Kapitel 1

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,,Aurora, wie geht es dir?" jedesmal stellte Ianna mir diese Frage bei unseren Sitzungen und jedesmal bekam sie die gleiche Antwort, wobei ich mich fragte ob ihr dieses Spiel nicht langsam zu langweilig wurde ,,Gut." seit meinem Krankenhaus Aufenthalt waren zwei Monate vergangen und bis auf die Verbände und eine Schiene an meinem Oberschenkel zeigte nichts mehr darauf hin das ich vor kurzem noch in der Not Op lag. Jede Woche musste ich dreimal zu Ianna, am Anfang mochte ich es mit ihr zu reden, sie redete über einfache Sachen welche ihrer Meinung nach genug waren, dennoch half mir keine ihrer Sitzungen.

Denn egal wie oft sie mit mir redete abends wenn ich an die Decke starrte war ich allein, früher war ich ein offener Mensch mit Sofia als beste Freundin doch nun war ich so einsam, meine Stiefeltern verstanden mich nicht und ich hatte das Gefühl das sie jedes meiner Worte genausten auf irgendwelche Anzeichen überprüften, ihr Mitleid und ihr Trost machten mich krank sodass ich mich immer mehr abschottete, doch ich war kein Mensch dafür mich abzuschotten weshalb die Einsamkeit mich auffrass.

,,Erzähl mir von deinem Wochenende, was war Positiv?" Ich musste lange nach denken da ich schon lange nicht mehr zwischen Wochenende und Werktagen unterschied, was es mir noch schwerer machte zurück in den Alltag zu kommen. ,,Ich möchte zurück zur Schule gehen." mein Mund redete schneller als ich denken konnte und die Überraschung auf dem Gesicht der Psychologin war deutlich zu sehen ,,Aurora, ich würde dies nicht über stürzen. Ich denke es ist zu früh dafür an einen solchen Ort zurück zu kehren." ,,Ich frage sie nicht, ich gebe ihnen Bescheid." meine Antwort war kalt und harsch was ich nicht beabsichtigtet hatte aber nun nicht mehr verhindern konnte.

,,Aurora wenn du all deine Erlebnisse verdrängst werden sie nicht verschwinden, ich denke es wird Zeit das wir jetzt einfach anfangen zu reden soweit wie du möchtest." Es war eine der wenigen Momenten wo ich erkannte warum Ianna meine Psychologin und nicht Freundin war, doch bei dem Gedanken die Dinge aus zu reden wurde mir schlecht. ,,Nein." enttäuscht seufzte sie da all ihre ganzen Gespräche mir nicht halfen und ich das Gefühl hatte gegen einen Gegner zu kämpfen der schon vor dem Kampf gewonnen hatte.

,,Ihre Gespräche helfen mir nicht." entschlossen zog ich meine Jacke an und wollte wie so oft schon die Sitzung frühzeitig verlassen um zu flüchten. Entschlossen ging ich zur Tür ,,Aurora, bitte es wird dir danach viel besser gehen ich weiß wie du dich fühlst." ,,Wie ich mich fühle?" hysterisch drehte ich mich schwungvoll um ,,Sie wissen nichts, ich habe das Gefühl ihr Mitleid erstickt mich und sie sind nur eine Frau die studiert hat in der Theorie aber noch nie in ihrem Leben so erniedrigt wurde." mein Brustkorb hob und senkte sich hektisch, da erniedrigt genau das Wort war was all meine Probleme beschrieb.

,,Ich weiß vieles über Erniedrigung und die wichtigste Sache ist das man sie ausspricht, damit sie die Macht im Kopf über einen verliert." sie kam auf mich zu und wollte mir über den Arm streicheln, was ich nicht zu ließ ,,Sie verstehen mich nicht, sie kennen mein früheres ich nicht." ,,Dann erkläre es mir, dafür bin ich hier, zum zuhören."
,,Sie- mit jedem Mitleidigen Blick, mit jedem Wort aus ihrem Mund, mit jeder liebevollen Geste erniedrigen sie mich, verstehen sie das? Ich brauche sie nicht also tun sie nicht permanent so als ob ich sie brauche. Ich werde niemals mit ihnen reden wenn sie es nicht mal schaffen mit ihrem jetzigen Wissen über meine Geschichte klar zu kommen. Sie versuchen sich selbst ein besseres Gefühl zu geben in dem sie mich als Opfer betrachten das sie umsorgen müssen."  mit Tränen in den Augen da die Wahrheit so unglaublich weh tat trat ich aus der verhassten Praxis.

Tief durchatmenden genoss ich kurz die Sonnenstrahlen des Frühlings und lief wie so oft zu dem gegenüber liegenden Park, in welchem ich immer wartete bis meine Stiefmutter mich abholte. Etwas beruhigt begann ich auf meinem Handy nach in der Umgebung liegenden Schulen zu schauen, da ich auf keinen Fall verständlicherweise wieder in meine alte Schule wollte. Nach einiger Zeit hatte ich drei Schulen zur Auswahl welche ich abspeicherte bevor ich Richtung Parklatz lief wo das weiße Auto meiner Stiefmutter stand.

,,Hallo Schatz, wie war deine Unterhaltung?" sie nannte die Therapie Unterhaltung um mich zu schonen, als ob ich seit dem Geschehen ein kleines Kind wäre. ,,Gut." Ich erzählte niemals wie oft ich abbrach, da ich auf keinen Fall mit meiner Familie darüber reden wollte. ,,Schön, wollen wir heute Abend essen gehen?" der Gedanke einen ganzen Abend mit ihnen verbringen zu müssen gab mir erneut das verhasste Gefühl zu ersticken.

,,Ich gehe heute Abend aus." wie so oft sprach ich aus einem Impuls heraus was mir früher selten passiert war, überrascht zuckte die Augenbraue meiner Mutter ,,Aus? Mit wem denn." ,,Kennst du nicht." antwortete ich, da ich alleine gehen würde. ,,Aber Schatz, dein Oberschenkel und dein Bauch sollten sich doch lieber ausruhen." ,,Wir gehen auch nur was trinken." genervt das sie mich ausfragte lehnte ich meine Stirn an das kühle Fenster während die Häuserfasaden an uns vorbei rauschten.

,,Aurora ich fühle mich ehrlich gesagt gar nicht gut damit."  ,,Mama ich bin 17 und werde in zwei Wochen 18, ich muss mein Leben einfach normal leben." nach meinen Worten herrschte eisige Stille und ich wusste das meine Stiefmutter innerlich abwägte wie sie entscheiden sollte, einerseits war sie immer locker gewesen doch sie war ebenfalls seit ich entführt wurde ein anderer Mensch geworden.

,,Gut, von mir aus." Ich nickte und wusste nicht ob ich mich freuen oder weinen sollte.

Cosa Nostra 2Where stories live. Discover now