Forderungen

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Auf dem Bild ist Rune


Man hatte sich darauf geeinigt, während des Desserts über die Bedingungen und Forderungen zu sprechen. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde die Anspannung größer. Nymeris nippte an seinem ungesüßten Tee und warf einen kurzen Blick zu den drei Seeschlangen. Außer Ash hatte keiner von ihnen Hörner. Er strahlte jetzt eine seltsame Ruhe aus. Die Ruhe vor dem Sturm. 

,,Nehmt es mir nicht übel, aber langsam bin ich mit meiner Geduld am Ende. Welche Forderungen auch immer Ihr habt, fühlt euch frei dazu sie zu stellen. Ich bezweifle, dass wie uns nicht einig werden können. Immerhin sollen von diesem Bündnis beide Parteien profitieren.", die ernste Stimme seines Vaters unterbrach die Stille im Saal, die nach dem Essen eingekehrt war. Nymeris stellte die Tasse ab und spitzte die Ohren. Daemon lehnte sich soweit zurück, wie seine Flügel es zuließen und verschränkte die Arme vor der Brust. 

,,Gestatten mir zu aller erst eine Frage: Wie möchtet Ihr dieses Bündnis besiegeln?", Ash musterte das Königspaar aufmerksam und abwartend zugleich. Nys war sich beinahe sicher, dass die Seeschlange bereits eine Idee hatte, wie er dieses Bündnis besiegeln wollte. Sein Vater schien sich wohl das Gleiche zu denken, denn er erhob sich und fragte: ,,Wie wollt Ihr es denn besiegeln?"

Ash atmete hörbar aus, als er sich ebenfalls erhob, jede Bewegung anmutig und elegant, wie es sich für einen König gehörte. 

,,Sowie die Drachen und Wyvern ihre Bräuche haben, haben auch wir welche. Einige davon sind ein unausgesprochenes Gesetz. Wie ernst Ihr es mit diesem Bündnis meint, wird sich noch zeigen. Die Seeschlangen haben genug unter den Herrschaften der Geflügelten gelitten, als dass ich euch meine Treue schenke. Wenn Ihr dieses Bündnis eingehen wollt, dann verlange ich Unterstützung und Hilfe jeglicher Art, wenn sie gebraucht wird.", der Schlangenkönig sprach laut und ruhig, als hätte er jedes Wort auswendig gelernt. Unterstützung und Hilfe? Das war alles? Mehr wollte er nicht?!

Nymeris runzelte die Stirn.  

,,Ihr werdet unsere Unterstützung haben, solange sie nicht missbraucht wird. Wir werden keine Kriegsstiftung unterstützen.", seine Mutter saß noch immer auf dem Stuhl, eine Hand auf der Lehne, die andere hielt eine Tasse Tee.

,,Die Seeschlangen sind und waren schon immer ein friedliches Volk. Wir wollen nur unsere Ruhe und den Frieden, den wir nach allem verdient haben."

,,Das beantwortet noch immer nicht meine Frage. Wie besiegeln die Seeschlangen ihre Bündnisse?"

,,Mit einer Hochzeit. Ich biete Euch somit die höchste Stellung an, die es neben meiner noch gibt und Ihr gebt mir dafür Euren Sohn."

Nymeris Körper versteifte sich. Obwohl sein Name nicht gefallen war, konnte man nur von ihm sprechen, außer natürlich Ash hatte tatsächlich zu Rune gesehen und nicht zu ihm. Daemon berührte seinen Unterarm, als wollte er sagen, dass ihm nichts passieren würde. Runes eiserner Blick lag auf dem Seeschlangenkönig. 

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Niemand wagte es, zu atmen oder sich zu rühren. Die Anspannung im Raum schien die Luft zu zerreißen. 

,,Welchen?", obwohl man aus der Stimme seines Vaters keinerlei Wut heraushören konnte, sprach dessen Körperhaltung mehr als tausend Worte. Nys versuchte ruhig zu bleiben und sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. 

,,Nymeris.", Ash sprach seinen Namen so sachlich aus, als wäre der Wyvern bloß ein Objekt. Vielleicht war er das in den Augen der Schlange ja. 

Nys nahm erst wahr, dass er aufgestanden und gegangen war, als er seinen Körper gegen das massive Holz der Tore stemmte und davon lief. Wie in Trance hastete er durch die Gänge, nach draußen in den Garten. 


Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und atmete tief durch. Einmal, zweimal und noch ein drittes Mal, bis seine Brust nicht nicht mehr so eng anfühlte. Warum verspürte er eine solche Verzweiflung?! Nymeris wusste, dass seine Familie ihn nicht eintauschen würden. Niemals würde man ihm so etwas antun, nicht ohne seine Zustimmung. 

Ein Bündnis, auf das man Jahrtausende lang gewartet hatte, fiel ins Wasser weil er den Seeschlangenkönig nicht heiraten wollte. Der Wyvern wusste, dass er niemals auf dem Thron sitzen würde. Nicht solange seine Eltern und Brüder am Leben waren, was auch hoffentlich noch sehr lange der Fall sein würde. Man bot ihm an, über ein anderes Volk herrschen zu dürfen. Macht und Ansehen, als Gegenleistung für ein oder zwei Kinder. Nymeris war keiner von den Drachen, die alles für eine Kostprobe davon tun würden. Er genoss es unentdeckt zu bleiben und so wenig Verantwortung wie nur möglich tragen zu müssen. Er musste seine Freiheit aufgeben, die Möglichkeit, jemals aus Liebe zu heiraten, sein Zuhause. 

Im Dunklen sah der Garten nicht mehr ganz so bunt aus. Die Blumen hatten ihre Köpfe eingezogen und verbargen die schönen Farben. Das helle Grün der Bäume war du jel, fast schwarz und der Teich wirkte nicht mehr wie ein Paradies für Fische sondern wie ein dunkles Loch, das ihn verschlingen und nicht mehr losgelassen würde.

Das einzig Schöne im Garten bei Nacht, waren die zahlreichen Glühwürmchen. Also Kind hatte er sie gerne gefangen und in Gläsern mit Deckeln in seinem Zimmer gehalten. Ewig hatte er sich gewundert, weshalb sie immer gestorben waren, bis er in einem Buch gelesen hatte, dass die armen Tierchen erstickten und aus ihrem natürlichen Lebensraum gerissen wurden. Seitdem hatte er sich Abends, kurz nach Sonnenuntergang in den Garten auf die Bank vor dem See gesetzt und gewartet.

Zu Beginn waren es immer nur sehr wenige Insekten und Nymeris war schnell ungeduldig geworden und gegangen. Bis er sich eines Tages dazu entschieden hatte, länger zu bleiben. Die wenigen Lichter wurden langsam immer mehr, bis sich schließlich hunderte Lichter unter der Baumkrone versammelten und summten. Ihr kaltes Licht erhellte den dunklen Garten und erfüllte ihn selbst bei Nacht, wenn die Vögel und Schmetterlinge schliefen, mit Leben.

Nymeris atmete die warme Nachtluft tief ein. Der Sommer stand kurz vor der Tür, die Tage würden länger und die Nächte angenehmer. Er fragte sich, wie der Sommer wohl an den Küsten aussah. In den Büchern hatte er dazu nie viel gefunden. Nur vereinzelte Passagen, die von warmer Seeluft und heißen Sonnenstrahlen schrieben.

Die gebräunte des Seeschlangenkönigs war wohl ein Beweis für die Intensität der Sonne an den Küsten.

War Ash mit der Intention ihn zu heiraten hergekommen oder war es bloß ein Zufall gewesen?

,,Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finden würde.", Nyx' warme Stimme war wie ein Anker, der ihm davon abhielt, noch weiter in seine Gedanken hinein zu driften.

,,Du hättest bleiben sollen, Nys.", meinte sein Onkel leise.

Überrascht drehte er den Kopf zur Seite und fragte: ,,Wieso? Ich weiß er ist ein hochrangiger Gast, aber ich werde mir nicht anhören, wie man über mich spricht, als wäre ich ein Objekt."

Nyx schlug schmunzelnd die Augen nieder und senkte den Kopf. Seine dunkelblauen Flügel reflektierten das Licht der Glühwürmchen und schimmerten an diesen Stellen wie ein Obsidian. Das Blau der Flügel war so dunkel, dass man es schnell mit einer schwarzen Farbe verwechselte.

,,Er hat ein Angebot gemacht, das dir vielleicht auch gefallen könnte, so wie ich dich kenne."

Nyx Worte halten noch immer in seinem Kopf, als er seine Gemächer betrat. Ein salziger Duft wehte ihm entgegen, als er eintrat und sich umsah.
Nymeris öffnete die Glastüren des Balkons und zog die Vorhänge zu, sodass zwar Luft in das Zimmer strömte, aber ihn keiner beobachten konnte.

Also er sich umdrehte und sich an den kleinen Frisiertisch setzte, fiel sein Blick auf eine fremde Schatulle aus weißem Holz. Der Meeresgeruch kam von ihr.
Neugierig klappte er den überraschend leichten Deckel hoch und starrte auf einen kleinen Apparat, neben dem ein Zettel lag auf dem in sauberer Schrift geschrieben stand:

Ich konnte etwas finden

DrachenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt