Kapitel 2-Aufbruch

16 0 0
                                    

Das »Midwest Medical Center« war gerade einmal fünf Kilometer von der Bench Street entfernt, was der kleinen Gruppe durchaus zugutekam. Denn nicht nur versagte der provisorische Verband um Deans Schulter, welcher die Eisenstange im Gleichgewicht hielt und das Blut am Austreten hindern sollte, auch Logan war kaum mehr ansprechbar. Der Sturz, aus wohlgemerkt fast acht Metern Höhe hatte er alles andere als unbeschadet überstanden. Umso erleichterter waren Josh, Will und Flora also nun, als sie binnen kürzester Augenblicke ihre beiden Freunde in die sicheren Hände der Ärzte und Pflegekräfte legen konnten. Diese staunten nicht minder über den schrecklichen Zustand der beiden Patienten und der leichten Brandwunden an Will's und Josh's Haut. Glücklicherweise hatten sie alle vorher ihre Waffen im Wagen abgelegt, andererseits hätten die Mitarbeiter der Einrichtung sicherlich sofort die Polizei gerufen.
Viele Stunden vergingen, in der Josh, Will und Flora ungeduldig in einem der vielen Krankenzimmern ausharren mussten. Doch die Sorge um die beiden Männer hielt sich, zumindest bei den anderen beiden in Grenzen. „Dein Bruder muss wirklich mal mehr seinen Kopf anstrengen", seufzte Will der im Sessel des gut ausgestatteten Zimmers saß und die Seite einer zerfledderten Zeitung umblätterte. „Denkst du, ich weiß, dass nicht? Dieser hitzköpfige Idiot, wenn er so weiter macht, holt er sich nochmal den Tod. Doch ihr wisst ganz genau, wie oft ich bereits mit ihm deswegen diskutiert haben! Ich bin eben nur der kleine Bruder, von mir nimmt er ja keine Ratschläge an und hält sich sowieso für soviel besser!", entgegnete Josh gereizt und lief dabei im Zimmer auf und ab. „Ihm hätte doch klar sein müssen, dass er nicht so weit springen kann", murrte er vor sich hin. „Logan wird es schon überstehen. Er und Dean haben schon weitaus schlimmeres hinter sich. Wir alle haben das", seufzte Flora und lehnte sich neben ihn an die frei stehende Fensterbank an. Freundschaftlich knuffte sie ihm in die Seite. „Das wird schon wieder", lächelte sie sanft und Josh sah abwesend zu Boden. „Darum geht es nicht, Flo. Weißt du noch der Wyvern unten am Mississippi River? Logans egoistisches Verhalten hätte beinahe dazu geführt, dass du-". „Das war ein Unfall. Außerdem hatten wir vereinbart es nicht wieder aufzugreifen", unterbrach Flora ihn bestimmend. „Trotzdem, durch seinen Übermut gefährdet er unsere Missionen", entgegnete Josh stumpf. Will stimmte ihm, mit einem beipflichtenden, kurzen Schnippen der Finger zu. Dabei hing sein Blick gebannt auf einer Zeitungsseite fest.

Erst als das Glimmen der aufgehenden Sonne die Grashalme der Felder küsste und die warmen Strahlen an den Fenstern des Krankenhauses emporkletterten, wurden die beiden Verletzten zurückgebracht. Vier kräftige Schwestern, welche unter größten Anstrengungen nur langsam voran kamen, schoben zwei Betten ins Zimmer. Ihnen hinkte, im Schlepptau, ein mit Falten durchzogener Arzt hinterher. Dicke Tränensäcke hingen unter seinen Augen, seine Statur schien klein und zerbrechlich. Er hatte starke Ähnlichkeiten mit einem Zwerg, jedoch nicht der lieben, sondern eher der störrischen Sorte. „So, meine Herrschaften", begann der Alte und zückte ein Klemmbrett hervor. „Da haben wir ja eine ganz schöne Partie hinter uns gelassen, nicht?", krächzte er. „Als man mir gestern Nacht ihre beiden Freunde auf den Tisch legte, dachte ich, man setzte mir zwei Stiere vor. Besonders der da. Wir brauchten mehr als zwei Spritzen um ihn vollständig narkotisieren zu können", schmunzelte er und deutete mit seinem Kugelschreiber, den er aus seiner rechten Brusttasche entnommen hatte, auf Logan. „Der Andere hingegen ... nun jeder würde schnell das Bewusstsein verlieren, wenn man so viel Blut verloren hätte wie er". Flora setzte sich auf die Bettkante Deans und betrachtete ihn mitleidig. Er sah so ruhig aus. Sein Atem verlief langsam und gleichmäßig. Logan hingegen standen die Schweißperlen auf der Stirn, was Josh besorgt nähertreten ließ. Dem Arzt entging seine plötzliche Gemütswandlung keineswegs. „Machen sie sich keine Sorgen Mr. Maverick, ihrem Bruder wird es bald besser gehen. Nur eine leichte Fraktur am Kopf ... nun und zwei gebrochene Rippen. Aber anderweitig schlägt er sich hervorragend! Sobald die Narkose nachlässt, sollten die beiden relativ schnell wieder auf den Beinen sein", beschwichtigte er Josh und tätschelte ihm väterlich die Schulter. „Jedoch, was das hier betrifft ...", murmelte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Mit einer Geste der faltigen Hand fuhr eine Schwester einen Rollwagen in das Zimmer, auf welchem, mit einem sterilen Tuch ausgelegten Tablet die Eisenstange lag. „Sie war so präzise im Körper ihres Freundes versengt, dass ich kaum Probleme hatte sie zu entfernen. Normalerweise entstehen solche Verletzungen nur, indem das Objekt großer Hitze ausgesetzt war oder äußerst schnell in den Körper eingedrungen ist", erklärte er. Will, Josh und Flora tauschten, abwechselt vielsagende Blicke aus. Der Alte seufzte schwer. „Hören sie, es geht mich überhaupt nichts an was oder mit wem sie eventuell Probleme haben, aber unser Polizei-Department hat einen der zuvorkommendsten Sheriffs, denen ich je begegnen durfte. Sollten sie jungen Leute also jemals den Wunsch haben mit jemanden zu sprechen, rufen sie einfach bei ihm an", lächelte er gütig und verschwand in sein gewohntes Arbeitsklima zurück.

Chroniken der Schatten/ Buch 1- Die Jäger Där berättelser lever. Upptäck nu