Stift und Papier

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Unsere Professorin kam mit einem beladenen Rollwagen herein. ,,Heute geht es ans experimentieren!", hochmotiviert strahlt sie vom Wagen in die ausdruckslosen Gesichter der Schüler*innen, ,,Damit ihr mal seht, was und wofür ihr diese Textaufgaben eigentlich löst." Ein genervtes Raunen ging durch die Klasse. Wir Schüler*innen waren nicht sonderlich beeindruckt, wenn auch meine Sitznachbarin eine Ausnahmedarstellt. Sie schaut, gänzlich gerade sitzend mit Collegeblock und Etui vor sich liegend, gebannt zur Lehrerin. Neben ihr sitzend wird das Schuldbewusstsein, welches ich ohnehin schon empfand, nur umso größer. Furcht drückt mich nieder; als würde der Professorin jeden Moment auffallen, dass ich unvorbereitet in ihren Unterricht gekommen bin. Vor allem aber fürchte ich mich vor der Enttäuschung in ihren Augen, weil ich eigentlich einer ihrer stets bemühtesten Schüler*innen bin. ,,Wer kann mir sagen, was das hier ist?" unsere Professorin zeigt auf einen der Apparate. Solche Apparate habe ich noch nie zuvor gesehen. Der Arm meiner Sitznachbarin schnellte augenblicklich nach oben. Begeistert von ihrem Eifer, nahm unsere hochmotivierte Lehrerin sie als Erste dran. ,,Ja Cataleya?" ,,Nun zu sehen ist-" Bedenkt man die Anzahl von mindestens zwanzig Schüler*innen in diesem Raum ist es rechttraurig, dass sämtliche mündliche Beteiligung fast zur Gänze von Cataleya ausgeht. Bis zur fünf-Minuten-Pause blieb das auch so. Unsere Professorin ist zwar begeistert von ihrer regen Anteilnahme, wechselt aber wieder zügig zurück zur Theorie. Heißt: stumpfes Abschreiben von der Tafel. Bisher konnte ich dieses mulmige Gefühlgut ignorieren, doch jetzt wo ich meine Tasche definitiv brauche, kehren sie mit einem Schlag zurück.

In der kleinen Pause fasste ich mir dann endlich ans Herz und sprach sie zögerlich an. ,,Hi, äh mich... also ich bin übrigens Sue. Du bist Cataleya, richtig?", frage ich sie zögerlich. Derweil packte sie ein paar ihrer aus dem Etui und reiht diese schon nahezu zwanghaft der Größe nach am Tischrand vor ihrem Collegeblock aus. ,,Das ist richtig", bestätigt sie, noch konzentriert auf die Aufreihung ihrer Stifte. ,,Ähm es ist mir ziemlich peinlich.. sehr peinlich sogar, aber ich... ich habe vorhin meine Tasche im Kunstraum vergessen und... bestünde vielleicht die Möglichkeit, dass du mir eventuell ein Blatt und einen Stift nur für diese eine Stunde leihst? Bitte." Vor ihrer Antwort sieht sie mich abschätzend von der Seite aus an. Ihr Blickhuscht erneut kurzweilig zurück zu ihren Stiften. Vorsichtig schiebt sie einen der bereits ordentlich Aufgereihten aus der Reihe und schiebt ihn weiter zu meiner Hälfte des Tisches, ehe sie ein Blatt von ihrem Collegeblock entfernt und dies ebenso sorgsam zu meiner Seite hinüberschiebt. ,,Ja", sie hebt ihre Mundwinkel ebenso schnell, wie sie sie wieder senkt. Freudig uns enorm erleichtert bedanke ich mich bei ihr. Darauf folgt nur ein kurzes Nicken ihrerseits, als unsere Professorin schließlich die Pause beendet. Nun mit Stift und Papiergewappnet fühle ich mich weitaus sicherer. Erleichtert atme ich nochmal aus. Es fühlt sich an, als sei eine Last von meinen Schultern gefallen und ich richte mich selbstsicherer auf.

Am Ende der Stunde habe ich beide Seiten des Blatts ordentlich mit sämtlichen auch nur ansatzweise nützlichen Informationen der Professorin beschriftet. Den Stift gab ich ihr natürlich unversehrt zurück. Cataleya sortiert ihre Stifte ordnungsgemäß ein, wobei eine große unheilvolle ziegenhafte Gestalt mit dunkelvioletten Fell und goldenen Augen, ohne erkennbare Pupille, ihr dabei zur Hand geht. Erst als sie alles zusammen gepackt haben, nimmt sie mich wahr. Sie hebt ihren Kopf nur leicht an: ,,Oh, hey!", sie nickt mir zu. ,,Neue Freundin gefunden?", wandte sie sich zurück an Cataleya. Ein kurzweiliges Grinsen entblößt ihre allesamt spitz zulaufenden Zähne. Mit dem Rucksack auf ihren Rücken, schaut sie kurzzeitig zu mir: ,,Weiß nicht", zuckte sie mit Cataleya mit ihren schmalen Schultern. ,,Ich bin Zoe Zaheira", stellte sich die große Ziegengestalt vor. ,,Hi Zoe", grüße ich sie, ,,ich bin Sue". Ein erneutes nicken. Als sie sich gänzlich aufrichtet legt sich ein Schatten über mich. Wortwörtlich; sie überragt mich mindestens um zwei bis drei Köpfe. Von der Größe her, könnte sie Kiara Konkurrenz machen. Wobei es unfair ihr gegenüber wäre, wenn man Zoe's schwarze Hörner mit goldenen...-Rissen? mit in die Größe mit einberechnen würde. ,,Nun: man sieht sich", verabschiedet sich Zoe. ,,Tschüss", tat es ihr Cataleya gleich.

Fein säuberlich falte ich Ecke an Ecke vom Blatt, ehe ich mich Richtung Kunstraum begebe. 

Esencia Internat für magische WesenWhere stories live. Discover now