16. Kapitel 6.1 - Die Ruhe vor dem Sturm

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Als Caroline die Augen aufschlug, war es finster. Nur ein winziger Schimmer drang am Rand des Rollladens herein. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und tastete die Matratze neben sich ab. Kein Damien. Flink erhob sie sich und öffnete leise die Tür zum Wohnzimmer. Nichts. Ob er zu seinem täglichen Training gegangen war? Sollte sie einfach wieder in ihr Zimmer gehen? Was für eine verschwendete Gelegenheit!

Sie betätigte den Schalter um den Rollladen des Schlafzimmers zu öffnen und trat an die bodentiefen Fenster. Damiens Räumlichkeiten befanden sich am äußersten Ende des Westflügels, sodass die Wohnzimmerseite zum Garten wies, das Schlafzimmer allerdings einen traumhaften Blick über den Ozean bot. Sie öffnete die gläserne Balkontür, um etwas Luft hereinzulassen und wendete sich dann dem Bad zu. Er hatte bestimmt nichts dagegen, wenn sie seine Toilette und Dusche benutzte ... und sich dabei ein wenig umsah.

Der Blick in den Spiegel überraschte sie positiv, denn ihr Teint strahlte und Augenringe waren nicht mal zu erahnen.
Die Wimperntusche, die sie am Vorabend benutzt hatte, hielt nach wie vor. Nur ein kleiner verschmierter dunkler Rand zeugte von der anspruchsvollen Nacht. Caroline grinste in sich hinein und steckte mit geübten Handgriffen ihre Haare hoch. Sie würde die Farbe nicht abrubbeln. Auf diese Weise sah sie so verrucht aus, wie sie sich fühlte.

Sie fand eine noch frischverpackte Zahnbürste und nutze die Zeit des Schrubbens sich umzusehen. Rasierzeug, Elektrische Zahnbürste, Cremes, Handtücher. Nichts schrie danach, dass hier ein Vampir lebte. Das große dunkelgraue Handtuch über der Heizung war noch ein wenig feucht und die Dusche nass. Sie schnupperte an seinem Duschgel und die Erinnerungen an letzte Nacht überwältigten sie. Wie gerne sie dieses Treiben unter dem warmen Wasserstrahl fortsetzten würde!

Doch einmal kurz den Körper abspülen musste reichen. Sie hatte heute noch einiges zu tun. Isy wartete bestimmt dringend auf Antwort und je schneller sie Steren die Bilder zeigen konnte, desto schneller könnte sie die Beweise ihres Verrats wieder löschen.

Sie huschte in den Wohn-Essbereich und sah sich die Bescherung von gestern an. Das Nachthemd und die Unterwäsche waren nicht zu retten. Der Bademantel musste reichen! Es waren nur zwei Treppen bis zu ihrem Kleiderschrank.

„Meinetwegen musst du ihn nicht überwerfen!", ertönte es von der Tür und Caroline hüpfte vor Schreck einen halben Meter rückwärts. Automatisch hielt sie sich den grauen Stoff schützend vor den nackten Körper. „Keine Sorge, ich bin es nur. Und ich habe gestern schon alles gesehen, was es zu sehen gibt." Frech grinste er sie an.

„Wenn du da nicht wirklich verlockend aussehende Tassen in deinen Händen halten würdest, hättest du das Ding jetzt im Gesicht!" Drohend hob sie den Bademantel.

„Eine schreckliche Vorstellung. Zum Glück komme ich in Frieden."

Sie lächelte breit und beschloss, dass ihre Aufgaben noch ein wenig warten konnten. Gemütlich legte den Morgenmantel beiseite und schlenderte splitterfasernackt auf den großen Vampir zu.

„Was riecht hier so verführerisch?", wollte sie wissen und nahm ihm eine der Tassen ab. Ein doppelter Hafermilch-Latte. Als hätte sie noch einen Grund gebraucht diesem Mann zu verfallen.

„Ich überlege einen unangebrachten Spruch zu machen, aber ich befürchte du verstehst keinen Spaß, wenn es um Claudis Zimtbrötchen geht?" Er nahm einen Schluck seines eignen Kaffees und deutete mit dem Daumen in Richtung den Körbchens, das auf dem Sideboard im Eingangsbereich stand. „Wir sind zu spät für das Frühstück, aber ich konnte direkt in der Küche ein paar abstauben."

Caroline blickte erschrocken auf die Uhr. Es war bereits Nachmittag. An den Wochenenden wurde, außer explizit erbeten, das Frühstück nicht auf die Zimmer gebracht, sondern ein großer Brunch im Haupthaus für alle Schlossbewohner aufgedeckt. So hatte man mehr Flexibilität in der Tagesgestaltung.

Kristallherz - Hoffnung der VampireWhere stories live. Discover now