Gefühlsdilemma

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Meine Verspätung von fünf Minuten macht sich in der großen Ansammlung von Wesen bemerkbar. Viele Plätze sind dabei belegt zu werden. Als Ciri mich erblickt steht sie sofort auf und hat keinerlei Hemmungen sich auf die Sitzbank zu stellen, um sich von den großen, bereits sitzenden, Schüler*innen abzuheben. Eifrig winkt sie mir zu. Damit lenkt sie, ob gewollt oder nicht, die Aufmerksamkeit auf mich, als sie zusätzlich noch meinen Namen ruft. Peinlich berührt von der ungewohnten Aufmerksamkeit so vieler Schüler*innen schlängle ich mir meinen Weg bis hin zum Zielort(:Ciri). ,,Schrei nicht so laut, das ist ja peinlich", fordere ich sie beklemmt auf. Sie schüttelt daraufhin nur ihren Kopf und lächelt. Neben ihr sind leider schon die Plätze besetzt, was sie auch merkt, wie ich an ihrem kurzzweifelnden Blick erkennen kann. Mit dem Finger zeigt sie kurzerhand auf den Platz ihr schräg gegenüber. Da die Tische bereits gedeckt sind und weil ich nicht zusätzlich nochmal Aufmerksamkeit erregen möchte, husche ich unter dem Tisch her auf den freien Platz. Positivüberrascht von meiner ungewohnten Initiative, lächelt sie mich schräg an. Klein zu sein hat auch seine Vorteile. Mit etwas Verspätung kommen Schüler*innen der Koch-AG sowie die gängigen Großküchen-Köche mit ihren voll beladenen Servierwägen entlang der Tische. Wie üblich werden sie mit großem Applaus empfangen. Mit stolz erhobenen Haupt servieren sie die Gerichte auf den großen länglichen Tischen. Nachdem sich die Köche zurückzogen, stellten sich die Schüler*innen der Koch-AG in einer Reihe vor dem Podest auf. Nicht jeder von ihn begrüßte die dadurch erhaltene Aufmerksamkeit aller Mitschüler*innen, die auf die Aufforderung der Direktorin Aconitum warten. Das Tuscheln ungeduldiger Schüler*innenhallt in der Halle wieder und klingt abrupt ab, als unsere Direktorin durch einen Nebeneingang, welcher nur für das Lehrpersonalzugänglich ist, eintritt. Alle Schüler*innen erheben sich, wenn möglich, von ihren Bänken. In zügigen Schritt steht sie auch schon auf dem Podest. ,,Wie ihr seht ist heute ein besonderer Tag. Unsere eifrigen Kleinköche haben in Zusammenarbeit unserer großartigen Großköche wundervolle Arbeit geleistet und uns bestimmt schmackhafte Gerichte gezaubert. Ich bitte um einen großen Applaus für unsere Kleinköche der Koch-AG!", hallt ihre Stimme bestimmend in der Halle wieder. Das Echo ihrer Stimme wird durch den von ihr gewünschten Applaus unterbrochen. Eine rasche Bewegung ihres Armes zum Zeigen ihres Zeigefingers, lässt Stille sofortige herrschen. Der gefürchtete Finger der Direktorin. Zeigt sie ihn, weiß ein jeder keinen Mucks mehr von sich zu geben, sonst droht einem Unheil. Mit einem vermutlich freundlich, für die Anderen wirkenden, Lächeln fordert sie uns auf, unsere Mahlzeit zu genießen: ,,Nun denn, euch allen einen guten Appetit" Direkt darauf macht sie auf den Absatzkehrt und isst mit den übrigen Lehrpersonal am gewohnten Lehrertisch. Auf mich wirkt ihr heutiges Lächeln gezwungen. Auch sie war zu spät erschienen und etwas war geschehen, dass ihre sonst so stabil wirkende Gemütslage ins Wanken gebracht hat. Sie lässt sich sonst nicht von ihren Gefühlen einnehmen, dass haben die Streicheeiniger Unruhestifter*innen der Schülerschaft bewiesen. Mein Magengrummelte schon zuvor ungeduldig vor sich hin und ist jetzt umso dankbarer für die pflanzliche Mahlzeit die ich mir nach und nacheinverleibe. Wie Cirron mir zusicherte, nimmt sie nicht an Mahlzeitenteil, da Geister generell keine Nahrung zu sich nehmen können. Ein interessantes Detail, was wenn man mal darüber nachdenkt völlig selbstverständlich ist, aber mir vorher nie aufgefallen war.

Nachdem die Mahlzeit offiziell von der Direktorin für beendet erklärt worden ist, stapelten wir nach und nach unser Geschirr auf die dagelassenen Servierwägen der Schulküche. Das anschließende Gewusel nutzte ich, um mich unauffällig zur Bibliothek zu begeben. Dafür zog ich mir sogar die Schuhe aus, um möglichst wenig Geräusche beim Gehen zu erzeugen. Vorsichtige auf den Fußballenschleichend, bewege ich mich nahezu lautlos zum Bibliothekseingang. Die Tür ist einen kleinen Spalt breit offen. Es ist noch Jemand hier? Ich dachte Loony kann durch Wände hindurchgleiten, warum sollte sie die Tür benutzen? Der Spalt ist breit genug, um hindurch zu schlüpfen. In der Bibliothek ist nur dämmriges Licht. Leise stelle ich meine Schuhe neben einem Beistelltisch, mit Spitzendeckchen und darauf stehender Topfpflanze, ab. Wo kann sie nur stecken? Gibt es ein Buchabteil, was sie bevorzugt? Ich wage mich weiter ins Innere der Bibliothek, mit wachsamen Augen halte ich sowohl Ausschau nach Loony, dem möglichen anderen Eindringling als auch dem Bibliothekar. Langsam nehme ich ein Art langgezogenes sowie leise schallendes Wimmern wahr. Es kommt von... oben? Ein Blick nach oben bestätigt dies. Die Gefahr dort erwischt zu werden ist erschreckend hoch. Auf Zehenspitzen versuche ich das Knarzen der Treppen so gering zu halten, wie nur irgend möglich. Mit besserer Sicht auf die Zielperson(:Loony), wage ich mich geduckt weiter vor. Sie sitzt Trübsal blasend hoch oben auf einer Leiter. ,,Loony", flüstre ich ihr zu. Ein erneutes trauriges Wimmern signalisiert mir, nicht von ihr wahrgenommen zu werden. Ich brauche ihre Aufmerksamkeit! Ihr Blick ist nach unten gerichtet. Eine Erinnerung blitzt in meinen Gedanken auf und ein Wall von Hoffnung breitet sich in meiner Brust aus. Ein beflügelndes Gefühl. Weiter zu ihr, nun auf den Boden kriechend, lege ich mich auf den Rücken. Mein Gesicht verkehrt herum zu ihrem. Mit meinen Händen greife ich hoch zu ihrem schmalen Gesicht. Tränen ihrerseits fallen durch mich hindurch, wie eine Illusion. Sie erscheint mir auffallend durchsichtig. Ein schwaches dunkelblaues Glühen geht von ihrem Körperumriss aus. Rhythmisch vergleichbar, wie mit einem Herzschlag. Zerzaustes, ungepflegtes Haar fallen ihr ins Gesicht. Augenscheinlich hatte sie vor einiger Zeit mal einen Pony, der nicht nachgeschnitten worden ist, weshalb ihr strähniges Haar quer ins Gesicht fällt. So ungepflegt wie sie aussieht, riecht sie nicht. Stattdessen hat sie überhaupt keinen Geruch an sich haftend. Sie wirkt, wie ein verletztes Glühwürmchen, dessen Fähigkeit zu glühen mit dem Lebensgeist schwindet. ,,Loony", geleitet von Mitgefühl berühre ich vorsichtig ihr Gesicht an den Wangen. Bei der Berührung, meiner vor Wärme strotzenden Hände, wurden die Berührungspunkte meiner Fingerspitzen an ihren Wangen leicht rot, als hätte sie meine Wärmeentgegen genommen. Erschrocken starrt sie in meine Augen. Noch fasziniert und ebenso erschrocken, wenn auch nicht so sehr, wie sie, erwidere ich ihren Blick. ,,Loony?", wiederhole ich diesmal fragend. ,,Ja", hallt es leise als Antwort. Ausgerechnet jetzt streikt mein Kopf in jenem wichtigen Moment. So viele verschiedene Gefühle nacheinander und nun die Trauer, die mein Mitgefühl für sie auslöste. Wenn sie so traurig ist, möchte ich sie nicht bitten. Doch was jetzt?

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⏰ Last updated: Apr 07 ⏰

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