04: Insides

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1. September 2017, Hogwarts, große Halle

"Kommt heran und lauscht dem Lied das läuft euch hier durch Mark und Glied.

Kommt's schließlich dann beim Herz heraus, so wisst ihr ihr kommt in dieses Haus:

Nach Ravenclaw, dem stolzen Raben, dort könnt ihr euch an Weisheit laben.

In Gryffindor herrscht Mut und Kraft, doch denkt ihr auch dass ihr das schafft?

In Hufflepuff, stets still und leis', kommt ihr auch hoch - doch nur mit Fleiß!

Nach Slytherin sehnt ihr euch ganz? So folgt ihr nun dem Schlangenschwanz!

Genug geredet, sei's wie es sei! Kommt nun herbei und seid so frei

und setzt euch mich auf euren Kopf. So find' ich denn das Haus in eurem Schopf."


Charlotte starrte gebannt auf den Hut, der nur wenige Meter von ihr entfernt lag. Na nach Schlangenschwänzen sehn' ich mich bestimmt nicht, dachte sie. Und die anderen Häuser... Weisheit war nicht so ihr Fachgebiet. Und Mut? Na feige war sie nicht, aber ob Gryffindor das richtige wäre? Fleißig war sie auch nicht.

Charlotte grübelte gerade darüber nach, ob es wohl ein fünftes Haus gäbe - für alle die, die nirgendwo sonst reinpassten. Da musste sie feststellen, dass unangenehm viele Augen auf sie gerichtet waren.

Sie blickte hoch. Der kleine Zauberer, der sich ihnen zuvor als Professor Flitwick vorgestellt hatte, sah sie abwartend an.

"Miss Adams? Kommen Sie vor und setzen sich den Hut auf!"

Charlotte beeilte sich, um zu dem Hocker mit dem sprechenden Hut zu gelangen. Ihre Finger zupften nervös an ihrem fransigem Silberhaar. Sie nahm den Hut, setzte sich auf den Hocker und den Hut auf ihren Kopf.

"Na, wie geht's?"

Erschrocken riss Charlotte ihre grünen Augen auf. War diese... nein, das konnte nicht sein! Aber es hatte sich fast so angehört, als wäre diese Stimme...

"Hier oben! Na, nicht gleich erschrecken - warnt man euch Kinder nicht mehr vor, ehe ihr nach Hogwarts kommt?"

Die Stimme machte eine kurze Pause.

"Aah, deine Eltern sind Muggel, ich seh' schon, verstehe."

Charlotte nickte zaghaft und schloss die Augen. Irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, dass das nix Gutes war. Die Stimme sprach weiter.

"Du bist heut' Abend die erste neue Schülerin, die ich zuteilen darf. Ich pflege ja gerne ein wenig zu plaudern, also mit den Ersten, aber du willst wahrscheinlich lieber wieder in der Menge verschwinden, oder?"

"Ja", sagte das Mädchen leise. Sie dachte lieber nicht darüber nach, wieviele Leute sie gerade anstarrten.

"Also gut, dann lass' uns anfangen. Slytherin fällt raus, klar. Und Ravenclaw... Aah, du schüttelst den Kopf. Stimmt schon, auch wenn das ja eine weise Entscheidung von dir ist."

Charlotte hatte das Gefühl, als würde der Hut sie wohlwohlend anlächelte.

"Gryffindor... Hier saß einst ein Junge, der dir nicht unähnlich war - und er kam nach Gryffindor. Für ihn stellte es sich als die richtige Entscheidung heraus, aber bei dir..."

Charlotte begann zu zweifeln, dass der Hut sich heute noch entscheiden würde.

"Nein, es gibt kein fünftes Haus, eines der vieren passt zu jedem!" sagte die Stimme zu ihr.

"Ich denke, ja, ich glaube, dass dieses Haus dir helfen wird, dich selbst zu finden."

"HUFFLEPUFF!" rief der Hut laut.

Zu ihrer Linken erhob sich Beifall. Charlotte schlug die Augen auf und stand auf. Sie nahm' den Hut vom Kopf und sah' ihm noch einmal ins Gesicht - naja, zumindest in jene Falten, die sie als Gesichtszüge interpretierte. Dann legte sie ihn zurück auf den Hocker.

Das Mädchen lief zu dem Tisch mit den gelben Fahnen, an dem sie viele freudige Gesichter begrüßten. Sie lächelte zaghaft zurück und setzte sich an einen freien Platz.

Das Mädchen neben ihr hatte ein rundes Gesicht voller Sommersprossen und hielt ihr die Hand hin.

"Hallo, ich bin Svetlana. Ich wurde letztes Jahr eingeschult. Freut mich, dich kennenzulernen!"

Charlotte schüttelte ihre Hand. Währenddessen ging die Zuteilung in die Häuser weiter. Ein Mädchen namens Olivia Brown wurde eine Gryffindor und ein dunkelhaariger Junge, dessen Namen sie sofort wieder vergaß, kam nach Ravenclaw.

Charlotte sah sich um und war fasziniert von den brennenden Kerzen, die über ihr in der Luft schwebten. Die ganze Zauberei-Geschichte war noch ziemlich neu für sie. Erst vor drei Wochen bekam sie Besuch von einem hageren alten Mann, der sich ihr als Doktor Brankovich vorstellte. Er erzählte ihr und ihren ahnungslosen Eltern, dass so etwas wie Magie wirklich existierte und sie, Charlotte, eine Hexe sei und auf ein Internat namens Hogwarts gehen sollte.

Ein älterer Junge, der ein paar Plätze neben ihr saß, blätterte in einer Zeitschrift, auf der sich die Bilder bewegten!

Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge, alle flüsterten angeregt miteinander. Charlotte sah nach vorn. Dort hatte gerade ein schmaler, dunkelhaariger Junge auf dem Hocker Platz genommen.

Neben ihr stammelte Svetjana: "Das muss der zweite Sohn von Harry Potter sein! Oh man, vielleicht kriegen wir ja diesmal den Potter-Sprössling, oh wär' das toll!"

Charlotte verstand nur Bahnhof.

"Harry wer? Muss man den kennen?"

Als sie die fassungslosen Blicke der anderen trafen, beschloss Charlotte, dass sie ab nun ihre Unkenntnis über die Zaubererwelt lieber für sich behalten sollte.

100 MomenteWhere stories live. Discover now