg sehen?"

Ich seufzte leise. Er schien wirklich für alles eine Antwort zu haben. Aber im Gegensatz zu mir wusste er viel mehr darüber, er hatte sich bereits in dieser Situation befunden und er hatte es alleine geschafft. Ich zweifelte nicht an meiner eigenen Stärke und Willenskraft, denn ich war mir im Reinen, dass diese wirklich groß war. Dass mir das aber irgendwann zum Verhängnis werden würde, hätte ich nicht gedacht. Irgendwie musste doch alles, egal, wie gut es auch ist, eine Schattenseite haben. Nie konnte es auf Dauer wirklich gut laufen.


Hunted | Dylan O'BrienWhere stories live. Discover now