Prolog

10 3 0
                                    

Prolog: Ayla

„Wo warst du?" Jacira sprang von ihrem Stuhl auf. „Hast du auf die Uhr geschaut? Ich musste Kenneth davon überzeugen, noch nicht abzusperren." Die schlanken Finger der älteren Frau schlossen sich um die Handgelenke der Angesprochenen. Ihre dunkelbraunen Augen waren auf die jüngere Schwester fixiert. „Bist du okay? Ist was passiert?"

Ayla verdrehte die Augen und befreite ihre Hände aus dem Griff ihrer großen Schwester, um ihre Arme um ihr Gegenüber zu schließen. „Ich bin okay", versuchte sie Jacira zu beruhigen. „Es ist nichts passiert. Ich hatte die Zeit nicht im Blick." Es war keine Lüge. Ayla hatte das Versteck bewusst nur mit ihrer Atemmaske verlassen. Sie vermied es andere Geräte mitzunehmen. Zu viel Technologie, erweckte oft Aufsehen, gerade wenn man im Untergrund unterwegs war.

„Wo warst du?" Jacira versuchte die Frage nun beiläufig klingen zu lassen. Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl und betrachtete das eingeweichte Pulver in einer Schüssel vor ihr. Die gelbe Farbe des Pulvers verriet Ayla, dass es wohl ein ‚Kartoffelgericht' geben würde. Ayla hatte noch nie eine echte Kartoffel gegessen. Sie könnte nicht sagen, ob das Essen, das als ‚Kartoffelpüree' vermarktet wurde, wirklich Kartoffelgeschmack hatte. Sie bezweifelte es. Die Menschen, die im Untergrund das Nahrungspulver herstellten, hatten vermutlich genauso wenig Ahnung, wie das Essen, das sie herstellten, früher geschmeckt hatte. „Ayla?"

„Ich war mit Aidan unterwegs." Bevor ihre Schwester die nächste Frage stellen konnte, sprach die Jüngere unbeirrt weiter. „Wir haben nichts unternommen. Wir waren in der Zitadelle." Der Teil der alten Stadtmauer galt als sicher. „Wir haben die Aussicht genossen", scherzte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie lehnte sich lässig gegen den kleinen Tisch, der im Zentrum des Raumes stand.

„Gleich wirst du mir noch erzählen, dass ihr Vögel beobachtet habt." Ihre Schwester führte den Witz, ohne zu zögern weiter.

„Exakt", schmunzelte die Jüngere.

„Wieso bringst du ihn nicht mal mit?" Jacira sah nicht auf und mischte mehr abgekochtes Wasser in das Pulver, das allmählich die Ursprungsstruktur verlor. Die Frau hatte ihre langen, gelockten schwarzen Haare zu einem strengen Zopf in ihrem Nacken gebunden, um die Hitze der Küchenzeile besser ertragen zu können. Ayla selbst begann unter ihren langen, schweren Haaren im Nacken zu schwitzen. „Ich habe Elios und ihn schon lange nicht mehr gesehen."

„Weil ich gerne bei ihnen bin." Ayla lief zu ihrer Schwester, um deren Wange zu küssen. „Ich geh auf mein Zimmer. Du bist zu neugierig und ich hab dich trotzdem lieb."

Die jüngere schwarzhaarige Frau verschwand, ohne auf eine Antwort zu warten, in ihrem kleinen Zimmer. Es war ein Luxus einen eigenen Bereich zu haben. Sie ließ sich auf das alte, braue Sofa fallen, auf dem sie schlief und nahm das uralte ‚Oldschool'-Handy, das auf dem Tisch auf sie wartete in die Hand. Sie steckte sich die vergilbten Kopfhörer in ihre Ohren und drückte ‚Play', um das letzte Lied, das sie am Morgen gehört hatte weiterzuhören.

Say what you mean, tell me I'm right and let the sun rain down on me. Give me a sign, I want to believe. Woah oh Mona Lisa, you're guaranteed to run this town.'

Eine Ode an ein Bild, das von einem gefeierten Künstler erschaffen wurde. Das Lied geschrieben von Menschen, die selbst auch gefeiert wurden. Vor über 100 Jahren waren Menschen die ‚Krönung' der Schöpfung gewesen. Sie hatten sich gegenseitig gefeiert und hatten Übernatürliches als Fiktion gesehen. Sie hatten es genutzt, um sich zu unterhalten. Ayla blickte sich in ihrem Raum um. Kenneth sagte oft, dass Ayla in der falschen Zeit geboren wurde. Während ihre Altersgenossen ‚Traumports' für eine geruhsame Nacht sammelten, sammelte sie Musik, Bücher und Filme. In ihrem Zimmer hingen Poster von den alten Bands. AC/DC, Panic at the Disco, Fall out Boy, Little Mix und andere Künstler, die in einer besseren Zeit gelebt hatten, schmückten ihre Wände. Daneben standen Filme und Serien von Superhelden, Dämonenjägern und Menschen, die für eine bessere Welt kämpften. Die Menschen damals hätten sich Captain Amerika, Sam und Dean Winchester oder auch reale Menschen – wie Joaquin Phoenix – als Vorbild nehmen sollen.

Ayla 2143Where stories live. Discover now