Verschwunden

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Zwei Tage lang nehme ich einen anderen Weg zur Arbeit, um nicht den beiden Vertrauten oder der Hexe selbst über den Weg zu laufen

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Zwei Tage lang nehme ich einen anderen Weg zur Arbeit, um nicht den beiden Vertrauten oder der Hexe selbst über den Weg zu laufen. Am dritten Morgen jedoch werde ich überaus unsanft geweckt, als ein scharfer, starker Schnabel sich durch mein dichtes Fell arbeitet und kräftig genau zwischen zwei Wirbel zwickt.

„Rrrraaaff!" Knurrend fahre ich aus dem Schlaf, stoße mir wie üblich den Kopf an der niedrigen Decke und blinzele nach der Ursache der Störung. Die ist weiß, überhühnchengroß und hockt ganz gelassen auf dem einzigen freien Fleck meiner Hütte.

„Kandreo, hörst du endlich mal auf, in meinen Schwanz zu piken!"

Der weiße Rabe quarrt empört zurück. „Das werde ich erst tun, wenn du endlich meine Gebieterin in Ruhe lässt!"

„Ich habe sie in den letzten beiden Tagen nicht gesehen und ihr auch nicht irgendwie aufgelauert", verwahre ich mich. „Also eigentlich seit unserer letzten Auseinandersetzung. Was soll diese Aktion jetzt bedeuten?"

Vom Hüttendach kommen Fauch- und Quieklaute. Kandreo legt den Kopf schief, blinzelt nach oben, als könne er durch die grob gehobelten Bretter sehen und krächzt irgendwas zurück. Ein entschiedenes „MAU!" ist die Antwort.

„Na schön", Kandreo wendet sich wieder mir zu. „Margoli sagt, du riechst auch nicht nach ihr. Aber das muss nicht bedeuten, dass du nichts damit zu tun hast. Ich hätte gerne eine Erklärung von dir!"

„Ich auch von dir. Und zwar, wovon du eigentlich redest!", kontere ich wütend.

Wieder maunzt es von oben. Kandreo nickt. „Sie hat recht. Sie meint, wir sollten erstmal aus dem Kabuff hier herauskommen, damit wir uns in die Augen sehen können."

„Gute Idee. Raus hier!"

Kandreo hüpft aus der Hütte, bleibt aber direkt vor der Öffnung stehen. Ich strecke mich etwas, nehme den Riemen meiner Tasche zwischen die Zähne und zwänge mich durch den engen Durchlass. Für Hunde meiner Größe ist die Hütte nicht gemacht, aber es gibt keine größeren hier.

Kandreo trippelt zur Seite, um mir Platz zu machen. Kritisch beäugt er meine Hütte. „Hätte ja nicht gedacht, dass du wirklich in ner Hundehütte wohnst."

„Ich bin ein Hund, wo sollte ich sonst hausen?"

„Du bist ein Höllenhund, der Mensch und Hund sein kann und meistens als Mensch rumläuft. So haben wir dich ja damals auch getroffen."

„Stimmt, aber im Endeffekt bin und bleibe ich ein Hund." Ich weise auf die Reihe der Hütten rechts und links. „Hundehütten sind für Hunde und Hundewesen da. Niemand würde mir ein Zimmer geben."

Margoli zischt leise. Kandreo übersetzt prompt: „Sie findet, dass ihr Wesen entsetzlich viel auf Ränge gebt und dabei das Wesentliche überseht."

„Aber haben Katzen nicht auch eine Rangordnung?", erkundige ich mich verdutzt. Hunde und Wölfe leben in der Regel in Familien und solange keine Revierverletzungen stattfinden, gibt es keinen Anlass, irgendeine Ordnung auszukämpfen. Katzen hingegen organisieren sich in losen Verbänden mit einander überlappenden Revieren und sie gehen sehr vorsichtig miteinander um. So werden Revierfremde im allgemeinen verjagt, bei potenten Katern neigen die Reviereigner aber eher zum Ausweichen, statt sich auf einen Kampf einzulassen.

Wer vermisst schon eine Hexe? ✔️Where stories live. Discover now