Kapitel 4

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NOLAN

„Kinder", das hat die hübsche Rothaarige gesagt und ich weiß nicht über was ich schockierter sein soll. Die Bruchbude von einer Eishalle oder die Tatsache, dass der Coach mich scheinbar zu einem Training von Kindern geschickt hat. Ich mag keine Kinder und das ist allgemein bekannt. Coach Carter möchte mir damit nur eins auswischen und mich für die Aktion im Raindrop bestrafen. So eine Scheiße.

Ein letztes Mal verfluche ich meinen Trainer und stoße dann schwungvoll die Türen zur Eishalle auf. Sofort steigt mir der typische Geruch in die Nase und aufgeregtes Kindergerede dringt an meine Ohren. Mein Griff um die Sporttasche verfestigt sich, als ich auf den Lärm zugehe. Was hat der Coach sich nur dabei gedacht, mich, ausgerechnet mich, mit Kindern zusammenarbeiten zu lassen? Er weiß genau, dass ich mit diesen kleinen Dingern nicht gut umgehen kann. Kinder sind mir zu anstrengend, zu laut und zu unreif. Noch mehr stört mich, dass ich weder den Namen noch die Telefonnummer der Schönheit von draußen ergattern konnte. Ihre Worte haben mich so überrascht, dass ich ganz vergessen habe weiter am Ball zu bleiben bei meinem Flirt. Miss Ginger hätte voll in mein Beuteschema gepasst: klein, süßes Gesicht und eine freche Zunge, ihre außergewöhnliche kupferrote Haarfarbe ist nur die Kirsche auf der Sahnetorte. Nur zu gerne hätte ich gesehen, was sich unter ihren dicken Winterklamotten verbirgt und einen genaueren Blick auf ihre Figur geworfen.

„Ah, Sie müssen Mr. Garcìa sein. Ich bin Coach M", kommt mir ein freundlich aussehender, älterer Mann entgegen. Er trägt ein ausgeleiertes Trikot, dazu eine dunkle Jeans und Bauer-Schlittschuhe. Auf seinem Kopf sitzt eine blaue Cap und eine runde Brille liegt auf seinem Nasenrücken; er ist das genaue Gegenteil von meinem eigenen Coach.

„Ja, genau. Schön Sie kennenzulernen!", besinne ich mich auf meine guten Manieren und reiche dem Mann die Hand. Er hat einen kräftigen Händedruck, dass muss ich ihm lassen. Der Trainer ist einen guten Kopf kleiner als ich, macht das aber mit seinem jetzt strengen Gesichtsausdruck wieder wett. Mit dem ist wohl nicht zu spaßen. Ich schätze mal mein eigener Coach hat ihn über mein Verhalten informiert.

„Das sind die Jungs", entlässt mich der Coach endlich aus seinem Blick und deutet auf die Gruppe Kinder hinter ihm, „Sind alle sehr talentiert. Kommt Leute, stellt euch vor!" Ich höre den Stolz aus seiner Stimme heraus und muss ein Seufzen unterdrücken. Ab jetzt heißt es Lächeln aufsetzen und nett sein, auch wenn ich lieber auf einen Boxsack einschlagen würde.

Die Kinder tragen alle bereits ihre Ausrüstung, wobei sie die Helme noch in den Händen halten, sodass ich ihre Gesichter sehen kann. Ich würde schätzen, die Jungs sind zwischen acht und zwölf Jahre alt, basierend auf den verschiedenen Größen. Die Trikots in blau-weiß sind schon relativ abgetragen und die Schlittschuhe der Jungs sehen auch nicht besser aus. Das sieht immer mehr nach einem Sozialprojekt aus. Kann sich hier keiner gute Ausrüstung leisten?

Trotz der vorherigen Aufforderung des Coaches erhebt kein einziges Kind das Wort, alle sind zu beschäftigt damit mich anzustarren und ich bekomme den Eindruck, dass manche von ihnen gleich anfangen zu sabbern. Das kann ja was werden. Mit mir sprechen sollten die Jungs schon, ansonsten werden die nächsten Monate sehr lang – und langweilig.

„Ich bin Nico", ertönt plötzlich doch eine helle Kinderstimme und ich hebe neugierig den Blick, „Ich spiele auch als Stürmer, genau wie du! Meine Schwester hat gemeint, du kannst uns bestimmt viel beibringen! Das hoffe ich, denn irgendwann mal will ich auch zu den Profis." Der Junge, der gesprochen hat, gehört zu den größten hier und hat blonde Locken, die ihm wild ins Gesicht fallen. Er grinst mich freudig an, was ich zu meiner eigenen Überraschung erwidere. Der Kleine hat Eier, das gefällt mir. Scheinbar hat Nico endlich Bewegung in die Truppe gebracht, denn jetzt überhäufen mich alle mit ihren Namen und Spielpositionen. Das kann ich mir niemals alles merken!

„So Jungs, ab aufs Eis mit euch. Wärmt euch auf und lasst Mr. Garcìa erstmal ankommen", unterbricht Coach M das Geplapper der Kinder und zeigt mit einem Blick, der keine Widerworte duldet, auf die Eisfläche. Sofort stürmt die Gruppe auf die vereiste Fläche und beginnt, nachdem sie ihre blauen Helme aufgesetzt haben, Runden auf dem Eis zu laufen. Ich muss zugeben, einige machen ihre Sache überraschend gut. Andere wiederum sollten sich vielleicht besser ein anderes Hobby suchen bevor es Verletzte gibt. Eislaufen ist nicht für jeden etwas: Geschick und Talent sind durchaus wichtige Punkte, dicht gefolgt von Ehrgeiz und Siegeswille. Automatisch findet mein Blick Nico mit der Nummer 49 und ich muss breit Lächeln als ich erkenne, dass er mit Talent gesegnet ist. Ich weiß nicht warum, aber das freut mich sehr für den aufgeweckten Jungen und ich nehme mir vor, ihn weiter zu fördern. Er hat diese gewisse Ausstrahlung, die man auf dem Eis braucht und ich sehe Potential in dem Kleinen.

Ich stelle meine Trainingstasche auf eine der wenigen Holzbänke und ziehe die Schlittschuhe heraus, um sie gegen meine Winterstiefel zu tauschen. Jetzt macht Coach Carters Anweisung, Schlittschuhe mitzunehmen, definitiv Sinn: Am besten bringt man jemandem etwas bei, wenn man selbst auf dem Eis steht.

„Ich weiß genau, dass Sie nicht freiwillig hier sind, aber ich sage Ihnen eins: Seien Sie freundlich zu den Jungs oder es gibt Ärger. Die Kinder freuen sich seit Tagen auf Sie, da haben sie es verdient, dass man sie gut behandelt!", spricht Coach M mich an, nachdem er mir stumm und mit verschränkten Armen beim umziehen zugesehen hat. Wie ich bereits vermutet habe, mit diesem Mann ist nicht zu spaßen und ich werde meine Karriere nicht aufs Spiel setzen, nur weil ich auf seiner falschen Seite stehe.

„Keine Sorge, auch wenn ich nicht wirklich Lust hierauf habe, besitze ich durchaus Manieren", meine ich ernst und erhebe michvon der Bank, „Zeigen Sie mir, wie das Training abläuft?" Wenn ich schon dieganze Saison über hier festsitze, kann ich wenigstens das Beste daraus machen und immerhin darf ich meiner größten Leidenschaft nachgehen – Eishockey.


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Könnt ihr Schlittschuh laufen? - Yupp.

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